Lingen/Doel. Trotz eines Widerspruchs sind Brennelemente ans umstrittene Kernkraftwerk in Belgien geliefert worden. Nun gibt es drei Strafanzeigen.

Mit Strafanzeigen haben Umweltschützer darauf reagiert, dass offenbar trotz eines laufenden Widerspruchsverfahrens mehrfach Brennelemente ins umstrittene, grenznahe Atomkraftwerk Doel in Belgien geliefert wurden. "Es ist empörend, wie hier aus wirtschaftlichen Interessen geltendes Recht unterlaufen wurde", schimpft Dirk Jansen vom BUND in Nordrhein-Westfalen.

Aus Listen des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung geht hervor, das es am 18., 19. und am 21. Januar dieses Jahres Lieferungen der Brennelemente-Fabrik im niedersächsischen Lingen an die Anlage in Doel gegeben hat. "Möglicherweise fand auch am 25. Januar ein Transport statt", so Jansen. Umweltschützer und Atomkraftgegner halten die Exporte für illegal.

Bundesumweltministerium eingeschaltet

Sie sehen einen Widerspruch missachtet, den der BUND NRW am 7. Januar gegen die Lieferung von 52 Urandioxid-Brennelementen nach Doel eingelegt hatte. Der Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, heißt es ausdrücklich beim BUND und seiner Anwältin, die Bundesumweltministerin Svenja Schulze eingeschaltet hatten. Laut einem Bericht der Zeitung "taz" gibt es auch Schulzes Ministerium Empörung über die nun erfolgten Transporte.

Sowohl der BUND NRW wie auch das Umweltinstitut München wie auch Atomkraftgegner aus der Städteregion Aachen haben deshalb eigenen Angaben zufolge unabhängig voneinander Verantwortliche der Firma Advanced Nuclear Fuels (ANF) angezeigt, die die Brennelementefabrik in Lingen betreibt. Der Vorwurf: Verdacht des unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen (§ 328 Abs.1 Strafgesetzbuch). Die vom BUND bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück eingereichte Strafanzeige liegt der Redaktion vor.

"Ein marodes Kraftwerk wird am Leben gehalten"

Eine Stellungnahme von ANF war an diesem Freitag auf Nachfrage nicht zu erhalten. In einem ähnlichen Fall, bei dem um Brennelemente-Lieferungen in die Schweiz geht, hatte ANF allerdings kürzlich deutlich gemacht, dass man sich im Besitz gültige Ausfuhrgenehmigungen sehe und damit im Recht. Widersprüchen anerkannter Umweltverbände sei juristisch keine aufschiebende Wirkung beizumessen.

Im Fall der Lieferungen nach Doel drängte augendscheinlich die Zeit. Die Genehmigung war bereits im März 2020 vom im hessischen Eschborn ansässige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) erteilt worden und läuft BUND-Angaben zufolge nach einem Jahr aus.

Atomanlagen in Doel sind über 45 Jahre alt

Mit den Brennelementen-Transporten jetzt wird nach Ansicht des BUND eines "marodes Atomkraftwerk am Leben gehalten". "Mit den Exporten missachtet die Betreiberfirma ANF geltendes Recht", ist Philip Bedall vom Umweltinstitut überzeugt. Umweltinstitut wie auch BUND wollen mit ihren Strafanzeigen auch die Rolle des Bafa hinterfragt wissen.

Die bereits 1974/1975 in Doel errichteten Anlagen gelten als störanfällig. Wegen Materialermüdung kam es in Vergangenheit bereits zum Austritt von Kühlflüssigkeit und Notabschaltungen. Doel liegt bei Antwerpen - gerade 120 Kilometer von der Grenze zu Deutschland und NRW entfernt, bis nach Düsseldorf sind es gut 175 Kilometer.