Am Niederrhein. Der Klimawandel hemmt das Pflanzenwachstum. Das hat Folgen für Tiere am Niederrhein. Wie lange finden arktische Wildgänse noch genügend Futter?

Oftmals lauthals schnatternd, machen arktische Wildgänse jetzt zunehmend mit beeindruckenden Flugformationen am niederrheinischen Himmel auf sich aufmerksam. Für einige Naturfreunde die Sinfonie aus der Tundra. Im Stimmenchor soll sich die Melancholie der unglaublichen Weiten arktischer Regionen heraushören lassen.

Seit Jahrzehnten stellen die zumeist grauen Flattertiere ein gewohntes Bild am Niederrhein dar. An Spitzentagen, je nach Witterung im Januar, können sich in unserer Region gut 200.000 Blässgänse vornehmlich an Gras und Getreideresten satt fressen. Rund 95 Prozent der Wintergänse sind von dieser Art. Hinzu kommen noch Saatgänse, Weißwangengänse, vereinzelt Kurzschnabel-, Zwerg- und Rothalsgänse. Zudem sind dann auch noch Grau-, Kanada-, Nil- und Rostgans, die bei uns Brutvögel sind, in überschaubarer Anzahl auch noch im Winter am Niederrhein anzutreffen.

Gänse am Niederrhein: Fragwürdige Vergrämung

In den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kamen zunächst erst einige Tausend hochnordische Saatgänse an den Niederrhein. Die Mehrzahl dieser Vogelart favorisiert schon lange andere Überwinterungsgebiete. Die Blässgans ist heutzutage überall in deutlich dominierender Anzahl anzutreffen. Bevorzugt auf Grünland. Insbesondere auf Weiden im Rheinvorland. Mitunter ergötzen sich die Watscheltiere über zwölf Stunden täglich am mehr oder weniger satten Gras im Winter.

Der NIederrhein hat viele Gänse zu Gast.
Der NIederrhein hat viele Gänse zu Gast. © NABU | Peter Malzbender

Noch in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts befürchteten deshalb die betroffenen Landwirte den Untergang der landwirtschaftlichen Erträge. Kann man verstehen; doch die ausufernden Vergrämungsmaßnahmen waren schon damals fragwürdig. Wissenschaftler, wie der renommierte Gänseexperte Dr. Johan Mooij, haben in langen Versuchsreihen nachgewiesen, dass die Beweidung durch arktische Wildgänse in den meisten Fällen in der darauffolgenden Wachstumsperiode der Grünlandpflanzen sogar für eine dichtere Grasnarbe und stärkeres Wachstum der Pflanzen sorgen kann. Also sozusagen ein Mehrertrag.

Allerdings kann es auch zu Schäden kommen. Die werden schon seit Jahrzehnten den betroffenen Landwirten großzügig entschädigt. Und das ist auch gut so, meinen auch die Naturschützer vom NABU am Niederrhein , die sich dafür auch immer stark gemacht haben.

Niederrhein: Klimawandel vertreibt möglicherweise Wildgänse

Ob in Zukunft noch immer die großen Scharen arktischer Wildgänse im Winter am Niederrhein eintrudeln werden, hängt auch von den Auswirkungen des weiter fortschreitenden Klimawandels ab. Das Futter könnte knapp werden für die Vögel.

Wildgänse am NR, Serie mit Peter Malzbender
Wildgänse am NR, Serie mit Peter Malzbender "Augenblick Natur © Peter Malzbender | Peter Malzbender (Nabu)

Wenn die ausgedehnten Hitzesommer wie in den letzten drei Jahren wieder folgen, verkümmert das Pflanzenwachstum weiter massiv – mit Folgen für die Tiere. Aber auch zum großen Leidwesen der Landwirte: Sie werden dann nicht mehr genügend Winterfutter für ihr Vieh ernten können. Am Klimawandel allerdings ist auch die industrielle, herkömmliche Landwirtschaft nicht unerheblich beteiligt.

Artenschwund: Die halbherzige Agrarreform der EU

Auch der Artenschwund auf dem Agrarland ist in allen Landschaftsbereichen Deutschlands am größten. Vor allem muss die überbordende Fleischproduktion mit dem riesigen Wasserverbrauch stark reduziert, die synthetische und Gülledüngung sowie der massive Einsatz von Pestiziden weiter heruntergefahren werden. Die unlängst verhandelte europäische Agrarreform ist dabei wieder einmal nur halbherzig. Denn der Klimawandel mit seinen nachteiligen Auswirkungen auf viele notwendige Ökosystemleistungen für große Lebensgemeinschaften wird dadurch nicht gebremst.

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Wenn der Grundwasserspiegel wie in den vergangenen Jahren weiter in die Knie geht und dadurch Flüsse, Bäche, Kolke, Woyen und Feuchtwiesen am Niederrhein bereits im Frühjahr oder Sommer trockenfallen, verlieren viele Arten ihre Lebensräume. Das betrifft dann nicht nur die Tiere: Gleichzeitig kann das Trinkwasser zu einem knappen Gut für uns Menschen werden.