Monheim. Alle 64 Sonnenstunden spuckt ein Geysir in einem Monheimer Kreisverkehr eine zwölf Meter hohe Fontäne in die Luft. Ist das Kunst oder Kokolores?

Erstmals hat der berühmt-berüchtigte Geysir von Monheim nach dem Willen seines Schöpfers, dem Künstler Thomas Stricker gesprüht. Am Freitagvormittag war es soweit: Nach anfänglichem Blubbern und Nebelschwaden ab 7.15 Uhr sprühte er insgesamt vier Mal eine Fontäne in die Luft, den größten Ausbruch gab es gegen 11.15 Uhr: Eine zwölf Meter hohe Fontäne sprudelte für einige Sekunden in einem Kreisverkehr in Monheim. Die Installation des Kunstwerkes hat insgesamt rund 600.000 Euro gekostet - und zieht neben der Wasserrechnung noch ein paar Kosten nach sich. Aber dazu später.

Eigentlich war es gar nicht die erste Fontäne - es gab bereits Ende September eine Art Probesprengung, schließlich muss man ja wissen, ob alles funktioniert bei dem umstrittenen Projekt, das bereits seit gut zwei Jahren für Furore sorgt. So findet der Bund der Steuerzahler, mit dem Projekt werde „wortwörtlich Steuergeld in die Luft geblasen“. Auch die NDR-Satiresendung „Extra3“ hatte sich über das Projekt mokiert.

Eine künstlerisch runde Sache oder rausgeschmissenes Geld?

Geschaffen wurde der künstliche Geysir von dem in Düsseldorf lebenden, Schweizer Künstler Thomas Stricker, mehrfach ausgezeichneten Bildhauer, Installations- und Aktionskünstler. Der installierte die Fontäne in einem Kreisverkehr. In der Tat könnte man sich über den Geysir aufregen – das mögen sicherlich auch einige Monheimer tun, die darin eine Verschwendung öffentlicher Gelder sehen. Zumal der Geysir nicht regelmäßig und nach Fahrplan sprüht – das ist vom Künstler so gewollt, der ein Element des Zufalls in die Ausbrüche integrieren wollte – so wie bei natürlichen Geysiren. Zunächst müssen 64 Sonnenstunden verstrichen sein seit dem vergangenen Ausbruch, es muss mindestens acht Grad Celsius haben und der Wind darf nicht zu heftig wehen. Zudem hält der Geysir zwischen 22 und 6 Uhr Nachtruhe.

Bürgermeister Daniel Zimmermann indes hält das Projekt für eine runde Sache – obwohl die Kosten von anfänglich 415.000 Euro auf 600.000 Euro nach oben sprudelten.

Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann (r,) mit Künstler Thomas Stricker vor dem umstrittenen Geysir beim Probelauf Ende September.
Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann (r,) mit Künstler Thomas Stricker vor dem umstrittenen Geysir beim Probelauf Ende September. © dpa | Oliver Berg

Touristenattraktion oder Mahnmal der sprudelnden Steuerquellen?

Denn wenn sich das Geysirkunstwerk herumspricht, werden die Menschen in und um Monheim aufmerksam schauen, wann der nächste Geysir-Ausbruch bevorsteht und sich zu dem Schauspiel am Rheinufer einfinden. Mit zehn bis 20 Ausbrüchen pro Jahr wird gerechnet, auf der Internetseite der Stadt gibt es Prognosen über den nächsten Termin.

So könnte aus der Fontäne, die am 3. Oktober bereits im Rahmen der Einweihung öffentlich sprudelte, durchaus in diesem Jahr noch einmal ausbrechen und spätestens 2021 so etwas wie ein Marketing-Instrument der kleinen Stadt am Rhein werden, gerade in Kombination mit einem dort geplanten Kunstareal und der idyllischen Lage am Rheinufer.

Eine Zwölf-Meter-Fontäne als gestreckter Mittelfinger

Eher schon könnten vor allem die Kämmerer der anderen Gemeinden in NRW die Zwölf-Meter-Fontäne je nach Temperament als eine Art gestreckten Mittelfinger oder zumindest wenig dezenten Verweis auf die sprudelnden Steuereinnahmen in Monheim deuten: Daniel Zimmermann, vom örtlichen Bürgerbündnis „Peto“ mit soliden Mehrheiten ausgestattet und als damals jüngster NRW-Bürgermeister 2009 ins Amt gekommen, hat Monheim zu einer Art Steuerinsel gemacht: Die Kommune hat die geringsten Gewerbesteuern in NRW. Folge: Viele Betriebe haben ihren Unternehmenssitz nach Monheim verlegt, so dass sich die Steuereinnahmen zwischen 2011 und 2018 annähernd verfünffachten.

Zu dieser Steuerpolitik zu Lasten anderer Kommunen hat sich der Bund der Steuerzahler noch nie geäußert. Könnte daran liegen, dass er, laut Lobbypedia, eine eher neoliberale Agenda verfolgt und unter anderem von Banken und Versicherungen unterstützt wird, die vehemente Steuersenkungen fordern.

Dank dieser Gewerbesteuerpolitik zu Lasten jener Kommunen im Umfeld, die ihre Firmen und Unternehmen durch Umsiedlung verlieren, ist Monheim nicht nur schuldenfrei, sondern kann auch unter anderem kostenfreie Kitas, kostenfreies, stadtweites W-Lan, kostenfreien Nahverkehr oder ein Interrail-Ticket für Teenager anbieten und Projekte wie die neue Rheinfront mit der 100-Millionen-Euro teuren Kulturraffinerie vorantreiben - ein Multifunktionsbau für Theater, Kunst und Musik. Das Stricker-Kunstprojekt ist da nur ein kleines Extra, das sich bei eher bescheidenen 6000 Euro Betriebskosten pro Jahr amortisieren dürfte, wenn die Geysir-Ausbrüche zur Zuschauerattraktion werden und Menschen auf das schmucke Monheim aufmerksam machen.

Bürokratische Vorschriften sorgen tatsächlich für unnötige Kosten

Nebenbei: Dass Kunst im öffentlichen Raum allein unter dem Aspekt der Kosten diskutiert wird, zeugt vor allem von Armut in der Auseinandersetzung. Der Gegenwind des bürokratischen Irrsinns, den Steuerzahlerbund und Satiriker da wittern, er weht eher aus der Bürokraten-Ecke: Weil das abrupte Erscheinen einer Fontäne in dem doch recht dicht befahrenen Kreisverkehr Autofahrer erschrecken und Radlern und Fußgängern eine unfreiwillige Dusche verpassen. Also wird der Verkehr vor dem Geysirausbruch vorm Kreisverkehr per Ampel für einige Minuten gestoppt.

Und genau dort beginnt tatsächlich der bürokratische Irrsinn: Ein Kreisverkehr und eine Ampel – beides geht nicht, sagen die Bauvorschriften. Folglich muss vor jedem Geysirausbruch zunächst eine mobile Ampelanlage installiert werden. Die muss die Stadt nun wohl dauerhaft anmieten angeblich für rund 2000 Euro pro Monat. Das ist zwar langfristig teurer als eine fest installierte Ampel. Vorschrift ist eben Vorschrift. Dass jedoch Kunst auch mal was kosten muss und darf – das scheint die Politik in der Coronakrise ohnehin vergessen zu haben. Nicht nur in Monheim.