An Rhein und Ruhr. Unfälle, Entsorgung in Gewässern, Konkurrenz für das Fahrrad, kein Ersatz fürs Auto: Die Bilanz der E-Scooter ist nach zwei Jahren ernüchternd.
15 Leichtverletzte, elf Schwerverletzte, davon zwei, die auf der Intensivstation behandelt werden mussten, allein zwischen Samstag vergangener Woche und Freitagmittag, und das nur in NRW. Die geplante Bergung hunderter im Rhein in Köln entsorgter Fahrzeuge – erstmal auf unbestimmte Zeit verschoben. Rund zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der „Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung“, von der sich das Bundesverkehrsministerium seinerzeit „neue Wege moderner, umweltfreundlicher und sauberer Mobilität in unseren Städten“ versprach, fällt die Bilanz ernüchternd aus.
Mittlerweile sind zehntausende dieser kleinen, bis zu 20 Stundenkilometer schnellen Gefährte auf den Straßen in NRW unterwegs. Allein in der Landeshauptstadt Düsseldorf sind es nach städtischen Angaben aktuell 12.700. Essen meldet bis zu 1300 Fahrzeuge, Duisburg etwa 1000, Mülheim rund 470.
Reul: Diese Scooter werden häufig aus Jux genutzt
Das CDU-geführte Landesverkehrsministerium ist von ihrem Mehrwert überzeugt: „Innovative neue Verkehrsmittel, wie auch E-Scooter, ergänzen das Angebot der Nahmobilität und sind ein relevanter Baustein für das Vernetzen von Wegeketten“, sagt ein Ministeriumssprecher auf Anfrage.
Landesinnenminister Herbert Reul, ebenfalls CDU, hatte sich bereits bei der Vorstellung der Verkehrsunfallstatistik für das vergangene Jahr im März weniger euphorisch geäußert. Es gebe klare Anzeichen, „dass diese Scooter aus Jux genutzt werden“, häufig auch unter Alkoholeinfluss.
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Eine im vergangenen Jahr vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage unterstreicht diese Aussage. Demnach nutzen 62 Prozent der Fahrer die E-Scooter aus Spaß oder zum Zeitvertreib, also nicht als Alternative zum Auto, wie es ursprünglich erhofft wurde.
„Seit ihrer Zulassung vor zwei Jahren sind E-Scooter für viele Menschen vorrangig zu einem beliebten Fortbewegungsmittel in der Freizeit geworden“, erklärt auch ein Sprecher des nordrhein-westfälischen ADAC. Grundsätzlich hat der Autofahrer-Lobbyverband nichts gegen die Einführung der E-Scooter: Würden E-Scooter einen größeren Anteil an Kurzstreckenfahrten mit dem Auto ersetzen, könnten sie „ein sinnvoller Baustein kommunaler Verkehrskonzepte sein“, so der ADAC-Sprecher.
Unfallchirurgen müssen viele E-Scooter-Opfer behandeln
„In Bezug auf die Kompensation von Pkw-Fahrten im Rahmen der angestrebten Mobilitätswende besteht sicherlich noch Luft nach oben“, formuliert es ein Sprecher der Stadt Düsseldorf. In Mülheim fällt die Bilanz positiver aus. Auswertungen der Bewegungsdaten der Anbieter hätten pro Woche bis zu 3000 Fahrten bilanziert, die durchschnittlich 15 Minuten dauern. „Hieraus und aus den gefahrenen Routen kann man schließen, dass der E-Roller tatsächlich als alternatives Verkehrsmittel genutzt wird“, so ein Sprecher der Stadt.
Dass die E-Scooter derzeit häufig vor allem als Spaßmobile genutzt werden und welche fatalen Folgen das zeitigen kann, weiß Prof. Michael Raschke aus Erfahrung. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Er und seine Kollegen haben im vergangenen Jahr in der Unfallchirurgie in Münster mindestens 100 verunglückte E-Scooter-Fahrer behandelt, berichtet er. „Wir haben viele Kopfverletzungen und Verletzungen an Händen und Armen.“ Häufig seien die Fahrer leichtsinnig gefahren, beispielsweise einhändig oder betrunken gewesen.
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Der Fahrrad-Lobbyverband ADFC wiederum kritisiert einen Verdrängungswettbewerb. Radfahrende müssten sich nun den ohnehin knappen Platz in den Städten teilen, so der Landesvorsitzende Axel Fell. „Es fehlt einfach eine vernünftige Infrastruktur. Das Problem mit dem fehlenden Platz für Radfahrende hat sich durch E-Scooter sogar noch verschärft.“
Ein zusätzliches Ärgernis ist, dass viele E-Scooter dort landen, wo sie nicht hingehören. Auf Gehwegen, Fahrradwegen, in städtischen Gewässern oder in Flüssen. In Düsseldorf fischen städtische Mitarbeiter nach Angaben des Stadt-Sprechers „regelmäßig E-Scooter und E-Bikes“ aus den Gewässern in den Anlagen der Innenstadt. Unter der Hohenzollern-Brücke in Köln sollen im Rhein hunderte E-Scooter entsorgt worden sein. Bislang fehlt ein schlüssiges Konzept der E-Scooter-Firmen, um die Fahrzeuge zu bergen.