Am Niederrhein. Anja Wedershoven setzte Geldern auf die Krimi-Landkarte. Sie schreibt vom typischen Niederrheiner, Fisternölleken und einer toten Medizinerin.
Endlich spielt ein Krimi i n ihrer Stadt. Buchhändlerin Miriam Keuck-Grönheim strahlt vor Freude. „Im Schatten der Kopfweiden“ heißt er und geschrieben hat ihn Anja Wedershoven (52) .
Die Kulturwissenschaftlerin aus Mönchengladbach kannte Geldern von den Straßenmalwettbewerben im Sommer, die ihr so gut gefallen: „ Geldern ist einfach ein wunderschöner kleiner Ort“, sagt sie. Als sie dann für ihren Krimi eine Stadt im Zuständigkeitsbereich der Kripo Krefeld suchte, fiel ihr die Wahl leicht.
Ein Krimi braucht nicht nur einen interessanten Tatort, sondern auch eine Leiche. Die fand die Polizei ganz in der Nähe des malerischen Flüsschens Fleuth, an der Friedhofsmauer. Die Kinderärztin Yvonne Hendricks, die gerade erst in Brüggen eine Praxis übernommen hat, wohnte in der angrenzenden Einfamilienhaus-Siedlung, bevor ihrem Leben mit einem Kaschmirschal ein jähes Ende gesetzt wurde.
Ehe die Leser auf die Tote treffen, lehrt sie Anja Wedershoven jedoch zunächst ordentlich das Gruseln – drei kleine Kinder werden vom betrunkenen Lover ihrer Mutter eiskalt misshandelt. Kommen sie womöglich dabei zu Tode? Und was hatte die ermordete Medizinerin damit zu tun? Erst am Ende gibt es Klarheit.
Das Debüt für Oberkommissarin Johanna Brenner
Für Oberkommissarin Johanna Brenner ist es der erste Fall nach ihrer Rückkehr an den Niederrhein . Ihre Eltern leben in Geldern, gar nicht weit vom Tatort, doch sie haben Probleme mit der Tochter, weil die nicht auf Männer steht. So zog Johanna für fünfzehn Jahre nach Berlin.
Die Figur der Johanna Brenner war es, die Anja Wedershoven dazu brachte, „Im Schatten der Kopfweiden“ zu schreiben. Sie hatte diese dickköpfige, oft unnahbare, aber doch verletzliche junge Frau schon eine Weile im Kopf, und weil sie obendrein Krimis mit starken weiblichen Ermittlergestalten mag, entschloss sie sich, Johanna zur Kommissarin zu machen und um sie herum einen Krimi zu schreiben.
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Ihr zur Seite stellt sie den Kripobeamten Axel Holtz : „Der ist ein typischer Niederrheiner . Er liebt hier die Kneipen, er liebt die Menschen und ist sehr bodenständig.“ Und er liebt Jazz, verbringt so manche Nacht damit, so dass er am nächsten Morgen nicht der Ausgeschlafenste ist.
Überhaupt der Niederrhein: Er hat es der Gladbacherin Anja Wedershoven angetan: „Ich mag die Landschaft und die Leute. Ich fühle mich immer wohl hier.“
Buchhändlerin: Gelderner mögen den Krimi
Und die Leute mögen ihren Krimi, zumindest die Gelderner, sagt Buchhändlerin Keuck-Grönheim. Er geht weg wie warme Semmeln, sie musste bereits mehrfach nachordern. Ihr selbst hat ganz besonders gut gefallen, dass der Kommissarin, als sie durchgefroren in eine Kneipe kommt, erst mal ein Fisternölleken angeboten wird. Natürlich lehnt Johanna den mit Rosinen und einem Stück Zucker veredelten Doppelkorn ab, schließlich ist sie im Dienst.
