Kinder müssen Masken auf Schulhöfen tragen, Erwachsene bei Comedy-Veranstaltungen nicht. Das irritiert und gefährdet die Akzeptanz von Maßnahmen.
Der Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus ist immer einer, der auf Sicht geführt wird. Lockerungen und Beschränkungen sind vom Infektionsgeschehen abhängig. Was heute gilt, kann morgen über den Haufen geworfen werden. Die Ungewissheit war in den vergangenen Monaten ein steter Begleiter. Eine Konstante gab es: Der überwiegende Teil der Menschen in Deutschland hat Vertrauen in die staatlichen Maßnahmen.
Dieses Vertrauen darauf, dass sie zielführend und angemessen sind, ist die wichtigste Währung im Kampf gegen das Virus. Die Zahl der Neuinfektionen wird maßgeblich vom Verhalten der Menschen bestimmt; bei Bürgern darf deswegen nicht der Eindruck wachsen, staatliche Maßnahmen seien beliebig oder nicht mehr nachvollziehbar.
2,5 Millionen Kinder müssen Masken tragen
In dieser Woche hat in Nordrhein-Westfalen die Schule begonnen. 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche müssen auf dem Schulhof Masken tragen, in den weiterführenden Schulen gilt die Maskenpflicht auch im Unterricht. Prinzipiell nachvollziehbar. Wenn Schulen wegen Corona-Ausbrüchen schließen müssen und wieder virtuell unterrichtet wird, droht eine weitere Vertiefung des Bildungsgrabens.
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Wer aber will, dass Bilder wie die vom Schulbeginn hingenommen werden, obwohl sie so verstörend sind, sollte tunlichst verhindern, dass solche Fotos wie die produziert werden, die am vergangenen Freitag in Dinslaken aufgenommen wurden. Dort trat der Comedian Markus Krebs im Burgtheater vor 1000 Besuchern auf. Alle saßen dicht an dicht, kaum ein Mensch trug Maske.
Gesundheitsministerium sieht keinen Verstoß
Die Veranstaltung war vom Kreisgesundheitsamt genehmigt worden, der Veranstalter hatte ein Hygienekonzept vorgelegt, das unter anderem feste Sitzplätze vorsah und damit die theoretische Rückverfolgbarkeit bei einem Infektionsausbruch. In den sozialen Medien sorgten die Bilder der Veranstaltung für erhebliche Irritationen.
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Das Landesgesundheitsministerium sah im Nachhinein keinen Verstoß gegen die Corona-Schutzverordnung. Bei Kulturveranstaltungen mit mehr als 300 Zuschauern könne „das Erfordernis eines Mindestabstands von 1,5 Metern zwischen Personen durch die Sicherstellung der sogenannten besonderen Rückverfolgbarkeit ersetzt werden“.
Je mehr Widersprüche, desto weniger Vertrauen
1000 Menschen dürfen eng an eng und ohne Masken nebeneinander sitzen und lachen und quatschen. Corona-skeptische Demonstranten werden von der Politik scharf kritisiert, wenn sie ohne Maske und Abstand auf der Straße sind. Die politische Debatte nach der Großkundgebung in Berlin verstieg sich bis hin zu Forderungen nach einer Einschränkung des Demonstrationsrechts. Kinder auf einem Schulhof müssen Masken tragen, aber nicht in allen Bundesländern. Das in Einklang zu bringen, fällt schwer.
Je mehr Widersprüchlichkeiten, desto größer werden die Risse im Vertrauens-Fundament, desto größer ist die Gefahr, dass Bürger Auflagen nur noch schulterzuckend zur Kenntnis nehmen, sich aber nicht mehr darum scheren. Im Falle Dinslaken gelte es zu betonen, „dass es sich um eine freiwillige Veranstaltung handelt – nicht um eine Pflichtveranstaltung“, teilte das Gesundheitsministerium mit. Sind Fußballspiele, die noch immer vor leeren Rängen stattfinden müssen, etwa keine freiwilligen Veranstaltungen? Oder das Konzert in Düsseldorf, das zum Politikum wurde?
Politische Querelen um Düsseldorf-Konzert
Bei diesem für den 4. September geplanten Konzert sieht das Hygienekonzept des Veranstalters vor, dass alle Besucher Masken durchgehend tragen müssen, obwohl auch dort die Sitzplätze fest zugeordnet sind. Trotzdem kritisierte die Landesregierung diese Veranstaltung im Vorhinein, Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) monierte, es habe keine Abstimmung des Düsseldorfer Gesundheitsamtes mit seinem Haus gegeben, Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) gab zu Protokoll, er halte das Event „für kein gutes Signal“, und nicht wenige Beobachter hatten den Eindruck, es werde ein Fehde ausgefochten mit Thomas Geisel, dem SPD-Oberbürgermeister der Landeshauptstadt.
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Jetzt soll es stattfinden, falls das Infektionsgeschehen mitspielt. Eine gesichtswahrende Lösung für alle Beteiligten. Ging es also doch nur um Eifersüchteleien zwischen Behörden und politische Auseinandersetzungen vor den Kommunalwahlen?
Es wird lange dauern, bis es einen Impfstoff gibt. Bis dahin wird der Bevölkerung viel Leidensfähigkeit und Disziplin abgefordert. Was staatliche Stellen leisten müssen: dass Maßnahmen stringent, konsequent und transparent sind – und dass sie ohne politische Spielereien umgesetzt werden. Für Spielchen ist die Situation einfach zu ernst.