Kreis Wesel. Nicht nur der Adler findet das Naturschutzgebiet Bislicher Insel attraktiv. Ein weiterer seltener Vogel ist zurückgekehrt.

Irgendetwas muss besonders sein auf der Bislicher Insel. Vor drei Jahren gelang in den Tiefen der Kernzone der erste Brutnachweis des Seeadlers in NRW. In diesem Jahr dann das gleiche in Weiß: Am 4. Mai entdeckte Ulrich Gräfer, Ranger beim RVR, dort bei einem Kontrollgang gleich mehrere besetzte Nester des Löfflers, wiederum die ersten, die je in unserem Bundesland dokumentiert wurden. Ornithologen vor Ort hatten die Entdeckung seit Jahren kommen sehen und im Jahr 2019 hatte die Biologische Station im Kreis Wesel an derselben Stelle einen Brutverdacht geäußert.

Seeadler und Löffler sind ungleiche Geschwister. Ersterer ist ein Riese selbst unter Greifvögeln, der unter Bussarden emporragt wie ein Bussard unter Tauben. Was ist ein Löffler? Die meisten haben von ihm wohl noch nie etwas gehört. Er ist weder gewaltig, noch ein Greifvogel. Knapp reihergroß, weiß, mit einem kurzen Federschopf, langen, schwarzen Beinen und ebensolchem Schnabel. Das namensgebende Werkzeug verbreitert sich an der Spitze zu einer orangegelben Löffelform.

Der Löffler filtert Nahrung mit dem Schnabel aus dem Wasser

Diese Schnabelform eignet sich hervorragend zum sogenannten Seihen: dabei schwenkt der Vogel die Schnabelspitze durch seichtes Wasser hin und her und filtert so Kleintiere heraus. Größere Nahrung wird hochgeworfen und verschluckt.

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Selbst Wasserbüffel lassen sich auf Bislicher Insel beobachten.
Von Andreas Böhme (Text) und Ralf Rottmann (Fotos)

Wie viele Löffelschnäbel auf der Bislicher Insel herangewachsen sind, lässt sich nicht sicher sagen. Die Biologische Station geht von zehn bis zwölf Paaren aus, maximal 15. Bei der letzten Kontrolle wurden 14 Jungtiere gezählt, von denen einige aber schon flugfähig waren. Möglicherweise waren also weitere Jungtiere schon ausgeflogen. Andererseits können einzelne auch zugeflogen sein, denn seit Jahren halten sich flügge Junglöffler an den Flutmulden auf der Bislicher Insel auf, von denen viele sicher von den nächsten Brutplätzen stammen: vierstellige Zahlen brüten mittlerweile sowohl an der niederländischen als auch an der deutschen Küste.

Löffler-Bestand ist im 20. Jahrhundert gesunken

Der Löffler brütete schon vor 1900 zahlreich in den Niederlanden, doch wegen der Zerstörung von Feuchtgebieten sank der Bestand im 20. Jahrhundert auf nur rund 500 Paare. Deutschland war damals unbesiedelt und erst seit 1995 gibt es regelmäßige Bruten. Seither ist der Bestand an der deutsch-niederländischen Nordseeküste auf knapp 5000 Paare angewachsen, Tendenz steigend. Seit mindestens 2003 rasten Jahr für Jahr Löffler auf der Bislicher Insel. Nach stetiger Zunahmewaren es zuletzt meist 40 bis 80 Exemplare, im Ausnahmejahr 2016 bis zu 248. Seit 2014 sind – vielleicht als Folge des Klimawandels – auch in jedem Winter einzelne Tiere zu sehen.

Warum die Bislicher Insel? Die Antwort lässt sich mit einem Wort fassen: Ruhe. Die breiteste, einseitige Flussaue im Kreis Wesel ist in ihrer Kernzone ein mehrere Quadratkilometer großes, unzerschnittenes Mosaik aus Auwald, Wasser, Grünland und Schilf.

Bislicher Insel ist eine Rarität

Außerhalb der Gebirgslagen ist dergleichen in ganz Deutschland eine Rarität, denn die Intensivierung von Landwirtschaft, Verkehr und Versiegelung lassen solche Gebiete kaum noch zu. Hier aber hat der RVR als Flächeneigentümer gemeinsam mit der Biologischen Station im Kreis Wesel in Sachen Naturschutz Ernst gemacht, damit haben Löffler und Seeadler alles, was sie brauchen.