Aus den Niederlanden. In den Niederlanden ist die aktive Sterbehilfe im Gegensatz zu Deutschland erlaubt – selbst bei Demenzerkrankten. Doch die Regeln sind streng.

Im großen Niederlande-Check wollte die NRZ wissen, wie die Menschen in der Region über unser Nachbarland denken. Dabei kam heraus: Sie sehen die Niederlande als großes Vorbild in Sachen Liberalität. Besonders beschäftigt hat die Teilnehmenden das Thema Sterbehilfe. Rund 76 Prozent haben angegeben, dass die Gesetze dazu in Deutschland genauso liberal sein sollten, wie bei unseren Nachbarn. Wir nehmen deshalb die Sterbehilfe-Regelungen in den Niederlanden genauer in den Blick.

Anders als in Deutschland, ist in den Niederlanden neben der passiven Sterbehilfe auch die aktive Sterbehilfe erlaubt - das heißt, Ärzte dürfen ein tödliches Medikament selbst verabreichen. Warum unterscheidet sich aber die niederländische Gesetzgebung in dieser Frage so sehr von der deutschen?

Regelung für Sterbehilfe unterscheiden sich zwischen Deutschland und Niederlanden

Professor Friso Wielenga ist Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Universität Münster – und hat sich in seinen Forschungen mit den gesellschaftlichen und politischen Unterschieden der beiden Nachbarländer befasst. Er sagt: „Das Thema Sterbehilfe ist in Deutschland aufgrund der NS-Vergangenheit historisch vorbelastet.“ In den Niederlanden sei der Begriff „euthanasie“ hingegen „kein Problem“, so werde die Sterbehilfe dort in der Regel auch bezeichnet.

Es gebe zwar sehr klare Regelungen für die Sterbehilfe, so Friso Wielenga. Diese ließen allerdings den niederländischen Bürgern viel mehr Spielraum als in Deutschland. So ist die aktive Sterbehilfe bei unseren Nachbarn auch bei schweren körperlichen und psychischen Erkrankungen möglich, unter bestimmten Voraussetzungen sogar bei Kindern.

Niederlande: Wenige Sterbehilfeanfragen aus dem Ausland

Doch die Auflagen für eine Tötung auf Verlangen in den Niederlanden sind streng: Der Wunsch nach Sterbehilfe muss laut der niederländischen Regierung freiwillig und „wohl überlegt“ sein, es muss ein „aussichtsloses“, medizinisches Leiden vorliegen – das müssen zwei Ärzte unabhängig voneinander bestätigen. Eine Besonderheit lässt das niederländische Gesetz zu: Es ist ausdrücklich möglich, aus dem Ausland einen Antrag auf Sterbehilfe in den Niederlanden zu stellen. Ein Schlupfloch für Patienten aus Deutschland, die hier keine aktive Sterbehilfe bekommen?

„Wir erhalten wenig Nachfragen zu Sterbehilfe in den Niederlanden“, sagt Oliver Kirpal von der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben. „Von denjenigen, die gezielt nach Sterbehilfe im Nachbarland fragen, glauben viele: Da kriege ich den schnellen Tod“, beobachtet Elke Simon vom Patientenschutztelefon der Deutschen Stiftung Patientenschutz in Dortmund.

Das ist aber ein Irrtum. Von einem „Suizid- oder Sterbehilfe-Tourismus“ – wie er in den vergangene Jahren oft der Schweiz nachgesagt wurde – kann in den Niederlanden nicht die Rede sein. Beim niederländischen Expertisezentrum für Sterbehilfe gehen nur wenige Anträge aus dem Ausland ein. Offizielle Zahlen dazu werden nicht geführt. Ein Grund dafür könnte auch sein: Wer in den Niederlanden Sterbehilfe beantragt, muss auch einen Wohnsitz in den Niederlanden vorweisen, so das Expertisezentrum für Sterbehilfe.

Sterbehilfe für Demenzerkrankte in Niederlanden zulässig

Während in den Niederlanden laut einer Umfrage des Forschungsinstituts Centraal Planbureau im vergangenen Jahr gut 87 Prozent der Bevölkerung hinter den Sterbehilfe-Regelungen in den Niederlanden stehen, ist eine gesetzliche Änderung in Deutschland so schnell nicht vorstellbar. Die Diskussion über das selbstbestimmte Lebensende wird also noch weitergehen.

Zwar hatte das Bundesverfassungsgericht erst im Februar geurteilt, dass es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben mit freiwilliger Hilfe Dritter gibt. Die aktive Sterbehilfe umfasst das aber nicht. Die Niederlande sind im Gegensatz dazu im April noch einen Schritt weiter gegangen: Aktive Sterbehilfe ist laut höchstrichterlichem Urteil unter Auflagen auch bei Demenzerkrankten zulässig.