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Johanna und ihr Kollege Axel ermitteln in alle Richtungen. War der Ex-Freund der Mörder? Der Düsseldorfer Chirurg hatte die Kinderärztin gestalkt, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte. Oder hatte Yvonne Hendricks eine medizinische Fehlentscheidung getroffen und jemand rächte sich nun dafür?
Da war dieser autistische Junge, Lukas, den sie gegen den Willen des Vaters mit einer schweren Grippe ins Krankenhaus hatte einweisen lassen. Der Vater hat eine Abneigung gegen die Schulmedizin. Hat er etwas mit dem Mord zu tun?
Wedershoven will verschiedene Perspektiven aufzeigen
„Für mich ist ein Krimi ein gutes Medium, auf unterhaltsame und spannende Weise Themen zu transportieren, die über den eigentlichen Kriminalfall hinaus interessant sind“, sagt Anja Wedershoven: „In meinem Fall ist es das, was man so alternative Medizin nennt.“
Es reizt sie dabei immer, verschiedene Perspektiven aufzuzeigen, und so hat sie ihr Buch auch aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Es erhöht obendrein die Spannung, wenn der unbekannte, allwissende Erzähler mal Johanna, mal Axel oder mal der Schwester von Lukas folgt.
Natürlich ermitteln die beiden auch in Yvonne Hendricks´ Praxis, die nach dem Mord erst einmal wieder vom allseits beliebten ehemaligen Chef Dr. Lehmann übernommen wird, obwohl der eigentlich mit seiner Frau nach Mallorca auswandern wollte.
Kriminaldirektorin Cornelia Gruber ist eine Kratzbürste
Kritisch begleitet werden die Ermittlungen von Kriminaldirektorin Cornelia Gruber. Eine nette Chefin stellt man sich anders vor: Gruber ist eine eitle Kratzbürste, und unterschwellig spürt man, dass sie Frauen nicht sonderlich mag.
Anja Wedershoven verwendet sehr viel Sorgfalt auf die Schilderung ihrer Personen, und das ist ihnen anzumerken, denn sie kommen sehr lebendig, vielschichtig und glaubwürdig daher. Genauso akribisch arbeitet sie an der Handlung, und auch die fällt entsprechend sauber konstruiert aus – und spannend, denn Gründe für den Mord hatte nicht nur eine Person.
Apropos Spannung: Am Ende heißt es heftig um Johannas Leben zittern.
Anja Wedershoven arbeitet derweil bereits an einem neuen Stoff . Es wird um ein Familiengeheimnis gehen. Doch ob sie es in einem Krimi verpackt, weiß sie noch nicht, denn sie mag auch Romane ohne kriminelles Treiben: Ihr erstes Buch „Schürfwunden“ (2014) erzählt eine Familiengeschichte, die im Tagebaugebiet Garzweiler spielt.
Aber jetzt hofft sie erst einmal, dass sie bald „Im Schatten der Kopfweiden“ auf Lesungen vorstellen kann. Und Buchhändlerin Miriam Keuck-Grönheim würde sie zu gern bald dazu in Geldern begrüßen.
Kurzinfo: Über die Autorin Anja Wedershoven und ihr neues Buch
- Anja Wedershoven , 1968 in Rheydt geboren, wuchs mit Schnibbelskuchen, Hanns-Dieter Hüsch und dem Schimanski-Tatort auf. Sie studierte Kulturwissenschaften und Literatur und ist als Autorin dem Niederrhein treu geblieben. Am Kriminalroman faszinieren sie die Auseinandersetzung mit Menschen in Ausnahmesituationen und die Frage, welche Vorgeschichte Gewalttaten haben. Mehr über die Autorin: www.anjawedershoven.de .
- Ihr Niederrhein-Krimi „Im Schatten der Kopfweiden“ ist im Kölner Emons-Verlag erschienen, 304 Seiten dick, kostet 13 Euro und ist über den Emons-Shop im Internet: www.emons-verlag.de , oder im örtlichen Buchhandel erhältlich.