Aus den Niederlanden. Autor Mark van Wonderen verrät, wo es noch ungewohnte Ecken in den Niederlanden gibt – und warum Hässliches schöner ist als Holland-Klischees.
Journalist Mark van Wonderen gibt in seinem Buch „Treurtrips - (Her)ontedek Nederland“ - „Trauertrips - Entdecken Sie die (neu)“ Anregungen für Ausflüge zu ungewohnten und verfallenen Orten in den Niederlanden. Der Autor will so Orte abseits der typischen Holland-Klischees bekannter und so die „echte“ Niederlande sichtbar machen.
Warum überhaupt „Trauertrips“ in die Niederlanden machen?
Wenn Touristen aus Deutschland sich an den Klassikern satt gesehen haben, warum dann nicht etwas anderes probieren? Ich wollte zeigen, dass die Niederlande nicht so sind, wie alle sie kennen – auch nicht die Niederländer. In den Niederlanden wird über jeden Quadratmeter im öffentlichen Raum nachgedacht, alles ist geregelt. In Deutschland verkommen Gebäude schneller. In den Niederlanden wird sofort etwas getan, wenn etwa ein Einkaufszentrum zu verfallen droht. Das ist gut für die Bewohner. Es ist aber auch schön, dass es Orte gibt, die dieser Regelsucht entkommen.
Was macht diese Orte so hässlich?
Es geht mir nicht darum, einzelne Städte niederzumachen. Ich gebrauche die Begriffe „hässlich“ und „Trauertrip“ mit einem Augenzwinkern. Und unterscheide dabei zwischen „schönen hässlichen Orten“ und denen, die gar keinen Charme haben. „Schön hässlich“ finde ich Gebäude, die einem ein Lächeln aufs Gesicht zaubern und das Gefühl einer Zeitreise geben, direkt in die 80er Jahre. Gebäude, bei denen ich mich frage: Wer hat denn dafür bitte eine Baugenehmigung erteilt? Diese echte Niederlande sind viel spannender als die bekannten Highlights wie Grachten oder der Keukenhof.
Wo am besten anfangen mit einem „Trauertrip“ in die Niederlande?
Ich empfehle Lelystad. Die Stadt wird auch „Lelijkstad“ genannt – also hässliche Stadt, das Wort „lelijk“ bedeutet hässlich. Sie eignet sich gut zum Einstieg, weil sie schon sehr hässlich ist, aber auf kleinem Raum. Es gibt viel Leerstand und heruntergekommene Gebäude. Lelystad ist eine relativ neue Stadt, seit 1980 offiziell eine Gemeinde. Es gab die Chance, eine perfekte Stadt am Ijsselmeer zu entwerfen. Als die Stadt gebaut wurde, gab es eine ökonomische Krise. Alle schönen Pläne wurden verworfen und alleine günstige Mietwohnungen gebaut. Es ist das Beispiel einer missglückten Stadtplanung.
Sie leben in Amsterdam - haben Sie die „schöne Niederlande“ satt?
Ich bin in Bergen aan Zee in Nordholland aufgewachsen, dorthin kommen auch viele deutsche Touristen. Es ist sehr schön dort, idyllisch, geregelt. Wenn ich in anderen Städten – etwa Zoetermeer oder Den Helder – war, dachte ich: Wow, so kann es in den Niederlanden auch sein. Und wenn ich im Ruhrgebiet bin, finde ich es fantastisch. Die Industriekultur hat mich schon immer fasziniert.
Also lieber Ruhrgebiet statt Grachtengürtel in Amsterdam?
Nicht für den Rest meines Lebens. Ich würde gerne ein halbes Jahr in einer Stadt wie Duisburg leben. Ich habe vor einiger Zeit einen Freund in Essen besucht und diese Atmosphäre war toll für das Wochenende. Und ich dachte: Das hier ist das echte Deutschland. Das finde ich toll.
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Sie sprechen von Tourismus-Magneten einerseits und „hässlichen“, aber authentischen Orten andererseits - wie sieht denn eine ganz durchschnittliche Stadt in den Niederlanden aus?
Eine normale niederländische Stadt hat oft eine schöne, aber kleine Altstadt. Darum herum sind in den 1960er bis 80er Jahren viele langweilige Viertel gebaut worden. Die Städte, die ich in meinem Buch aufgenommen habe, sind keine durchschnittlichen Städte. Sie sind auch oft ärmer.
Was haben Sie durch die Trips selbst über die Niederlande gelernt?
Dass das Land viel mehr ist, als die Metropolregion Randstad. Die Gebiete an den Rändern, auch an der deutschen Grenze, werden oft vergessen und verfallen. Alle Aufmerksamkeit – auch die der Regierung – konzentriert sich auf Amsterdam oder Rotterdam. Der Rest der Niederlanden hat das Gefühl, dass alle Medien in der Hauptstadt sitzen. Ich wollte mit meinem Buch diesen Rest des Landes zeigen.