Kevelaer. Zwei Meter groß, über 100 Kilo schwer – Strauße sind riesig. In Kevelaer leben gleich Hunderte der Riesenvögel – auf dem Hof von Clemens Jeuken.
Die Straußenhähne sind kamerascheu. Zumindest haben die Exemplare auf der Wiese des Straußenhof Jeuken keine Lust, mit Hofbesitzer Clemens Jeuken zu posieren. Sie ignorieren den Menschen, den sie lässig um einen Kopf überragen und staksen gemütlich über die Wiese. Ganz anders die Straußenhenne im Stall. Kaum hat sich Jeukens genähert, fängt sie an zu picken. „Das ist kein aggressives Verhalten. Die Tiere sind grundsätzlich eher neugierig“, sagt Clemens Jeukens, während die Henne an der Kapuze seines Hoodies zieht und an dem dazu passenden Stoffband knabbert. „Wenn ich jetzt eine Brille anhätte oder Ohrringe tragen würde, dann könnte es schmerzhaft werden. Strauße mögen alles, was glänzt.“
Ansonsten haben die Laufvögel etwas Urtümliches an sich. Wenn man sieht, wie sie auf den Wiesen rund um den Hof herumlaufen, fühlt man sich unwillkürlich an die Bilder animierter Dinosaurier erinnert. Und die Laufvögel sind einfach riesig. Schon die kleinsten Exemplare, die direkt an der Einfahrt zum Hof auf einer Wiese herumwuseln und gerade zwischen vier und sechs Wochen alt sind, stellen in Sachen Größe jedes noch so riesige Huhn lässig in den Schatten. In einem Jahr wird der Nachwuchs aufgewachsen sein und dann ebenfalls Clemens Jeuken überragen. Wenn die Vögel dann noch auf dem Hof sind. „Ich züchte Strauße und verkaufe dann die Jungvögel an andere Züchter“, erklärt der Straußenzüchter sein Geschäftsmodell. Zwischen 200 und 300 der Laufvögel verlassen so pro Jahr seinen Hof, auf dem immer rund 100 der Tiere leben.
Dazu sind die Strauße da: Zuchttiere, Eier, Straußenfleisch
Vergleichsweise wenige der Tiere werden auf dem Hof in Kevelaer erwachsen. Und die sind dann verantwortlich für die anderen beiden Einnahmequellen des Straußenzüchters. Da wären zum einen Straußeneier. Und die sind, wie auch die Vögel selbst, riesig. Mehr als zwei Kilo kann so ein Straußenei auf die Waage bringen – im Schnitt sind es etwa so viel, wie 30 Hühnereier. Da kann man natürlich nicht erwarten, dass die Hennen, wie bei den Hühnern, direkt ein Ei pro Tag legen. „Im Durchschnitt bekommen wir etwa 30 Eier pro Henne im Jahr. Es gibt welche, die legen 60, andere nur 10“, erklärt Clemens Jeuken. Die Eier kosten 25 Euro und sind besonders vor Ostern sehr begehrt. „Die meisten Menschen blasen die Eier aus und machen dann Rührei daraus, damit sie die Schale weiter verwenden können.“ Was man aus den Eiern machen kann – von kleinen Kunstwerken bemalt oder in Ritztechnik bis hin zu Lampen, können Besucher im Hofladen des Straußenhofs sehen.
Dort findet sich auch die zweite zusätzliche Einnahmequelle – und zwar in der Kühltruhe. Denn einige Strauße vom Hof lässt Jeuken in einer Metzgerei in Dinslaken schlachten. Und dann gibt es Straußenbraten, Steaks oder Filet. „Besonders vor Weihnachten haben wir viele Bestellungen“, sagt der Straußenzüchter. Weihnachtsstrauß statt Weihnachtsgans? „Das Fleisch ist dunkel, ein wenig wie Rind – und hat einen ganz eigenen Geschmack“, schwärmt Jeuken. „Viele Menschen essen weniger Fleisch und gönnen sich dafür etwas besonders. Zudem wissen sie hier, wo das Fleisch herkommt.“ Sich etwas gönnen ist richtig, denn mit Preisen zwischen 27 und 37 Euro pro Kilo ist Strauß nicht gerade günstig.
Straußenzucht in Kevelaer: Vom Hobby zum Beruf
Die Zucht der gefiederten Giganten geht bei Clemens Jeuken übrigen auf ein Hobby zurück. Schon immer gab es Geflügel auf dem Hof. Dann sah Jeuken auf der Wiese neben dem Haus eines Bekannten die riesigen Laufvögel stehen und war sofort fasziniert. „Wir waren dann schnell davon überzeugt, dass Strauße nicht so schwer zu halten sind“, sagt er. Die Laufvögel, die mittlerweile nur noch in Afrika in freier Wildbahn leben, aber eigentlich aus Asien stammen, kommen auch mit europäischer Kälte am Niederrhein ganz gut klar. „Strauße brauchen vor allem Auslauf – und einen Platz zum Aufwärmen.“ Beides bekommen sie auf dem Straußenhof. Und so wurde aus dem Hobby, mit dem Jeuken 1993 startete anfang des neuen Jahrtausends sein Hauptberuf.
Neben der Zucht möchte er die Tiere aber auch gerne einer breiteren Zahl von Menschen näherbringen. Deshalb bietet er auch Führungen auf seinem Hof an. Und hat einige „Mitbewohner“ für die Strauße. So sind auf den Wiesen des Hofes auch einige Nandus und Zwergkängurus unterwegs, die Jeuken von Bekannten übernommen hat.
Den Kopf in den Sand stecken, wie ein Sprichwort nahe legt, liegt übrigens nicht in der Natur der Tiere. „Bei Gefahr laufen sie eher weg und können dabei bis zu 70 km/h schnell werden“, sagt Jeuken. „Daher leben sie eigentlich auch auf offenem Gelände.“ Theoretisch könnte man auf den Riesenvögeln sogar reiten – wovon der Züchter allerdings nichts hält. Zudem mögen die Tiere es nicht, wenn man sie anfasst. „Das sind keine Kuscheltiere“, sagt Clemens Jeuken.