Im Rheinland. „Ich finde Gott in den vielen lebendigen Gesten menschlicher Zuwendung“, schreibt Barbara Rudolph von der Rheinischen Kirche in einem Blog..

Eine tückische Krankheit, die eben nicht nur in fernen Ländern grassiert, Einsamkeit, Ohnmacht, von jetzt auf gleich Sorgen um die wirtschaftliche Existenz, Menschen, die Angehörige in Pflegeheimen oder Krankenhäusern nicht besuchen können, Beerdigungen, zu denen nicht die ganze Familie kommen darf: Die Erfahrungen in der Corona-Zeit haben für Erschütterungen gesorgt - und tun es noch. Wo gibt es Trost?

Stützen, Orientierung geben: Für Pfarrerinnen und Pfarrer der rheinischen Landeskirche sei das in Corona-Zeiten eine besondere Aufgabe, sagt Oberkirchenrätin Barbara Rudolph von der Evangelischen Kirche im Rheinland im Gespräch mit der Redaktion (20. Juni 2020). Einzelne Menschen zu begleiten, die wegen einer Krebserkrankung im Endstadium ins Fragen kommen - darin habe man Erfahrung. Eine so breite gesellschaftliche Erschütterung wie jetzt jedoch habe man hierzulande seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt, das sei neu.

Nachbarschaft und Nächstenliebe neu entdeckt

„Wo ist Gott in all dem Unverständlichen und Bösen?“ Dieser Frage hat sich Rudolph, die bei der Landeskirche in Düsseldorf die Abteilung Theologie und Ökumene leitet, in einem aktuellen Beitrag zum Präsesblog gewidmet. „An uns Pfarrerinnen und Pfarrer ist die Frage meiner Erfahrung nach gar nicht so direkt herangetragen worden“, berichtet Rudolph. Stattdessen habe man von Angehörigen gehört: „Das hat mein Vater nicht verdient!“ Oder: „Das uns das jetzt passieren muss!“ Auch wenn es mittlerweile Lockerungen gibt - besonders belastend, auch für Angehörige, sei die Situation von Menschen in Krankenhäusern und Heimen, gerade von dementen Menschen.

„Ich finde Gott – nicht ein für alle Mal, aber für diesen Moment: Oberkirchenrätin Barbara Rudolph
„Ich finde Gott – nicht ein für alle Mal, aber für diesen Moment: Oberkirchenrätin Barbara Rudolph © Ekir | Ekir

Es passieren in Corona-Zeiten aber eben auch positive Dinge. Rudolph rät, auch diese zu sehen, und verweist auf eine bis dahin beispiellose Welle von praktischer Nachbarschaftshilfe und Anteilnahme - etwa in Form eines Anrufs mit der schlichten Frage, wie es einem in diesen Zeiten gehe. „Menschen haben Nachbarschaft und Nächstenliebe für sich entdeckt“, sagt die Oberkirchenrätin, die früher Gemeindepfarrerin in Moers-Meerbeck war.

„Dann ist es noch nicht das Ende“

Dass Menschen in solchen Zeiten ins Fragen kommen, sei gerechtfertigt, betont Rudolph im Gespräch mit der Redaktion. Der Blick in die Bibel zeige, dass Menschen zu jener Zeit auch Fragen gestellt haben - etwa im Psalm 13: „Wie lange noch verbirgst du dein Angesicht? Wie lange noch soll ich mich täglich ängsten in meinem Herzen?“ In der Frage nach dem „Wie lange noch“ schwinge mit, dass es ein Ende geben wird, ein gutes Ende. „Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“, so die Theologin.

In dem Blog schreibt sie: „Ich finde Gott in den vielen lebendigen Gesten menschlicher Zuwendung.“ Und ebenso finde sie Gott bei den Fragen der Menschen, die sich nicht abfinden, weil eben noch nicht alles gut sei: „Ich finde Gott – nicht ein für alle Mal, aber für diesen Moment“, stellt Rudolph in ihrem Online-Beitrag fest.

Corona-Gedanken zu Charthits bei YouTube

Apropos Online: Während des Corona-Lockdowns waren keine Präsenz-Gottesdienste möglich. Angebote der Kirchen im Internet wurden verstärkt geklickt; digitale Angebote wurden weiterentwickelt oder auch ganz neu ins Netz gestellt. Im Gespräch mit der Redaktion berichtet Oberkirchenrätin Rudolph beispielhaft von einem Pfarrer, der Hits aus den Charts bei YouTube einstellte, verbunden mit Gedanken zum Lied im Kontext zur Corona-Situation.

Solche digitalen Angebote werden nach Einschätzung von Rudolph auch künftig Bestand haben – wohlgemerkt: ergänzend zu den jetzt unter bestimmten Bedingungen wieder möglichen Präsenz-Gottesdiensten. Dass man bei den digitalen Angeboten interagieren könne, mitchatten könne, spiegele „eine uralte evangelische Idee“ wider: „Das Priestertum aller Gläubigen - jeder ist für seinen Glauben verantwortlich“, sagte Rudolph.