Köln. Auf WDR 5 läuft eine kleine Serie über das Verhältnis zwischen Niederländern und Deutschen. Ein Bericht über Poldermodelle und Brötchen aus Gold.

Mit Stroopwafels und Mandelherzen fing es einst an. Als der 1926 in Amsterdam gegründete niederländische Handelskonzern HEMA im Jahr 2002 seine ersten Filialen in Deutschland öffnet, platziert er typische Produkte aus der Heimat vorne im Eingangsbereich. Im Gegensatz zu den Anfängen in Amsterdam, wo zunächst jedes Produkt den gleichen Preis von unter einem Gulden hatte und so die weniger betuchten Käuferschichten ansprach, ist das Sortiment für den deutschen Markt längst breitgefächert.

HEMA testete sein Angebot zunächst mit kleinen Läden in der Grenzregion, zum Beispiel in Kleve. Es folgten Filialen in Köln und Dortmund, die erst, als das Sortiment stark erweitert wurde sich dem gut genutzten Online-Angebot annäherte. Inzwischen zählt HEMA in ganz Deutschland 20 Filialen, sechs davon in NRW und der Verwaltungssitz befindet sich in Essen.

HEMA ist eine der vielen typisch niederländisch-deutschen Erfolgsgeschichte, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten dies- und jenseits der Grenze entstanden sind. Davon erzählt gerade eine kleine Reihe im WDR-Hörfunk. „Hagelslag und Vollkornbrot“ heißt es nur vermeintlich etwas stereotyp auf WDR 5 im Rahmen des Formats „Tiefenblick – speciaal“. Denn Niederlande-Freunde erfahren hier doch recht viel Neues. Am kommenden Samstag, 13. Februar, (13.30 Uhr) beschließt die Folge „Wirtschaftsgeschichten“ die dreiteilige Serie (siehe unten!).

„Wenn Deutschland einen Schnupfen hat, dann kriegen wir die Grippe“, sagt, Ton Lansink ehemaliger Generalkonsul der Niederlanden in Düsseldorf. Ein schönes Bild für die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den beiden Nachbarn. Jedoch: „Wir sind aber nicht das 17. Bundesland!“

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Insbesondere mit Nordrhein-Westfalen sind die Beziehungen so stark, dass der eine ohne den anderen kaum noch überleben könnte. Im Jahr 2018 gingen Waren im Wert von 10,5 Mrd Euro von NRW in die Niederlande, anders herum kamen Güter für 21,3 Mrd Euro – vor allem Erdöl, Erdgas, Obst und Gemüse – hier an. 3.000 niederländischer Firmen haben eine Niederlassung in NRW, zehn Prozent des gesamten Einkommens sind von Deutschland abhängig.

Booking.com, wetransfer und Rituals: Von Amsterdam in die gesamte Welt

Während zum Beispiel Deutschland nach wie vor als große Autonation gilt, sind niederländische Fabrikate weitestgehend unbekannt. Aber: „Es gibt in Deutschland fast keinen Pkw, in dem nicht Teile aus den Niederlanden verbaut sind“, weiß Tom Lansink.

Fernab vom Klischee von Frau Antje, Käse aus Gouda und Tulpen aus Amsterdam haben sich derweil niederländische Firmen einen Namen gemacht, die man als solche gar nicht auf dem Schirm hätte – und von vornherein eine internationale Ausrichtung hatten. Oder hätten Sie gewusst, dass die Reiseplattform booking.com ihren Hauptsitz in Amsterdam hat? Das Selbe gilt übrigens für den Datendienst wetransfer oder den Dufthersteller Rituals.

