An Rhein und Ruhr. Sie haben sich an die Hygiene-Vorgaben gehalten und Umsatzeinbußen hingenommen. Für den neuen Lockdown haben die Gastronomen kein Verständnis.
Schlimmer, sagt Tom Koperek, kann es für die Veranstaltungsbranche eigentlich gar nicht werden. Koperek , Geschäftsführer der Essener Veranstaltungstechnikfirma LK AG und Mitinitiator der Initiative „Alarmstufe Rot“ ist an diesem Mittwoch in Berlin, zusammen mit Tausenden demonstriert er für das Überleben seiner Branche. Es ist der Mittwoch, an dem die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten das öffentliche Leben wieder einschränken. Koperek nimmt das eher schulterzuckend zur Kenntnis. Die Veranstaltungsbranche liegt seit acht Monaten auf Eis. In der Gastronomie in NRW herrscht hingegen helle Aufregung und Empörung.
„Seit acht Monaten des faktischen Lockdowns haben es die politischen Entscheidungsträger nicht geschafft, auch nur ansatzweise Lösungen für uns zu entwickeln“, sagt Koperek auf einer Pressekonferenz vor der Demonstration, und auch die neuen Beschränkungen würden zulasten der Branche gehen, obwohl sicher sei, dass von Veranstaltungen mit ihren ausgeklügelten Hygiene- und Sicherheitskonzepten kein erhöhtes Infektionsrisiko ausgehe.
Es trifft die, die sich an die Vorgaben halten
Politische Maßnahmen, die jene treffen, die sich an alle Vorgaben halten – das ist auch der Vorwurf der Gastronomie, die sich nach dem Lockdown im Frühjahr über den Sommer wieder etwas berappelt hatte, nun wieder schließen muss und am Mittwoch an der Seite der Veranstaltungsbranche demonstrierte.
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Ullrich Langhoff betreibt seit 1986 das Lippeschlößchen in Wesel, ein Haus mit langer Geschichte. Anfang des 19. Jahrhunderts war es ein Offizierskasino der französischen Armee, nach dem Zweiten Weltkrieg ein überregional bekanntes Tanzlokal. Heute bietet Langhoff bürgerliche Küche gehobener Qualität, im Lippeschlößchen kehren vor allem ältere Gäste ein, Menschen, die als Corona-Risikogruppe gelten. Es hat nach dem Lockdown im Frühjahr entsprechend gedauert, bis sich die Räumlichkeiten des Hauses an der Lippe wieder füllten.
Langhoff: "Ich bin maßlos enttäuscht"
Stand heute, sagt Langhoff, hat er rund 50 Prozent des üblichen Jahresumsatzes eingefahren. Er hat Kosten gesenkt, konkret: Personal abgebaut, weswegen die Einnahmen ausreichten, um zu überleben, auch wenn die Lebensmittelpreise um rund zehn Prozent angezogen haben. Bei einem zweiten Lockdown geht es aber ins Eingemachte, befürchtet er. Schon jetzt gingen die Reservierungen für die Feiertage im Dezember zurück, berichtet er, bitter, weil das Weihnachtsgeschäft bis zu einem Drittel des Jahresumsatzes ausmache.
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Dass die Politik erneut die Gastronomie im Visier hat, macht ihn sauer: „Ich bin maßlos enttäuscht, dass wir als Sündenbock hingestellt werden.“ Er verweist auf das Robert-Koch-Institut, das in einem Bulletin Mitte September zu dem Schluss kam: „Übertragungen im öffentlichen Bereich (in Verkehrsmitteln, Gaststätten, Hotels) kamen, sicher auch bedingt durch die massiven Gegenmaßnahmen, vergleichsweise deutlich seltener vor.“ Allerdings wird in diesem Bericht auch deutlich gemacht, dass die konkrete Eingrenzung von Infektionsquellen nur in etwa einem Viertel der registrierten Infektionen möglich war.
Viel in die Hygienemaßnahmen investiert
Er habe jedenfalls alles getan, damit die Gäste sicher seien, betont Langhoff, und dafür auch Geld in die Hand genommen, etwa für Tausende Liter Desinfektionsmittel oder bergeweise Formulare für die Kontaktdaten. Andere Wirte haben noch mehr investiert, beispielsweise neue Lüftungssysteme angeschafft, sagt der Gastronom.
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Langhoff ist auch Kreisvorsitzender des Branchenverbandes Dehoga und er weiß: „Die Kollegen haben allmählich die Schnauze voll.“ Auch beim Landesverband der Dehoga heißt es: „Das Ohnmachtsgefühl in der Branche ist mit Händen zu greifen, die Menschen fühlen sich hilflos. Das ist mental und psychisch extrem schwierig“, so ein Sprecher. Hilflosigkeit könnte in Wut umschlagen, befürchtet Langhoff. Die AfD stellt sich bereits als Beschützerin der Gastronomen dar.
Gastronomen wollen volle Kostenerstattung
In Dinslaken kann Maik Zimmermann noch nicht beziffern, wie arg seine Umsatzeinbußen in diesem Jahr sein werden. Ihm fehlt die Vergleichsgröße, weil er sein Restaurant „KM800“ erst im vergangenen Dezember aufgemacht hat. Ein Wagnis, mit seinem Restaurant in Voerde hatte er zuvor Schiffbruch erlitten. „Wir haben ein kleines Vermögen investiert“, sagt er.
Zimmermann sagt, wenn Bund und Länder einen erneuten Lockdown für nötig erachteten, „wird das schon seinen Sinn haben“. Aber eines sei unumgänglich: „Wir müssen sofort alle anfallenden Kosten komplett ersetzt bekommen.“ In einem Brandbrief an Ministerpräsident Armin Laschet fordert auch der Dehoga-Landesverband „einen voll umfänglichen finanziellen Ausgleich für die betroffenen Betriebe, wenn es zu weiteren Beschränkungen kommen sollte“.
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Vorbild: Alarmstufe Rot
Der 46-jährige Zimmermann will über den Branchenverband hinaus seine Kollegen zusammentrommeln und einen Zusammenschluss von Gastronomen organisieren, ähnlich wie es die Veranstaltungsbranche mit der Initiative „Alarmstufe Rot“ getan hat. „Das hat Vorbildcharakter. Wir müssen auf diesen Zug aufspringen und mit der Veranstaltungsbranche solidarisch zusammenarbeiten“, sagt er. Falls die Politik auf die Forderungen der Branche eingehe, ist Zimmermann zuversichtlich: „Wir werden es schaffen.“