An Rhein und Ruhr. Der Lockdown hindert manche Frau daran, ins Frauenhaus zu flüchten. Doch die Nachfrage bei Frauenberatungsstellen und dem Hilfetelefon steigt.

Der Flur ist begehrt – wenn auch alles andere als ideal. Doch nur hier gibt es W-Lan, das das Schulkind dafür braucht, um sich die Aufgaben für den Unterricht außerhalb des Klassenraums aufs Tablet zu laden. Und sind die Aufgaben da, gilt es, sich ein ruhiges Plätzchen zu suchen, um in Ruhe lernen zu können.

Auch das ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Das Homeschooling im Frauenhaus bringt die schutzsuchenden Mütter und auch die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser an Rhein und Ruhr an die absolute Belastungsgrenze.

Das Frauenhaus in Duisburg hat diese Grenze eigentlich schon überschritten, wie eine Mitarbeiterin auf Anfrage der Redaktion am Telefon sagt. Das Frauenhaus ist voll belegt, es gibt jede Menge zu tun. Und dann sind da noch die durch den Lockdown geschlossenen Schulen, die die Frauenhäuser vor zusätzliche Herausforderungen stellen.

Erst seit knapp drei Wochen gibt es in dem Frauenhaus W-Lan. Vorher sind die Lernmaterialien von den Lehrern an das Frauenhaus geschickt und von den Mitarbeiterinnen dort ausgedruckt worden. „Wir sind doch keine ausgebildeten Lehrkräfte“, sagt die Mitarbeiterin des Duisburger Frauenhauses.

Kinder brauchen Computer, Räume und Ruhe zum Lernen

Die Mütter seien mit dem Homeschooling oftmals hoffnungslos überfordert, sagt Suna Tanis-Huxohl vom Oberhausener Frauenhaus gegenüber der Redaktion. Die Frauen seien vor Gewalt geflüchtet, seien in einer labiler Verfassung und hätten manchmal Sprachbarrieren. Den Kindern fehle oftmals ein Computer oder Laptop, der für den Distanzunterricht aber benötig wird.

Im Oberhausener Frauenhaus sind bis zum Auszug der Familie vor kurzem drei Kinder im Homeschooling unterrichtet worden. Das bedeutete: Die Kinder brauchten drei Computer und zwei bis drei Zimmer, in denen sie für sich lernen und arbeiten konnten.

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Auch das ist in einem voll belegten Frauenhaus durchaus eine Herausforderung. Ein Tablet habe die Mutter bei der Flucht sogar noch selbst eingesteckt, doch für die anderen beiden Kinder fehlten Geräte. Darum kümmerten sich schließlich die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses. „Eigentlich bräuchten wir eine Kollegin nur für solche Aufgaben. Und wir sind eh unterbesetzt“, sagt Suna Tanis-Huxohl.

In Essen sieht es dabei vergleichsweise gut aus. Zwei Mitarbeiterinnen kümmern sich in dem Frauenhaus um die Kinder, helfen ihnen zwei Stunden an vier Tagen der Woche bei den Hausaufgaben und entlasten dadurch die Mütter.

W-Lan gibt es nur auf dem Flur

Drei Schulkinder sind derzeit in der Einrichtung zuhause. Die Kinder haben von den Schulen Tablets gestellt bekommen, damit sie lernen können. Nur für den W-Lan-Empfang müssen sie eben auf den Flur gehen. Aber eine Aufstockung der Internetkapazitäten sei bereits beantragt, erklärt eine Mitarbeiterin.

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Das Essener Frauenhaus sei auch in der Pandemie durchweg belegt gewesen, schildert eine Mitarbeiterin. Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Autonomer Frauenhäuser hingegen stellt fest, dass in diesem Lockdown mehr freie Plätze in den Frauenhäuser zur Verfügung stehen, heißt es auf Anfrage der NRZ. Tatsächlich meldeten 22 Häuser in NRW am Dienstagnachmittag freie Plätze.

Lockdown erschwert den Frauen die Flucht vor dem gewalttätigen Partner

Die Frauen haben durch die vermehrte Anwesenheit des Partners im Lockdown keine Möglichkeit zu flüchten. Und: Die Frauen haben Angst vor Ansteckungen in Sammelunterkünften, die Frauenhäuser nun mal sind. Doch ist der Lockdown vorbei, steige die Nachfrage rapide an, so eine Mitarbeiterin der LAG. Und Suna Tanis-Huxohl weiß, dass es sich nur um eine Momentaufnahme handelt: „Sobald wir einen freien Platz melden, bekommen wir direkt wieder eine Anfrage.“

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Anders ist es bei den Frauenberatungsstellen. Der Beratungsbedarf steige stetig an, erklärt der Dachverband der Frauenberatungsstellen in NRW mit Sitz in Essen, ohne jedoch Zahlen zu nennen.

Auch die Beratungen beim bundesweiten Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist während der Pandemie gestiegen – um 20 Prozent im April 2020, wie Sprecherin Stefanie Keienburg auf Anfrage der NRZ sagt. Seitdem bleibe die Nachfrage auf diesem erhöhten Niveau. Parallel seien die Beratungen im Bereich Häuslicher Gewalt und Gewalt in (Ex-)Paarbeziehungen um rund 20 Prozent angestiegen.

Eine Übersicht über freie Plätze in Frauenhäusern gibt es hier: https://www.frauen-info-netz.de/

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