Moers/Bochum. Welche Rolle Kinder bei der Übertragung des Coronavirus spielen, will Dr. Thomas Voshaar in einer Studie klären. Er erklärt seine Theorie.

Es ist eine Frage, die bisher kein Wissenschaftler exakt beantworten kann und die die Mediziner bereits seit über einem Jahr umtreibt: Wie ansteckend sind Kinder und Jugendliche? In einer kürzlich gestarteten Studie versucht Dr. Thomas Voshaar, Leiter der Lungenklinik am Krankenhaus Bethanien in Moers, gemeinsam mit einem Ärzteteam verschiedener Kliniken, dies herauszufinden.

Bereits im Mai 2021 veröffentlichte der Berliner Virologe Christian Drosten erste Daten seiner Erhebung, die gezeigt hatte: Kinder mit Covid-19 sind ungefähr so ansteckend wie andere Altersgruppen. Doch Voshaar sagt: „Niemand weiß, ob Kinder, vor allem Kleinkinder, überhaupt ansteckend sind“, stellt der Mediziner im Gespräch mit unserer Redaktion klar.

Bundesgesundheitsministerium lehnte Förderung ab

Es würden zwar Beobachtungsstudien, aber keine direkten Nachweise für eine Übertragung des Virus von infizierten Kindern auf andere Menschen existieren, so Voßhaar. Die Studie, die bereits vor einem Jahr starten sollte, konnte erst vor kurzem beginnen, der Bund lehnte die Förderung des Projektes ab. Gründe dafür waren, dass kurzfristig keine Ergebnisse zu erwarten waren, die für eine praktische Umsetzung etwa in Kitas unmittelbar geeignet waren.

Dr. Thomas Voshaar, Lungenspezialist vom Bethanien-Krankenhaus in Moers, forscht zur Frage: Wie ansteckend sind Kinder?
Dr. Thomas Voshaar, Lungenspezialist vom Bethanien-Krankenhaus in Moers, forscht zur Frage: Wie ansteckend sind Kinder? © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Das Ärzteteam rund um Voshaar, unter anderem bestehend aus Aerosolexperten und Kindermedizinern, habe danach erst einmal Zeit gebraucht, die Studie neu zu organisieren. Nun werde sie über Spenden und eine Stiftung finanziert.

Studie an der Uniklinik Bochum durchgeführt

Durchgeführt wird die Studie an der Universitätskinderklinik Bochum von Dr. Folke Brinkmann. Sie lässt Kinder unter zwölf Jahren in ein röhrenförmiges Mundstück ausatmen, „das tut nicht weh und ist auch nicht gefährlich“, sagt Voshaar. Niemand habe Zweifel daran, dass das sich Corona-Virus nahezu ausschließlich über abgeatmete, das Virus tragende Aerosole überträgt. Spucketröpfchen, Niesen und Husten spielen wahrscheinlich nur eine ganz untergeordnete Rolle, vielleicht sogar keine, so der Lungenspezialist. Eine Virus-Pandemie mit der Ausbreitung, wie man sie seit anderthalb Jahre beobachten könnte, sei überhaupt nicht denkbar ohne den Infektionsweg über abgeatmete Aerosole, „die eben sehr lange in der Luft verbleiben“.

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In der Virologie gehe man immer noch davon aus, dass eine hohe Viruslast auch eine hohe Infektiosität bedeutet. „Das lesen wir auch so in der bekannten Studie von Herrn Professor Drosten. Wir sehen das nicht so. Es geht um die Frage, wie die Viren den Nasen-Rachenraum verlassen oder ob sie nur aus der Lunge abgeatmet werden können“, so Voshaar. Es gehe also darum herauszufinden, ob Kinder die Viren ausatmen. „Wäre die Antwort ja, dann wäre das natürlich traurig, aber auch eben sensationell, weil wir in der Erforschung der Ansteckung einen großen Schritt weiter wären“, sagt er.

Mehrere 100 Kinder nehmen an der Studie von Voshaar teil

Gerade mit Blick auf das bald wieder startende Schuljahr sei diese Untersuchung dringend. „Ich sehe es schon wieder kommen, dass die Ferien zu Ende sind und wir wieder ohne Konzept dastehen“, ärgert sich Voshaar. Wie lange die Studie läuft, könne er noch nicht abschätzen. Es käme auch darauf an, wie viele Kinder einen positiven Test aufweisen und in die Studie aufgenommen werden können. Mehrere hundert Kinder benötigte man jedoch auf jeden Fall, um eine Aussage treffen zu können.