Die Brötchen der Bäckerei Reffeling in Kleve sind bei den niederländischen Kunden besonders heiß begehrt.
Die Brötchen der Bäckerei Reffeling in Kleve sind bei den niederländischen Kunden besonders heiß begehrt. © FUNKE Foto Services | Heiko Kempken

Auf der anderen Seite sind es manchmal nur die kleinen Dinge des täglichen Bedarfs, die uns zu Grenzgängern werden lassen. So wie die Deutschen gerne bei den „2 Brüdern“ ihren Vla kaufen – oder eben Hagelslag – hat Bäcker Joachim Reffeling aus Kleve „80 Prozent niederländische Kunden“. Sein Verkaufsschlager ist aber nicht etwa das Vollkornbrot, sondern: Brötchen. „Die sind für unsere niederländischen Gäste wie Gold“, sagt er. Bezahlt werden übrigens auch kleinste Beträge mit der Karte – „pinnen“ heißt das.

Autorin Heike Sicconi geht in ihrem Beitrag auf WDR 5 auch der Frage nach, wo es zwischen Niederländern und Deutschen noch Probleme oder die Gefahr von Missverständnissen gibt. Dafür hat die Journalistin in ihrer Recherche unter anderem den Historiker Professor Dr. Friso Wielenga, seit 1999 Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, befragt.

Wenn ein deutscher Unternehmer zum Beispiel seinem niederländischen Geschäftspartner nach vielleicht zunächst telefonischen Verhandlungen sagt: „Wir müssen uns mal treffen“, dann reagiert der zurückhaltend oder gar abweisend. „Wir müssen nichts“, kann dann als Antwort kommen. Problematisch ist nämlich das Wort „müssen“, das empfinden die Niederländer als Bevormundung oder sogar Befehl. Weil das die zwischenmenschliche Atmosphäre empfindlich belasten kann, hat die Industrie- und Handelskammer explizit diesen Passus – aber natürlich auch viele andere Tipps – sogar in ihren „Business-Knigge für die Westentasche“ aufgenommen.

Egal in welcher Branche, fast immer können beide Seiten voneinander lernen. Gerade in der Arbeitswelt werden nämlich die Unterschiede zwischen den Nachbarn deutlich. „In vielen niederländischen Firmen gilt das sogenannte Poldermodell“, verrät Heike Sicconi. „Das umschreibt die enge und unkomplizierte Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und dem Staat. Und zwar nach dem Motto: Wenn das Wasser kommt, ist es egal, wer Chef und wer Lohnempfänger ist, man muss das Problem gemeinsam angehen.“

Mit dem Chef auf Augenhöhe

Flache Hierarchien sind jenseits der Grenze gang und gäbe. Oft sitzt bei ersten Verhandlungen nicht gleich der Chef mit am Tisch, sondern tauschen sich zunächst Mitarbeiter aus den Fachabteilungen aus. In Deutschland ein eher unüblicher Vorgang. Auch die Ansprache untereinander verdeutlicht den lockeren Umgang miteinander. „Wir duzen uns alle untereinander, vom einfachen Angestellten bis zum CEO. Das ist ein Arbeiten auf Augenhöhe“, erklärt ein leitender Angestellter von HEMA.

Am Ende steht ein für beide Seiten höchst zufriedenstellendes Urteil: Noch nie waren die Beziehungen zwischen Niederländern und Deutschen so gut. Und die Reihe „Hagelslag und Vollkornbrot“ auf WDR 5 dokumentiert treffend, warum das so ist.

Alle drei Folgen noch in der Mediathek verfügbar

Die ersten beiden Folgen der dreiteiligen Radioreihe „Hagelslag und Vollkornbrot“ auf WDR 5 aind schon gelaufen. Im ersten Teil, der am 27. Januar ausgestrahlt wurde, ging es um das Thema „Alltag und Sprache“, in der zweiten Folge (6. Februar) um „Freizeit und Kultur“. Am kommenden Samstag, 13. Februar (13.30 Uhr) stehen dann zum Abschluss „Wirtschaftsgeschichten“ im Mittelpunkt. Die Sendungen im Rahmen des Formats „Tiefenblick – speciaal“ sind jeweils knapp eine halbe Stunde lang. Alle drei Folgen sind online auf https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr5 als Download verfügbar.