An Rhein und Ruhr. Zu Stoßzeiten wird es in vielen Bussen voll. Eltern und Schulen sind besorgt, fordern Entlastung. NRW-Städte sehen jedoch keinen Handlungsbedarf.
Sie drängeln, versperren die Straße und sorgen an vielen Schulen für Chaos: Elterntaxis. Ein Phänomen, das nicht erst seit Beginn der Corona-Krise die Gemüter erhitzt. „Unser Eindruck ist aber, dass sich diese Tendenz nun noch weiter verstärkt hat“, so Markus Möller, Mitvorsitzender der Elternschaft Duisburger Schulen. Auch Ulrike Freund, Schulpflegschaftsvorsitzende des Konrad-Duden-Gymnasiums in Wesel, berichtet von immer mehr Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren. „Das, was wir hier sonst erst im Winter erleben, spüren wir jetzt schon.“
Der Grund: „Wir haben große Probleme mit Schulbussen“, sagt Freund. „Sie sind einfach zu voll.“ Viele Eltern hätten Angst, dass sich ihre Kinder anstecken könnten. Dabei ist die Auslastung des Busverkehrs seit Corona-Ausbruch stark zurückgegangen. Bis zu 80 Prozent weniger Fahrgäste verzeichnete die Niag zwischen April und Juni. Bei der Stoag liege die Zahl noch immer rund 20, bei der Rheinbahn sogar 30 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Expertin: Viele Schulbusse „bis an die Frontscheibe befüllt“
Und dennoch: Vor allem zu Stoßzeiten werde es in Bussen bedenklich voll, berichtet Freund. „An bestimmten Punkten in den Stadtgebieten kam es in den ersten Tagen zu erhöhten Schülerzahlen“, bestätigt Ruhrbahn-Sprecherin Neumann. Nun sei die Lage aber im Griff. Andriana Sakareli, Sprecherin des Verbands Nordrhein-Westfälischer Omnibusunternehmen (NWO), hat einen anderen Eindruck: „Zu beobachten ist immer noch, dass Schulbusse ‚bis an die Frontscheibe‘ befüllt werden.“
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Zumindest in einem Punkt sind sich alle Parteien einig: Der Mindestabstand sei in Bussen kaum einzuhalten – „gerade vor Schulbeginn und nach Schulende“, so Stoag-Sprecherin Müller. Umso wichtiger sei deshalb das Tragen einer Atemmaske. Die DVG kontrolliere laut Pressesprecher Felix zur Nieden täglich und auf allen Linien die Einhaltung der Maskenpflicht. Darüber hinaus sitze im Schülerspezialverkehr in jedem Bus ein Begleiter, der darauf achte, dass Schulkinder ihre Hände desinfizieren.
Weitere Fahrzeuge: Städte und Verkehrsbetriebe rüsten auf
Auch an zusätzlichen Fahrzeugen wurde nicht gespart. So seien in Düsseldorf seit Beginn des Schuljahres zehn zusätzliche Schulbusse unterwegs. Im Kreis Kleve wurde laut Sprecherin Ruth Keuken ein zusätzlicher Bedarf von 23 Verstärkerfahrten festgestellt und beauftragt. In Duisburg sind 14 Busse, in Essen acht, in Oberhausen drei und in Rheinberg, Xanten und Wesel jeweils ein weiteres Fahrzeug im Einsatz. Alle angefragten Verkehrsunternehmen sehen sich derzeit gut aufgestellt. Zumal laut Müller bislang kein besonderes Ansteckungsrisiko im ÖPNV nachgewiesen werden konnte.
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Sakareli bestätigt, dass Busse im Infektionsgeschehen lediglich eine untergeordnete Rolle spielen. „Nur 0,24 Prozent aller Ausbrüche bis Mitte August werden mit Übertragungen im Umfeld von Verkehrsmitteln in Verbindung gebracht.“ Dennoch dürften sich die Schulträger nicht nur auf die Maskenpflicht verlassen. Kritik kommt auch von Freund: „Alles, was wir an Maßnahmen in den Schulen umsetzen, wird in den Bussen konterkariert.“ Die Schulleitung stehe beinahe täglich in Kontakt mit der Stadt Wesel und fordere weitere Fahrzeuge – bislang ohne Erfolg.
Zuschuss der NRW-Regierung: 500 Busse warten auf Einsatz
Dabei seien zusätzliche Busse nach wie vor verfügbar, betont Sakareli. „Das Land NRW übernimmt alle Kosten.“ Die Kommunen müssten lediglich einen Antrag ausfüllen. Anfang September warteten von den rund 1000 Schulbussen, die die Landesregierung den Städten zum Schulstart zur Verfügung gestellt hat, noch immer 500 Fahrzeuge auf ihren Einsatz. „Offenbar stockt an der ein oder anderen Stelle der Kommunikationsfluss, obwohl der Zuschuss seit dem 5. August beantragt werden kann“, so Sakareli.
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Alexander Jordans, Teamleiter Schule und Sport der Stadt Wesel, kann die Sorgen vieler Eltern nachvollziehen. „Es ist nur schwer vermittelbar, warum es in Schulen einen Mindestabstand gibt und in Bussen nicht. Wir bestimmen aber nicht, ab wann ein Bus voll ist. Das macht das Land.“ In der Corona-Schutzverordnung sei im ÖPNV keine Abstandspflicht festgeschrieben worden. „Ein Bus ist nach dieser Regelung erst dann überfüllt, falls die höchstzulässige Mitfahrerzahl überschritten wird.“
Forderung nach Entlastung: „Würde viele Eltern beruhigen“
Zudem fehle der Stadt Wesel eine konkrete Datengrundlage, welche Buslinien zu welcher Uhrzeit überfüllt sind. „Deshalb haben wir gesagt, wir bieten ein Webformular an, damit uns Eltern ihre Beschwerden schicken können.“ Bislang habe sich aber nur eine Handvoll Eltern gemeldet. „Wir können nicht auf jeder Linie pauschal einen Bus mehr bestellen“, so Jordans. „Die Ressourcen sind nicht unendlich.“
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Laut Stoag-Sprecherin Müller gebe es eine Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Ansteckungsgefahr und dem Sicherheitsgefühl der Fahrgäste. „Viele Menschen empfinden in der jetzigen Zeit eine körperliche Nähe zu Fremden als unangenehm und möchten solche Situationen vermeiden.“ Auch deshalb hofft Freund auf weitere Busse, um die Schülerzahlen entzerren zu können. „Ich glaube, dass würde viele Eltern beruhigen.“