Aus den Niederlanden. Die Niederlande sind für ihren Fahrradverkehr bekannt – dafür werden Millionen investiert. Bei der Radinfrastruktur sind sie NRW weit voraus.

Kaum ein Begriff wird so stark mit den Niederlanden verbunden wie das „fiets“ – das Fahrrad. Das ergab auch unser Niederlande-Check. Die NRZ wollte in ihrer Umfrage unter anderem wissen, in welchen Punkte unsere Nachbarn ein Vorbild für Deutschland sind. Über 85 Prozent der Befragten finden, dass Fahrradverkehr und Infrastruktur in den Niederlanden besser sind als bei uns.

Schon kurz hinter der Grenze in Nimwegen zeigt sich, wie stark unsere Nachbarn im Alltag auf das Verkehrsmittel setzen – und dafür viel Geld in die Hand nehmen. Die Region Arnheim-Nimwegen hat für die Jahre 2019 bis 2023 rund 25 Millionen Euro für die Hauptinfrastruktur bereitgestellt. Zusätzlich wurden für die bestehenden Schnellstrecken bereits 72,3 Millionen Euro ausgegeben.

Nimwegen: Hier verdrängt das Fahrrad schon die Autos

Überall in den Nimweger Wohngebieten wird deshalb an den Straßen gewerkelt, um klassische Anliegerstraßen für den Radverkehr umzubauen. Was in Deutschland noch kaum vorstellbar scheint, wird hier bereits Realität: Entweder werden die Autos ganz von den Straßen ausgeschlossen oder sind nur zu Gast auf den Wegen – und müssen vorsichtig agieren. Und auch dafür setzt Nimwegen deutliches Zeichen: In der gesamten Stadt soll künftig, abgesehen von den Hauptstrecken, Tempo 30 gelten.

„Der Ausbau des Radverkehrs ist ein kontinuierlicher Prozess und wird in der Politik auch von vielen Parteien getragen“, sagt Verkehrsplanerin Harriët Tiemens. Seit sechs Jahren ist die Grünen-Politikerin als Beigeordnete verantwortlich für den Radverkehr. Ganz selbstverständlich ist die Verkehrswende in Nimwegen nicht, sagt Tiemens. Oft genug muss sie sich mit der starken Autolobby im Nimweger Stadtrat auseinandersetzen.

Nimwegen und Arnheim: Das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel

Ihre Stadt gehört mittlerweile zu den fahrradfreundlichsten Städten in den Niederlanden. Tiemens erklärt, dass Nimwegen an mehreren Themen gleichzeitig gearbeitet hat. So habe man gemeinsam mit 18 Nachbarkommunen ein Radschnellwegenetz aufgebaut, welches kontinuierlich fortgeführt werde. Auf diesen Wegen haben Radler Vorrang, es gibt keine Kreuzungen, keine Ampeln.

Um Nimwegen so fahrradfreundlich wie möglich zu machen, musste aber auch umgedacht werden. Radwege entlang großer Hauptstraßen? „Das versuchen wir mittlerweile zu vermeiden. Denn es ist nicht nur ungesund für den Radfahrer, es macht auch keinen Spaß entlang all der Autos zu fahren. Radfahrer benötigen ihre eigenen Straßen“, sagt Tiemens.

Der Fokus aufs Rad wurde zum Erfolg: Das Netz in Nimwegen wird so gut angenommen, dass regelmäßig über Fahrradstaus zwischen Bahnhof und Universität berichtet wird. „Wir sehen ein jährliches Wachstum des Radverkehrs um 20 Prozent. Und darauf bin ich stolz“, sagt Tiemens. Doch die Stadt will noch mehr: Bis 2025 sollen Fahrrad und E-Bike zum Hauptverkehrsmittel für Strecken unter zehn Kilometer in Nimwegen werden.

Die Niederlande sind NRW in der Radinfrastruktur weit voraus

Davon scheint NRW noch meilenweit entfernt. „In den Niederlanden hat sich eine entsprechende Radkultur entwickelt, die sich dadurch auszeichnet, dass man vieles per Rad erledigt. Es ist nichts Besonderes, dass zwei oder mehr Fahrräder nebeneinander auf der Straße vor den Autos fahren und sich dann auch niemand aufregt. Bei uns in NRW ist das fast undenkbar“, so Ludger Vortmann vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club NRW.

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„In den Niederlanden genießt das Fahrradfahren in Bevölkerung und Politik eine hohe Wertschätzung. Selbst die Polizei bleibt bei kleinen Vergehen gelassen“, so Vortmann weiter. „Darüber hinaus ist die Art und Weise, wie das Fahrrad als gleichberechtigtes Verkehrsmittel akzeptiert und gefördert wird, ein wesentlicher Unterschied.“

ADFC: Auch NRW kommt mit Radwegen voran

Doch es tut sich laut ADFC auch so einiges: „Das Fahrradgesetz NRW wird gerade als erstes Radgesetz für ein Flächenland in Deutschland erarbeitet. Auch das ist ein wichtiges Signal für mehr Radmobilität“, so Ludger Vortmann. „Beim Thema Radschnellwege sind wir schon fast im Windschatten der Niederländer.“ Es gebe bereits „vereinzelt“ hochwertige Fahrradinfrastruktur in NRW.

„Ein Beispiel ist der Radschnellweg RS1, den es mit geplanten 100 Kilometern zwischen Duisburg und Hamm in dieser Länge in den Niederlanden nicht gibt. Allerdings sind uns die Niederländer durch ihre jahrzehntelange Erfahrung bei Planung und Bau weit voraus.“

Niederlanden investieren in Sicherheit und Komfort für Radfahrer

Auch, was das Thema Sicherheit und Qualität angehe: „Das Herzstück der niederländischen Radinfrastruktur sind die baulich getrennten Radwege von stark befahrenen Straßen“, so Vortmann. „Die Radwege sind als Ein- oder Zweirichtungsradwege so breit angelegt, dass ein Nebeneinanderherfahren und sicheres Überholen möglich ist. Der rot eingefärbte Asphalt macht den Radweg für alle sofort erkennbar.“ Dies diene der Erkennbarkeit und der Sicherheit, sagt auch Nimwegens Stadtplanerin Tiemens.

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Doch bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur der Zukunft geht es in Nimwegen nicht alleine um Radwege. Auch Fahrradabstellmöglichkeiten sind wichtig für ein ganzheitliches Fahrradkonzept. In überwachte Fahrradgaragen lassen sich in Nimwegen teure E-Bike abstellen – und das sogar umsonst.

Auch der Wechsel des Verkehrsträgers soll in den nächsten Jahren erleichtert werden. Mit Hilfe von EU-Geldern werden in Nimwegen zehn E-Hubs realisiert, in denen man vom E-Bike auf E-Auto oder E-Bus umsteigen kann. Auch bei diesem Thema: Die Niederlande bleibt ein Vorbild.