An Rhein und Ruhr. Die Zahlen von häuslicher Gewalt steigen nach den ersten Corona-Lockerungen im Mai wieder an. Das führt zu vielen Problemen.

Was Experten schon seit Monaten befürchteten, ist nun Gewissheit: Durch die Corona-Pandemie ist die Zahl der häuslichen Gewalt angestiegen. Das belegt eine Antwort der NRW-Regierung auf eine kleine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag. Auffällig: Die Fälle von häuslicher Gewalt stiegen direkt nach dem Ende des Lockdowns.

Die Statistik der Kreispolizeibehörden zeigt eine Zunahme von 185 polizeibekannten Fällen zwischen April und Mai. „Mit der zunehmenden Rücknahme von Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat die Anzahl derer, die beispielsweise die Frauennotrufe und/oder die Frauenberatungsstellen in Anspruch nehmen bzw. Hilfe in einem Frauenhaus suchen, wieder zugenommen. Diese Entwicklung ist regional unterschiedlich ausgeprägt“, schreibt Ina Scharrenbach, Ministerin für Gleichstellung in Nordrhein-Westfalen, in der Antwort.

Die Dunkelziffer ist wohl größer geworden

Es sei zu vermuten, dass aufgrund des Lockdowns viele Betroffene nicht in der Lage waren, entsprechende Hilfs- und Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Daher müsse davon ausgegangen werden, dass das Dunkelfeld größer geworden sei, so Scharrenbach. Innenminister Herbert Reul (CDU) verkündete noch im Juli, dass die Fälle von häuslicher Gewalt um 21 Prozent sinken würden, von 13.230 auf 10.479.

Sind im Lockdown-Monat April 2560 Fälle von häuslicher Gewalt bei den Kreispolizeibehörden bekannt geworden, waren es im Mai 2745. In Düsseldorf gab es im April 65 Fälle, im Mai vier mehr. In Essen/Mülheim stiegen die Fallzahlen von 96 auf 109, in Oberhausen von 38 auf 42, in Kleve und Wesel blieben die Fallzahlen in den beiden Monaten hingegen gleich.

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Um die Frauenhäuser finanziell zu unterstützen, hat die Landesregierung 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Jeweils 6000 Euro haben u. a. die Frauenhäuser in Duisburg, Moers, Kleve, Dinslaken, Oberhausen, Düsseldorf, Essen und Mülheim an der Ruhr erhalten.

Die SPD kritisiert, dass dieses Geld nur auf die Sachkosten angerechnet werden dürfte. „Die Frauenhäuser brauchen dringend Unterstützung bei den Personalkosten“, fordert Anja Butschkau, gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Frauenhaus Oberhausen: „Die Zahlen steigen rapide“

Suna Tanis-Huxohl, Leiterin des Frauenhauses Oberhausen, berichtet aus der Praxis: Solche Zeiten hat sie selten erlebt. „Das ist der Wahnsinn“, sagt sie im Gespräch mit der Redaktion. Die Plätze in ihrem und in anderen Frauenhäusern seien extrem stark nachgefragt. Sobald sie auf der Karte im Internet das Signal von Rot auf Grün stelle, „kommt eine Anfrage nach der nächsten“, sagt sie. „Die Zahlen steigen rapide.“

Die Frauenhäuser haben es kommen sehen: Nachdem sich in den Lockdown-Monaten der Betrieb beruhigte, stiegen mit den Lockerungen auch die Hilfsgesuche. Der Grund: Viele Frauen hätten während des Lockdowns nicht unbemerkt ihren Peinigern entkommen, durch ständige Überwachung des Partners Hilfsangebote nicht nutzen können, erläutert Claudia Fritsche von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) autonomer Frauenhäuser im Gespräch mit der NRZ.

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Das macht sich jetzt bemerkbar. Auf der Frauenhaus-Karte auf frauen-info-netz.de zeigten Donnerstagabend lediglich zwei Frauenhäuser im Münsterland freie Plätze an.

Schon vor der Corona-Pandemie waren die Plätze in Frauenhäusern knapp. Das Coronavirus und seine schnelle Ausbreitung stellt sie vor zusätzliche Probleme. Das Frauenhaus Herne ist dazu übergegangen, Zimmer nur noch mit einer statt wie sonst üblich mit zwei Frauen zu belegen, um etwaige Ansteckungen zu verhindern.

Frauen werden in anderen Wohnungen oder Hotels untergebracht

Und: Frauen, die keinen Corona-Test vorweisen können, müssen zeitweise in anderen Wohnungen oder in Hotels wie in Köln oder Oberhausen untergebracht werden. Erst wenn das Testergebnis negativ ist, können sie in die Frauenhäuser ziehen. Doch: Für eine fachkundige Betreuung der Frauen außerhalb des Frauenhauses fehle Personal, sagt Fritsche. Außerdem fordert sie Corona-Schnelltests, damit die Frauen eben möglichst schnell in ein betreutes Frauenhaus ziehen können. Die Landesregierung sollte „schleunigst dafür sorgen, dass hilfesuchende Frauen nicht an den Türen der Frauenhäuser abgewiesen werden müssen, weil sie keinen negativen Corona-Test vorweisen können. Frau Scharrenbach muss hier dringend tätig werden und den betroffenen Frauen kostenlose Tests vor Ort ermöglichen“, fordert Anja Butschkau von der SPD-Fraktion.

Hier gibt es die Anzeige über freie und belegte Plätze und weitere Informationen für Frauen in Not.