Duisburg. Eine alleinerziehende Mutter war acht Jahre ohne Job. Mitten in der Corona-Krise fand sie eine Stelle. Geholfen hat das Teilhabechancengesetz.

Ingrid beugt sich hinunter, greift in das unterste Fach des Servicewagens und schnappt sich eine Rolle Toilettenpapier. „Ich nehme nur eine“, sagt sie und will wieder in ihr Zimmer verschwinden. „In Ordnung“, sagt Diana Fensterer herzlich lächelnd. Wie immer. Ingrid holt sich immer eine Rolle ab – und Diana Fensterer lässt sie gewähren. Seit dem 1. Januar arbeitet sie in der Duisburger Wohnanlage für Menschen mit Behinderung als Reinigungskraft – nachdem sie acht Jahre lang arbeitslos war. Ausgerechnet in der Corona-Krise findet sie eine Stelle. Es ist eine Geschichte einer guten Nachricht.

Diana Fensterer nimmt den Blumentopf hoch, lässt den Lappen über den Tisch kreisen. In diesem Aufenthaltsraum, dem Wohnzimmer von Etage drei, sollte hinterher wieder alles so sein, wie es war. Das ist den Bewohnerinnen und Bewohnern wichtig. Hier hat alles seinen Platz. So wie die 40-Jährige. „Das ist hier nicht nur ein Job“, sagt sie, „es ist richtig familiär“.

Das Geld fehlt und das Selbstbewusstsein leidet

Seitdem sie diese Stelle habe, blühe sie auf. Und mit ihr ihre beiden Kinder. Ihr Sohn, der bald Abi machen wird, habe sich gefreut, dass sie sich selbst mal wieder Kleidung gönnt, statt sie allein für die Kinder zu kaufen. „Arbeit verändert schon“, sagt sie und erinnert sich an die Zeit, in der sie als langzeitarbeitslos galt. „Das war schrecklich!“ Das Geld fehlt und das Selbstbewusstsein leidet. „Jetzt bist du so alt, und es ist noch nichts aus dir geworden“, solche Gedanken schossen ihr durch den Kopf.

Dabei hat Diana Fensterer schon immer geputzt. „Ich kann das wirklich“, sagt sie. Doch sie ist alleinerziehende Mutter von einem Sohn und einer Tochter mit Behinderung. Das allein würde Arbeitgeber abschrecken. Alleinerziehend. Arbeitgeber übersetzen das womöglich mit: unflexibel. Wenn dann noch eine große Lücke namens Arbeitslosigkeit im Lebenslauf klafft, ist es oft schwer, wieder Fuß im Arbeitsmarkt zu fassen. „Die größte Hürde, um Arbeit zu finden, ist, dass man arbeitslos ist“, bestätigt Sprecher der Agentur für Arbeit in NRW, Christoph Löhr, im Gespräch mit der NRZ.

Teilhabechancengesetz: Vier Mitarbeiterinnen haben so Stelle gefunden

Deshalb gibt es Programme, die Langzeitarbeitslosen dabei helfen sollen, eine Stelle zu finden. Diana Fensterer ist über das Teilhabechancengesetz bei den Lebensräumen in Duisburg eingestellt worden. Über einen Zeitraum von fünf Jahren erhält der Arbeitgeber einen Zuschuss für sie. Zudem steht sowohl dem Unternehmen als auch der Angestellten eine Betreuung zur Verfügung. Diana Fensterer nimmt sie gern in Anspruch, durch die Corona-Pandemie allerdings nur telefonisch. Zwei Stunden pro Woche kann sie sich mit ihr austauschen, über Antragsformulare reden, Fragen stellen oder über Sorgen auf der Arbeit reden. Doch die gibt es nicht, sagt die Reinigungskraft. Sie fühle sich sehr wohl und gut aufgehoben. Für Bewohner Herbert ist sie der „Sonnenschein“.

Auch Türkan Tekin-Zimmermann, Hausleiterin der Lebensräume in Duisburg-Wanheimerort, ist froh über den Glücksgriff, der übrigens nicht der erste ist. Vier Mitarbeiterinnen haben bereits über das Teilhabechancengesetz in der Wohneinrichtung für Menschen mit Behinderung eine Stelle gefunden. Eine hat sich so weiterqualifiziert, dass sie inzwischen Pflegehilfskraft ist.

Fortbildung zur Hauswirtschafterin bei den Lebensräumen geplant

Auch für Diana Fensterer gibt es Pläne. Sie soll so fortgebildet werden, damit sie zukünftig als Hauswirtschafterin bei den Lebensräumen arbeiten kann. Tekin-Zimmermann hat ein Auge für ihr Personal. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ihr Ehemann beim Jobcenter arbeitet. Eigentlich war er auch der Türöffner für Diana Fensterer. In seiner Jobcenter-Geschäftsstelle in Duisburg reinigte die 40-Jährige nämlich als Minijobberin die Räume. Sie hinterließ einen guten Eindruck, ihr Chef empfahl sie weiter, die Duisburgerin hat sich bei den Lebensräumen beworben und ist zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden.

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Das war vielleicht ein Drama! An dem Tag des Vorstellungsgespräches war Fensterer, wie immer, mit ihrem Fahrrad unterwegs. Ausgerechnet auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch bekommt sie einen Platten. Sie musste laufen – und zwar flott. „Ich war nassgeschwitzt“, sagte sie. Das Gespräch ist trotzdem gut gelaufen.

Ein einziges Mal selbst gekündigt

Jetzt ist sie hier und möchte nicht mehr weg. Anders als damals im Krankenhaus, in dem sie geputzt habe. „Das war die einzige Stelle, die ich von mir aus gekündigt habe“, sagt sie. Sie habe alleine geputzt, die Patienten hätten gelitten, seien teilweise nicht gut behandelt worden. Nein, kein Vergleich zu den Lebensräumen, wo sie mal zum Frühstück gebeten wird, wo sie mal mit ihrer Kollegin ein Schwätzchen halten kann, wo Bewohner ihr helfen, die Stühle auf die Tische zu stellen, damit sie den Boden wienern kann. „Ich bin hier ein Teil von allem – und nicht bloß die Putzfrau“, sagt Diana Fensterer.

Teilhabechancengesetz ist bis 2024 befristet

  • Das Teilhabechancengesetz trat 2019 in Kraft und ist befristet bis Dezember 2024. Ob es verlängert oder entfristet wird, wird noch diskutiert.
  • Aktuell gingen in NRW im April 12.848 Menschen über diese Förderung einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Im April 2020 waren es mit 11.368 noch etwas weniger.