Das Weihnachtshochwasser von 1993 haben die Menschen am Niederrhein noch in lebhafter Erinnerung. Die Flut kündigte sich in Köln an.
Der Damm zerreißt, das Feld erbraust
Man hätte es wissen können – aber es hätte sich dennoch nicht aufhalten lassen. Die Menschen am Niederrhein leben seit Jahrhunderten am und mit dem Fluss, die jährlich wiederkehrenden Rhein-Hochwässer sind sie gewohnt. Und eigentlich sind die Deichverbände am Niederrhein die ältesten Bürgerinitiativen des Landes – seit mehr als 600 Jahren stellen sie sich Vater Rhein, wenn der mal wieder zu ausfallend wird.
Die große Flut kündigte sich an – in Köln
Doch an Weihnachten 1993 kam alles viel schlimmer, als man gedacht hatte. Die große Flut kündigte sich an, als in der Kölner Altstadt der Rhein überlief - die mobilen Schutzwände waren auf zehn Meter angelegt, doch das Wasser stieg und stieg und erreichte die historische Höchstmarke von 10,63 Meter. Zwei Tage später erreichte die Welle Wesel und Emmerich. Land unter!
Die Fluten spülen, die Fläche saust
Julius Meisters, Verbandsdeichgräf und damals schon für den Deichverband Kleve-Landesgrenze im Einsatz – wie so viele: ehrenamtlich – blättert durch alte Aktenordner. „Höher kann’s nicht mehr kommen, dachten alle.“
Die Deichverbände waren vorgewarnt, die Deiche wurden immer wieder inspiziert, Sandsäcke gefüllt und technisches Hilfswerk in Alarmbereitschaft gesetzt – alles so, wie der im November 1988 aufgesetzte Generalplan Hochwasser das vorsah.
Generalplan Hochwasser
Als Anfang der 1980er das Wasser mehr als 30 Tage an den Deichen stand, hatten alle Entscheidungsträger schon reagiert und die Deichsanierung bzw. den Bau des neuen Deiches beschlossen und begonnen – das Planfeststellungsverfahren dauerte nicht einmal zwei Jahre. So schnell kann’s gehen.
„Ich trage dich, Mutter, durch die Flut
7,4 Kilometer Deich sind es von der Landesgrenze zu den Niederlanden bis zur Schleuse in Brienen – 48 Millionen DM kostete die komplette Neuanlegung, 20 Prozent davon musste der Deichverband Kleve-Landesgrenze mit seinen Mitgliedern tragen. Julius Meisters und Deichgräf Hans Nebelung sind froh, dass „ihr“ Abschnitt fertig saniert ist – die „Kollegen“ des sich anschließenden Deichverbandes Xanten-Kleve müssen da noch etwas warten, aber der neue Deich ist auch dort schon mächtig weit fortgeschritten.
Und noch etwas, um glücklich zu sein im Deichverband Kleve-Landesgrenze: „Unsere Darlehen sind alle getilgt seit vergangenem Jahr. Wir haben keine Schulden mehr“, sagt Julius Meisters.
Noch reicht sie nicht hoch, ich wate gut.“
Weihnachten 1993 war noch lange nicht alles fertig im Abschnitt Brienen-Landesgrenze. An Heiligabend gab es den ersten Voralarm – die Erfahrenen rechneten mit steigender Tendenz und einer Hochwassermarke von deutlich über zehn Metern. Und so kam es auch.
15.000 Kühe und Rinder mussten evakuiert werden
Man kann sich kaum vorstellen, welche Dramatik die Rettungsaktionen entwickelten. „Mindestens 15.000 Kühe und Rinder“, so Julius Meisters, wurden in einer Tag-und-Nacht-Aktion evakuiert, auf Hänger und Transporter geladen und bis nach Mönchengladbach gebracht, wo sich Landwirte bereiterklärt hatten, die vierbeinigen Flutflüchtlinge unterzubringen.
Der Damm zerschmilzt, das Feld erbraust
In Wesel zogen Feuerwehrmänner Rehe und Hirsche aus dem Wasser, die Menschen versuchten, ihr Hab und Gut ins Trockene zu schaffen, die Bundeswehr setzte Soldaten ein, um alle aus den Gefahrenzonen zu bringen. „Und all das in einer Zeit, in der die Kommunikation mit Handys noch nicht verbreitet war“, sagt Julius Meisters.
Der Rheinpegel kletterte weiter
In Rees kletterte der Rheinpegel auf 10,30 Meter (Nullpunkt: 8,73 Meter), die Rheinpromenade war geflutet. 10,85 Meter hoch stand das Wasser in Wesel. Zum Vergleich: Die Hochwassermarke I, die zu ersten Beschränkungen für die Schifffahrt führt, liegt hier bei 8,70 Meter.
Die Fluten wühlen, die Fläche saust.
Im September/Oktober 1993 hatten überdurchschnittliche hohe Niederschlagsmengen den Grund gelegt für die Rheinflut. Der November war kühl und trocken – aber das Wasser verdunstete kaum. Anfang Dezember 1993 kam es dann im Einzugsgebiet des Rheins zu lang anhaltenden und ergiebigen Niederschlägen, so dass die Böden kein weiteres Wasser mehr aufnehmen konnten. Zwischen dem 19. und 21. Dezember regnete es weiter, es kam zum oberirdischen Wasserabfluss.
hochwasser 1993 - an weihnachten trat der rhein %C3%BCbers ufer
Die Lage spitzte sich zu und die Niederländer begannen damit, ihren Polder zu evakuieren weil sie einen Deichbruch befürchteten…
Bedeckt ist alles mit Wasserschwall;
Doch Suschens Bild schwebt überall.
1995 gibt es ein Hochwasser mit ähnlich hohen Wasserständen
Im Januar 1995 gab es noch einmal ein mächtiges Hochwasser mit ähnlich hohen Wasserständen - aber das 93er wirkt in den Erinnerungen der Niederrheiner fast noch stärker nach. Und die Menschen am Rhein haben aus den Katastrophen gelernt – die Hochwasserschutzanlagen wurden und werden saniert und /oder neu angelegt.
Das Krisenmanagement ist ausgefeilter und die unmittelbare Zusammenarbeit mit den niederländischen Nachbarn ist angelegt, es gibt gemeinsame Hochwasserübungen. Natürlich wird es auch heute keinen absoluten Schutz vor Hochwasser geben, aber die Gefahr, so Deichgräf Hans Nebelung, sei doch grundsätzlich besser absehbar.
„Zum Andenken der siebzehnjährigen Schönen, Guten aus dem Dorfe Brienen, die am 13. Januar 1809 bei dem Eisgang des Rheins und dem großen Bruche des Dammes von Cleverham, Hilfe reichend, unterging“, schrieb Deutschlands berühmtester Geheimrat ein Gedicht:
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): „Johanna Sebus“.
Das Johanna Sebus Denkmal in Wardhausen erinnert heute noch an die „tapfere Johanna Sebus aus Brienen“, die in den Hochwasserfluten ihr Leben ließ.
Adresse: Johanna-Sebus-Straße 57, 47533 Kleve