Oberhausen. Im Friedensdorf International warten Kinder auf den Rückflug nach Hause. Die Corona-Krise stellt die Helfer in Oberhausen vor etliche Probleme.

Neugierig hängen die Kleinen am Zaun des Bolzplatzes und plappern durcheinander. Ob dieses Corona wohl überall ist? Auch in Angola? Oder Afghanistan? Ob es für Mama gefährlich sein kann? Aber Sonne mag es nicht, oder? Natürlich beschäftigt das Virus auch die Kinder im Friedensdorf. Es ist der Grund dafür, dass viele von ihnen noch immer in Deutschland sind, obwohl sie längst zu Hause sein könnten.

Seit über 50 Jahren holen die Helfer des Friedensdorfs International in Oberhausen kranke und verletzte Kinder aus Kriegs- und Konfliktgebieten, um sie in Deutschland behandeln zu lassen. Die Corona-Pandemie stellt sie vor Herausforderungen, wie es sie das Friedensdorf in den vergangenen Jahrzehnten noch nicht erlebt hat.

José, 16, mit seiner höchst eigenwilligen Frisur, ein bisschen Hahn, ein bisschen Dreadlocks, jongliert mit dem Ball, und das ist ein sehr gutes Zeichen, weil sein Bein wieder okay ist. Der Junge aus Angola hatte eine schwere Knochenentzündung, eine langwierige Sache. „Ich hätte im Mai zurückfliegen sollen“, erzählt er, das wäre schön gewesen, weil er nach fast zwei Jahren seine Eltern und seine Geschwister wiedergesehen hätte. Er muss aber bleiben, wie lange, ist ungewiss.

40 Kinder aus Angola könnten zurück in die Heimat

„Wir haben fast 40 Kinder aus Angola, die nach Hause könnten“, sagt Claudia Peppmüller, die Sprecherin des Friedensdorfes. Aber es geht eben nichts mehr. Keine Flüge nach Angola, nach Kirgistan, Usbekistan, Tadschikistan, nach Kambodscha oder Afghanistan. Auch Teena, die so oft in Deutschland war, dass sie darauf besteht, Tina geschrieben zu werden, wird wohl im August nicht wie geplant in die afghanische Heimat zurückfliegen können.

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Tina mit den langen geflochtenen Zöpfen stammt aus Herat, einer vergleichsweise sicheren Region im Westen Afghanistans, auch sie hat unter einer Knochenentzündung am Bein gelitten. Mit sechs Jahren war sie zum ersten Mal hier, jetzt ist sie elf, und sie ist froh darüber, „weil ich wieder gesund bin“, erzählt sie ein wenig schüchtern. Aber das Heimweh plagt sie, besonders die Trennung von ihrem Vater macht ihr zu schaffen, aber auch das Fußballspielen mit ihrem Bruder fehlt ihr und die Schule, die sie in Afghanistan besucht. Sie ist wütend auf „das doofe Corona“.

„Wir wissen einfach nicht, wann wir wieder fliegen können“, sagt Peppmüller. Wie genau die Corona-Lage in den Heimatländern der Kinder ist, ist schwer einzuschätzen. In Entwicklungsländern gibt es wenige Testmöglichkeiten, wenn sie von Kriegen und Konflikten erschüttert werden, ist das Lagebild noch unüberschaubarer.

Düstere Bilder zur Corona-Situation in anderen Ländern

Die Projektpartner, mit denen die Leute vom Friedensdorf International vor Ort zusammenarbeiten, um die Kinder auszusuchen, aber auch Hilfe vor Ort leisten zu können, malen allerdings düstere Bilder. „Ganz Kirgistan ist wie ein Krankenhaus“, hat eine Projektpartnerin berichtet. In Kambodscha konnten die Müllsammler nicht mehr arbeiten, deren Kinder das Friedensdorf unterstützt. In Usbekistan fielen Herz-Operationen aus. In Armenien oder Tadschikistan litten Physio-Projekte. Medikamente gehen mancherorts aus, Lebensmittelpreise explodieren. Es sind schwierige Zeiten. Kürzlich haben die Helfer vom Friedensdorf es geschafft, Medikamente mit einem Frachtflugzeug nach Angola zu schaffen, das ist ein großer Erfolg in diesen Tagen.

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Von Michael Backfisch, Martin Gehlen und Fabian Kretschmer

169 Kinder betreut das Friedensdorf International derzeit insgesamt, 140 davon leben in den Wohnhäusern auf dem Campus in Oberhausen, die anderen sind in Krankenhäusern quer durch die Republik verteilt, wo sie größtenteils kostenlos behandelt werden. Als Deutschland im März einen Corona-Tsunami erwartete, sagten die Krankenhäuser aufschiebbare Operationen ab. „Auch einige von unseren Kindern wurden nicht behandelt“, erzählt Claudia Peppmüller. Noch ein Problem.

Dazu kommen die Spendenrückgänge. „Zu Beginn der Krise sind die Spenden eingebrochen“, sagt Peppmüller, und sie hat wenig Hoffnung, dass das in diesem Jahr signifikant besser wird. „Die Menschen in Deutschland sind verunsichert, sie wissen ja nicht, ob sie ihre Arbeitsplätze behalten werden.“

Ein Lichtblick: Bau eines neuen Reha-Zentrums liegt im Plan

Im Herzen des Friedensdorfes bauen sie gerade ein operatives Zentrum, in dem Ärzte kleinere Eingriffe an den Kindern vornehmen können, samt einer Etage für Reha-Maßnahmen. Das bedeutet mehr Unabhängigkeit, die freien Betten in den Krankenhäusern sind in den vergangenen Jahren weniger geworden. Drei Millionen Euro haben sie für den Bau veranschlagt, und wie es ausschaut, halten sie den Kostenrahmen. „Die Corona-Krise hat keinen Einfluss auf die Bauarbeiten gehabt“, sagt Thomas Killmann, der das Projekt betreut. Wenn es weiter so gut läuft, werden sie gegen Ende des Jahres fertig sein. Immerhin ein Lichtblick.