Neuss. Eines der größten Legionslager der Römer befand sich im antiken Neuss. Das Clemens Sels Museum zeigt auf, dass dort nicht nur Soldaten lebten.

Im Foyer taucht plötzlich Louba, die Ehefrau eines Soldaten, auf. Später schaut dann noch Ursus, der Haussklave eines Offiziers, vorbei. Die beiden begrüßen die Besucherinnen und Besucher des Clemens Sels Museums, wenn auch nur als Projektionen, und stellen damit eines direkt zu Beginn der Ausstellung „Inter Nationes – Die Menschen im römischen Novaesium“ klar: In dem Militärstandort am Niedergermanischen Limes lebten mitnichten nur Soldaten.

Doch bevor es um die Menschen geht, muss Dr. Carl Pause als Kurator der Ausstellung erst einmal kurz die Geschichte vom römischen Novaesium, dem antiken Neuss, anreißen. „Es gab eine Kette von römischen Legionslagern entlang des Rheines“, erklärt er und zeigt auf eine große Karte. Die vier größten befanden sich in Bonn, Xanten, Nijmegen und eben auf dem Gebiet des heutigen Neuss. Um sich der Dimensionen bewusst zu werden, bitte einmal über die Konstruktion aus dem 3D-Drucker beugen.

Entspannen im römischen Spa

Sieht ja fast aus wie ein Dorf? „Na eher wie eine Stadt“, stellt Pause klar. Dort drüben ist das Lazarett, sagt er und deutet auf ein kleines Modellhäuschen. Hinten befinden sich die schlichten Unterkünfte für die Soldaten, mittig das prachtvolle Atrium für die Offiziersfamilie. Eine Therme gibt’s auch. „Das war ein richtiges Spa, in dem man sich mit den Kumpels traf“, so der Kurator. Scheint wirklich riesig gewesen zu sein. „Man kann davon ausgehen, dass hier circa 12.000 Leute gelebt haben.“

Wer aber waren denn nun die Bewohnerinnen und Bewohner von Novaesium? Gar nicht so leicht zu beantworten, selbst für den Experten. Deshalb geht’s direkt zur nächsten Karte, auf der Pfeile die Heimatorte der in Novaesium stationierten Soldaten anzeigen. Viele kamen aus Italien, einige auch aus Gallien, Niedergermanien oder Spanien. Archäologische Fundstücke belegen die Herkünfte, darunter eine gallische Hakenfibel, ein Gewandverschluss, oder ein spanischer Trensenring, eine Zügelbefestigung.

Multi-Kulti im antiken Neuss

Die Soldaten kamen allerdings nicht alleine zu ihrer militärischen Einsatzstelle, sondern brachten häufig noch ihre Familie mit. Viele Frauen und Kinder mussten zwar vor den Toren bleiben, so viel Platz war dann doch nicht vorhanden, einige aber lebten auch im Legionslager. Das beweisen unter anderem antike Haarnadeln, die vor Ort ausgegraben wurden. „Und die Offiziere haben bestimmt nicht selbst geputzt“, fügt Pause hinzu. Dafür hatten sie Haussklaven, so wie den anfangs erwähnten Ursus.

Die Römer haben Olivenöl an den Niederrhein gebracht, das in bauchigen Gefäßen aufbewahrt wurde.
Die Römer haben Olivenöl an den Niederrhein gebracht, das in bauchigen Gefäßen aufbewahrt wurde. © Sara Schurmann

Verschiedene Menschen, verschiedene Kulturen trafen in Novaesium zusammen und bildeten eine richtige Multi-Kulti-Gesellschaft. „Alle hat aber eines verbunden“, betont der Kurator. „Sie wollten Römer sein.“ Denn die römische Kultur bedeutete Erfolg, Luxus. Und gutes Essen. „Bevor die Römer kamen, muss das Essen richtig langweilig gewesen sein.“ Kein Wunder, wenn es vor ihnen keine Zwiebeln, Reis, Pflaumen oder Wein gab. Die Römer brachten neue Nutzpflanzen mit, um sie entlang des Rheines anzubauen.

Das Maggi der Antike

„50 Prozent der Pflanzen in unseren Gärten gäbe es heute ohne die Römer nicht“, so Pause. Andere römische Spezialitäten haben sich dagegen nicht durchgesetzt, so wie „das Maggi der Antike“. Bei der Erklärung des Experten, lässt sich der Grund dafür erahnen: „Das waren Fischabfälle, die in Salz eingelegt und für zwei Wochen in die Sonne gestellt wurden.“ Unvorstellbar aus heutiger Sicht, doch die Menschen in Novaesium ließen sich die Sauce schmecken. War ja schließlich eine römische Spezialität, damit fühlten sie sich selbst direkt noch etwas römischer. Getreu dem Motto „der Mensch ist, was er isst“.

>>> Themenjahr „Provinz – provinciaal“

„Inter Nationes – Die Menschen im römischen Novaesium“ im Clemens Sels Museum, Am Obertor, in Neuss ist noch bis zum 3. Oktober 2021 zu sehen. Die Ausstellung ist Teil des Themenjahres „Provinz – provinciaal“.

Ausgehend vom Niedergermanischen Limes, der von der Unesco als neues Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde, untersucht das Kulturgeschichtliche Museumsnetzwerk Rhein-Maas in dem Themenjahr das kulturgeschichtliche Umfeld des römischen Erbes.

Weitere teilnehmende Museen sind zu finden unter www.kulturraum-niederrhein.de