An Rhein und Ruhr. Der Kreis Borken führt den Anstieg der Corona-Fälle unter anderem auf private Treffen beiderseits der Grenze zurück. Was ist dran an der These?

Der Inzidenzwert in der Grenzregion zu den Niederlanden ist in den vergangenen Wochen stark angestiegen: Die Städteregion Aachen hat mit einem Wert von 186 die dritthöchste Inzidenz in ganz NRW, auch die Kreise Borken (80), Kleve (91), Viersen (99) und Heinsberg (82) haben den Grenzwert längst überschritten. Doch welchen Einfluss hat die Nähe zu den Niederlanden auf die steigenden Infektionszahlen? Bringen Pendler das Coronavirus mit über die Grenze? Oder folgt das Infektionsgeschehen lediglich der landesweiten Entwicklung? Wir haben uns in den Kreisen umgehört.

In der vergangenen Woche zählte der Krisenstab des Kreises Borken Infektionseinträge aus den Niederlanden zu einer von insgesamt vier Quellen für die Ausbreitung des Coronavirus. Die Rechnung scheint simpel: Die Inzidenzzahl in der Region Twente liege um das sechsfache höher als im Westmünsterland, in der Region Achterhoek sei sie dreimal so hoch und rund um Amsterdam und Rotterdam sei der Wert mehr als siebenmal so hoch, heißt es in der Pressemitteilung. Zudem sind im Kreis Borken rund 8000 niederländische Staatsangehörige gemeldet. Täglich überqueren Berufspendler aus beiden Richtungen die Staatsgrenze.

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Auslöser für die steigenden Corona-Zahlen sei aber nicht der gesamte Grenzverkehr. „Wir haben vielmehr festgestellt, dass aus den Niederlanden in den Kreis Borken kommendes Infektionsgeschehen in erster Linie von familiären beziehungsweise privaten Kontakten herrührt“, so Kreissprecher Karlheinz Gördes. „Große Feiern in den Niederlanden waren zum Beispiel eine Ursache für die Entwicklung von Gronau zu einem – bezogen auf unseren Kreis – Infektions-Hotspot.“ Landrat Dr. Kai Zwicker rufe die Bevölkerung angesichts der aktuellen Corona-Lage deshalb auf, von nicht notwendigen Fahrten in die benachbarten Niederlande abzusehen.

Kreis Borken: Krisenstab fordert einheitliche Corona-Regeln

Der Krisenstab des Kreises Borken kritisiert zudem die unterschiedlichen Schutzregelungen beiderseits der deutsch-niederländischen Grenze. „Werden voneinander abweichende Regelungen getroffen, wirkt dies oft auf das grenzüberschreitende Besucheraufkommen“, erklärt Gördes. „So hat die Schließung von Restaurants und Cafés auf niederländischer Seite derzeit ein erhöhtes Besucheraufkommen in der geöffneten Gastronomie im angrenzenden deutschen Bereich zur Folge.“ Bund und Länder müssten sich stärker mit den niederländischen Stellen absprechen, fordert der Kreissprecher.

Auch der Kreis Kleve wünscht sich ein einheitliches Vorgehen, um „Klarheit und Verständnis“ zu schaffen. „Niederländer stellen unter den im Kreis Kleve wohnenden Ausländern die größte Gruppe dar“, so Kreissprecherin Claudia Gronewald. „Es kann daher davon ausgegangen werden, dass zahlreiche familiäre und berufliche Verbindungen zwischen den Niederlanden und dem Kreis Kleve bestehen.“ Einen großen Einfluss auf die Infektionszahlen habe der Grenzverkehr aber nicht. „Es sind lediglich Einzelfälle bekannt, in denen sich Infizierte zuvor in den Niederlanden aufgehalten haben oder Kontakt zu Personen aus den Niederlanden hatten.“

„Keine Grenze hält ein Virus auf, sondern nur Masken“

Zustimmung kommt es aus den Kreisen Viersen, Heinsberg und der Städteregion Aachen. „Der Grenzverkehr spielt sicher nur eine Nebenrolle“, so Holger Benend, Sprecher der Städteregion Aachen. „Hauptquelle sind fraglos familiäre Feiern.“ Wichtiger als Grenzkontrollen oder sogar Schließungen seien Atemmasken. „Denn keine Grenze hält ein Virus auf, sondern nur Masken und weitere Schutzmaßnahmen.“ In der Städteregion Aachen würden mehrere Tausend Menschen aus den Niederlanden arbeiten. „Es gibt viele familiäre Verbindungen“, sagt Benend.

Im Kreis Viersen lag die Pendlerzahl aus den Niederlanden nach Kreisangaben 2019 bei 530 Personen. Im vergangenen Jahr lebten 2670 mit niederländischer Staatsangehörigkeit in Viersen. „In der Grenzregion ist der Kontakt zu Niederländern ebenso alltäglich wie der zu Gästen aus angrenzenden deutschen Städten - die ja ebenfalls Risikogebiete sein können“, erklärt Kreissprecherin Laura Nestrojil. „Eine generelle Warnung spricht der Kreis Viersen daher nicht aus.“ Zumal die meisten Ansteckungen im privaten Umfeld erfolgen würden.

„Für alle – Deutsche wie Niederländer – gilt generell der Hinweis, eigenverantwortlich abzuschätzen, ob ein Besuch einer anderen Stadt oder Gemeinde vertretbar ist“, so Nestrojil. Und selbstverständlich müssten sich alle an die geltende Corona-Schutzverordnung halten. Dazu zähle: „Eine Maske tragen, regelmäßige Handhygiene, ausreichend Abstand halten und in geschlossenen Räumen regelmäßig lüften.“