An Rhein und Ruhr. Viele Feuerwehren am Niederrhein üben derzeit nicht, um Ansteckungsgefahren zu minimieren. Verband befürchtet: Ehrenamtliche könnten abspringen.

Martin Bettray ist seit über 40 Jahren im Dienst. Eine Situation wie die in diesem Jahr hat der Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr in Emmerich allerdings noch nicht erlebt. Wegen der Corona-Pandemie konnten seine Leute im Frühjahr nicht üben und wegen der steigenden Zahl der Neu-Infektionen mussten sie jetzt die Übungen erneut einstellen. Ein Riesenproblem: „Wenn sie nicht üben, verlieren sie die Routine“, sagt Bettray, und das ist nicht die einzige Sorge, die die Feuerwehren in NRW derzeit umtreibt.

Überall an Rhein und Ruhr haben etliche Feuerwehren zum zweiten Mal in diesem Jahr ihre routinemäßigen Übungen eingestellt oder heruntergefahren. Es ist ein Dilemma. „Die größte Gefahr ist, wenn man außerhalb von Einsätzen bei gemeinsamen Übungen ins Infektionsrisiko geht. Das könnte schlimmstenfalls die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft der Feuerwehr gefährden“, sagt Christoph Schöneborn, Geschäftsführer des Verbandes des Feuerwehren in NRW.

Nur ein Handvoll Einheiten ausgefallen

Bislang ist es laut Schöneborn in NRW nur vereinzelt zum Ausfall ganzer Einheiten gekommen. So weit will es auch der Essener Branddirektor Thomas Lembeck nicht kommen lassen, dem 550 Freiwillige und 750 Berufsfeuerwehrleute unterstehen. „Wir halten uns an die Empfehlungen des Arztes des Feuerwehrverbandes und haben die Übungen für die Freiwillige Feuerwehr eingestellt.“

Es ist, sagt Lembeck, eine Frage der Abwägung. Einige Wochen den Übungsdienst einstellen, was seine Leute gut verkraften könnten – oder die Einsatzfähigkeit gefährden, was schlimmstenfalls negative Folgen für die kritische Infrastruktur der Stadt haben könnte. Auch in der Berufsfeuerwehr seien Vorkehrungen getroffen worden, um das zu verhindern: „Wir versuchen uns möglichst weit voneinander entfernt zu halten und eine Durchmischung von Wachen zu vermeiden.“

Ohne Übung fehlt das blinde Vertrauen

In Emmerich sind die 160 Feuerwehrleute in vier Einheiten organisiert. „Der Ausfall einer Einheit wäre eine Katastrophe“, betont der Emmericher Wehrführer Bettray. Deswegen hat er entschieden, die Übungen einzustellen, selbst auf die vorgeschriebenen wie etwa die Atemschutz-Strecke, einer Art Parcours-Lauf, verzichtet er in Absprache mit der Unfallkasse. Es treibt ihn um: „Wenn die Leute sich nur noch bei Einsätzen sehen, fehlt an der einen oder anderen Stelle das blinde Vertrauen.“

Allerdings betont Feuerwehrverbands-Geschäftsführer Schöneborn, dass er die Einsatzbereitschaft der Feuerwehren nicht gefährdet sieht, wenn der Übungstopp nur wenige Wochen dauert: „Wenn das ein ganzes Jahr der Fall wäre, wäre das sehr problematisch.“

Weniger soziale Kontakte zu den Kameraden

In Dinslaken dagegen machen sie – noch – weiter. „Wir halten es für erforderlich, dass unsere Aktiven weiter üben“, sagt Udo Walbrodt, Leiter der Feuerwehr. Sie üben allerdings angepasst. Mit Abstand, Masken und weniger Leuten. Sind in normalen Zahlen 30 Leute bei den Übungen, ist es jetzt maximal ein Drittel. Die gemeinsamen Übungen sind nicht zuletzt auch eine soziale Erfahrung.

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Das ist eine weitere Sorge Walbrodts, aber auch des Feuerwehrverbandes: Durch den fehlenden Kontakt mit den Kameraden könnte das Interesse am Ehrenamt schwinden. „Einzelne gewöhnen sich an ein Leben ohne die Feuerwehr“, ahnt Verbandsgeschäftsführer Schöneborn. Es gelte deswegen, jetzt den „kameradschaftlichen Bezug“ aufrecht zu erhalten, notfalls digital oder über das Telefon.

Zahl der Einsätze ist zurückgegangen

In Essen sieht Branddirektor Lembeck diese Gefahr noch nicht bei seinen Leuten. „Die sind hochmotiviert“, beteuert er. Er hat allerdings eine andere Beobachtung gemacht, von der auch der Feuerwehrverbands-Geschäftsführer berichtet: „Die Zahl der Einsätze ist während des ersten Lockdowns signifikant zurückgegangen.“

In Essen, so schätzt Lembeck, habe es in den Frühjahrsmonaten etwa zehn Prozent weniger Einsätze gegeben, für Emmerich schätzt Bettray sogar einen Einsatz-Rückgang von 30 Prozent. Die Gründe liegen auf der Hand: Es sind im Lockdown weniger Menschen auf den Straßen unterwegs gewesen, es gab weniger Sportunfälle und Brände in Betrieben, weil die geschlossen waren. Insofern dürfte den Feuerwehren an Rhein und Ruhr jetzt möglicherweise auch ein ruhigerer November bevorstehen.

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In Nordrhein-Westfalen gibt es nach Angaben des Verbandes der Feuerwehr NRW rund 82.000 ehrenamtliche Feuerwehrleute in rund 4000 Einheiten. In der Berufsfeuerwehr arbeiten demnach, Stand 2015, rund 14.000 Menschen.