An Rhein und Ruhr. Ministerpräsident Laschet will Wirten mit der Erlaubnis von Heizpilzen im Herbst und Winter helfen. Umweltschützer reagieren mit Unverständnis.

Sie sind als Klimakiller verpönt, mancherorts sogar verboten, sollen nun aber die Gaststätten in NRW vor dem Ruin retten: Heizpilze. Wegen der Corona-Pandemie bevorzugen viele Kunden einen Platz an der frischen Luft und dort sollen die Strahler dafür sorgen, dass Betriebe ihren Außenbereich länger nutzen können. Zumindest NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat sich für eine landesweite Erlaubnis ausgesprochen. Umweltschützer reagieren hingegen mit Unverständnis.

Die Zahlen sind alarmierend: 72 Prozent der NRW-Gaststätten sehen sich akut in ihrer Existenz gefährdet. Das geht aus einer Umfrage des Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga NRW) hervor. Demnach seien die Umsätze seit dem 1. März um rund 60 Prozent zurückgegangen. Ein Verlust „historischen Ausmaßes“, so Dehoga-Präsident Guido Zöllick. „Unsere Betriebe waren die ersten, die unter den Folgen der Coronavirus-Ausbreitung gelitten haben und werden in all ihren Betriebsformen die letzten sein, die wieder öffnen dürfen.“

Deutsche Umwelthilfe: Corona-Krise darf nicht missbraucht werden

Zahlreiche Gaststätten in NRW hoffen deshalb auf einen milden Herbst – und darauf, dass sie notfalls auch mit Heizstrahlern nachhelfen können. Die klimaschädlichen Geräte sind jedoch in manchen Kommunen verboten. Und das aus gutem Grund, meint Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: „Gasbetriebene Heizkörper, die eine Saison lang eingesetzt werden, sind so klimaschädlich wie zwei kleine Pkw.“ Zudem seien die Geräte ohnehin nur in einer bestimmten Übergangszeit einsetzbar. „In dieser Phase empfehlen wir Windschutz, gepolsterte Sitze oder Decken.“

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Die Corona-Krise dürfe nicht missbraucht werden, um Klimaziele zu schleifen. „Wenn Unternehmen die Kosten für einen neuen Heizstrahler für mehrere Jahre abschreiben, müssen die Geräte auch über einen längeren Zeitraum nutzbar sein“, so Resch. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe befürchtet, dass nur ein Vorwand gesucht werde, um Heizstrahler bundesweit über Jahre hinweg zu erlauben. „Wir müssen auch in Corona-Zeiten das übergeordnete Ziel des Klimaschutzes beachten“, mahnt Resch.

„Existenz der Gaststätten ist im Moment wichtiger“

Britta Juffernholz, Betreiberin des Restaurants Fährhaus in Wesel, verweist hingegen auf die wirtschaftliche Notlage im Gastgewerbe. „Kleinere Betriebe sind auf die zusätzlichen Einnahmen angewiesen“, so Juffernholz. Klimaschutz sei ein wichtiges Thema, „aber wir sollten die Kirche auch mal im Dorf lassen.“ Um die ausgebliebenen Einnahmen zu kompensieren, habe sie sich spontan eine Infrarotheizung zugelegt und ein großes Zelt gekauft. So könne der Außenbereich mit derzeit rund 160 Sitzen ganzjährig geöffnet bleiben. „Das war ursprünglich nicht geplant.“

Auch Johannes Langhoff, Geschäftsführer der Brauhaus Urfels Gastronomie in Duisburg-Walsum, arbeitet an einer Lösung, um die Außenterrasse in diesem Jahr möglichst lange nutzen zu können. „Natürlich spielt die Umwelt in unseren Überlegungen immer eine Rolle, aber die Existenz der Gaststätten ist im Moment wichtiger.“ Im Innenbereich habe er die Sitzplätze von 180 auf 90 reduzieren müssen. „Außerdem stellen wir fest, dass sich die Gäste seit der Corona-Krise lieber nach draußen setzen wollen.“

Maßnahmen für Gastronomie im Innenbereich möglich machen

Eine Entwicklung, die auch Isa Fiedler beobachtet hat: „Wir müssen es schaffen, dass sich die Kunden in geschlossenen Räumen wieder sicher fühlen“, fordert die Sprecherin der Altstadtwirte in Düsseldorf. Sie selbst habe sich für ihre Party-Kneipe „Knoten“ einen neuen Luftreiniger angeschafft.

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Zustimmung erntet Fiedler von Dirk Jansen, Geschäftsleiter des BUND in NRW. „Was uns wirklich weiterbringt, sind Maßnahmen, die Gastronomie im Innenbereich möglich machen.“ Stattdessen werde nun eine Scheindebatte geführt, die das wesentliche Problem des Gastgewerbes nicht lösen könne.

Allerdings trägt diese Debatte nicht häufig auch Früchte. So gab es die Diskussion um den Einsatz von Heizpilzen schon in mehreren Städten an Rhein und Ruhr – meist den größeren. Tatsächlich eingeführt wurde ein solches Verbot aber nur in wenigen – beispielsweise 2012 in Essen. Und im Zuge der Corona-Pandemie erwägt die Stadt nun, es wieder auszusetzen. Am Donnerstag soll darüber im Bau- und Verwaltungsausschuss beraten werden.

Lüdenscheid kippt jüngst eingeführtes Heizpilz-Verbot

Sollte sich die Stadt dafür entscheiden würde sie dem Beispiel Lüdenscheids folgen. Die sauerländische Kreisstadt hatte als erste in NRW ihr Heizpilz-Verbot zunächst bis April 2021 wieder gekippt. Erst Ende 2019 war es eingeführt worden.

In Düsseldorf standen zumindest vor Corona die Zeichen für ein Heizpilz-Verbot noch günstig: Der Jugendrat hatte sich für das Thema stark gemacht und zuletzt hatte die Stadtverwaltung damit begonnen die Möglichkeit eines Verbots zu prüfen und das Gespräch mit Gastronomen gesucht. Im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2020 sollen die Ergebnisse dem Umweltausschuss vorgelegt werden.

Derweil betrifft das Thema die meisten kleineren Orte am Niederrhein gar nicht – zum Teil spielen Heizpilze hier eine so geringe Rolle, dass es kaum bis keine Vorgaben gibt, was ihren Einsatz betrifft. Einzig die Stadt Xanten lehnt den Einsatz gasbetriebener Heizstrahler ab, erlaubt hingegen explizit die strombetriebene Infrarot-Variante.