Krefeld. Mit Gerhard Hoppmann geht einer der erfahrensten Mordermittler des Landes in Rente. Nach 250 Fällen zieht er Bilanz – und kritisiert neue Regeln.
In Gerhard Hoppmanns Büro stehen die Aktenordner mit der Aufschrift „Mord“ in einer Reihe. Der 61-Jährige Leiter der Mordkommission Krefeld ist der dienstälteste Mordermittler in Nordrhein-Westfalen. „Wahrscheinlich sogar bundesweit. Das jemand das noch länger als ich gemacht hat, glaube ich nicht“, sagt er. Lässt man den Blick von den Aktenordnern schweifen, sieht man Fahndungsplakate, Phantombilder und Fotos aus dem Studio von „Aktenzeichen XY“. In der Sendung war der Kommissar aus Krefeld mehrfach zu Gast.
Einer dieser Auftritte brachte neue Spuren bei einem alten Fall, einem so genannten „Cold Case“ ans Licht, der Gerhard Hoppmann einen Großteil seiner Laufbahn begleitete. Ein Mordfall in Rheurdt aus dem Jahre 1996, bei dem eine Männerleiche in einer Kiesgrube entdeckt worden war. 24 Jahre lang blieb Hoppmann an dem Fall dran und konnte ihn am Ende lösen. Ein Foto seines Kollegen Günter Kranz, mit dem er damals die Ermittlungen startete, hängt in seinem Büro an der Wand. „Er hat die Lösung des Falls leider nicht mehr miterlebt. Er ist vor einigen Jahren verstorben“, erzählt Hoppmann.
Gerhard Hoppmann leitete 250 Mordermittlungen in der Region
Gut 250 Mordermittlungen leitete Gerhard Hoppmann in seiner Zeit bei der Mordkommission – viele davon auch im Kreis Kleve. „Ich könnte zu jedem Fall einen Vortrag halten“, sagt er selbst – oder zu einigen auch Bücher schreiben. Wie zur Ermittlung im Mord an dem Krefelder Autohändler Askin Uludag. Der Täter hatte dem 27-Jährigen mit einer Pistole mit selbstgebasteltem Schalldämpfer in den Mund geschossen. Die Gerichtsmedizin hatte zuerst die Kugel nicht entdeckt. „Da stand ich Monate später in der Türkei mit dem Vater am Grab und musste das Opfer exhumieren lassen“, erzählt Gerhard Hoppmann.
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Dafür konnten dem Täter gleich zwei Morde nachgewiesen werden – einer in Belgien, von dem die Krefelder Ermittler vorher nichts gewusst hatten. „Der Sohn des Autohändlers, der dort getötet wurde, saß unter Mordverdacht im Gefängnis und wäre dafür vielleicht verurteilt worden“, erzählt Hoppmann. Das verhindert zu haben, sieht er als einen seiner großen Erfolge. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nie jemanden unschuldig ins Gefängnis gebracht habe.“
Viele der Mörder, die wegen der Ermittlungen von Gerhard Hoppmann und seinem Team hinter Gitter landeten, dürften heute wieder auf freiem Fuß sein. Nach 15 Jahren werden viele der lebenslänglich verurteilten Straftäter aus dem Gefängnis entlassen – es sei denn, es wird eine besondere Schwere der Schuld festgestellt oder eine Sicherheitsverwahrung angeordnet. „Auch damit muss man leben. Viele der Mörder sind heute wieder frei. Und ich musste doppelt lebenslänglich in meinem Job ableisten“, scherzt der Mordermittler. Andere, wie ein Kindermörder, den er ins Gefängnis brachte, sitzt auch nach 30 Jahren noch hinter Gittern. „Da wäre ich auch dagegen, dass man den wieder rauslässt – auch wenn ich das natürlich nicht zu entscheiden habe.“ Einen einzigen seiner Mordfälle konnte er nicht aufklären: Der Fall eines 2014 getöteten Neugeborenen . Die Babyleiche lag in einer Plastiktüte in einem Krefelder Park.
Kritik an neuen Regelungen zu Verhören von Verdächtigen
Natürlich hat sich während der 46-jährigen Dienstzeit von Gerhard Hoppmann einiges geändert in der Polizeiarbeit. Von der technischen Ausstattung, über DNA-Technik bis hin zur besseren Arbeit über die Grenzen hinweg. So war er beispielsweise vor Jahrzehnten mit Kollegen der Partnerin eines Tatverdächtigen über die Grenze nach Belgien gefolgt – um den Gesuchten dann in Paris in einem Hotel zu stellen – seinerzeit nicht ganz legal. „Damals musste ich ganz schön kämpfen, um für ihn einen internationalen Haftbefehl zu bekommen“, erzählt Hoppmann. Heute wäre das, dank grenzüberschreitender Polizeiarbeit, kein großes Problem mehr.
Eine aktuelle Neuerung treibt Gerhard Hoppmann aber dazu, seinen Abschied in den Ruhestand zu begrüßen. Seit Anfang des Jahres gelten neue Regeln für Verhöre bei der Polizei. Verhöre müssen in Ton und Bild aufgezeichnet werden. Außerdem gibt es die „notwendige Verteidigung“, die besagt, das vor der ersten Vernehmung eines Verdächtigen ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden muss. „Das wird dazu führen, dass die Anwälte sagen, wir dürfen die Tatverdächtigen nicht vernehmen“, sagt er. Damit würde den Beamten quasi die Möglichkeit genommen, Verdächtige zu verhören. „Ich halte das für die völlig falsche Richtung“, sagt Hoppmann.
Das Verhör, als Krönung einer Ermittlungsarbeit, könnte nach Hoppmann damit ausfallen – und damit seinen Kollegen die Arbeit erschweren. „Ich könnte etliche Fälle aufzählen, die mit diesen rechtlichen Voraussetzungen nicht aufgeklärt worden wären“, sagt er. Zudem befürchtet er, dass es generell schwer werden könnte, Mordmerkmale festzustellen, die den Unterschied zwischen Totschlag und Mord ausmachen. „Die haben uns die Täter früher in der Vernehmung geliefert. Wenn sie jetzt erst nach Schulung durch ihren Anwalt vor Gericht aussagen, wird es weniger Mordurteile geben“, sagt er. Das ist im übrigen seine persönliche Meinung als ausscheidender Polizeibeamter, nicht die der Polizeibehörde – auch wenn er davon ausgeht, dass viele seine Kollegen das ähnlich sehen.
Jetzt geht es für den Gerhard Hoppmann allerdings in den Ruhestand. Den will der erfahrene Mordermittler erstmal genießen – ohne ein Handy, dass ihn quasi immer zum nächsten Tatort rufen könnte. Und mit seinen vielfältigen Hobbys, die von ausgefallenen Automobilen bis hin zu Bergtouren reichen.