An Rhein und Ruhr. Bezieher von Hartz IV haben ein 84 Prozent höheres Risiko, wegen Corona ins Krankenhaus zu müssen. Woran das liegt, erklärt Professor Dragano.
Arbeitslose Menschen sind erheblich stärker gefährdet, wegen einer Covid-19-Erkrankung ins Krankenhaus zu kommen. Das hat eine Analyse des Instituts für Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums Düsseldorf von Daten der AOK Rheinland/Hamburg ergeben.
Anhand der Daten von mehr als 1,3 Millionen Versicherten wurde ausgewertet, ob Menschen in Arbeitslosigkeit (ALG I und ALG II) oder Sozialhilfe häufiger wegen Corona in einer Klinik behandelt werden mussten als Erwerbstätige. Ergebnis: Seit Jahresanfang ist das Risiko für Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) um 84 Prozent erhöht. Arbeitslosengeld-I-Empfänger hatten ein um 17,5 Prozent höheres Risiko, Alter und Geschlecht spielten keine Rolle. Wir haben nachgefragt, woran das liegen könnte.
Herr Prof. Dragano, nach Ihren Untersuchungen haben Bezieher von Hartz-IV ein fast doppelt so hohes Risiko wegen einer Covid-19-Erkrankung in eine Klinik zu kommen – hat Sie der Befund überrascht?
Es gab Berichte aus den USA und Großbritannien, die in eine ähnliche Richtung deuteten und ähnliches haben wir auch schon bei früheren Grippewellen gesehen. Insofern erst einmal nicht. Wir wissen: Armut ist ein Gesundheitsrisiko.
Woran liegt das? Gibt es bei Covid 19 spezielle Faktoren?
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Arbeitslosigkeit ist gesundheitlich belastend und viele Menschen in dieser Gruppe haben Vorerkrankungen. Das Stigma und die psychische Belastung durch Armut kann etwa zu Stress führen und auch das Gesundheitsverhalten negativ beeinflussen. Es könnte auch etwas mit beengteren Wohnverhältnissen zu tun zu haben, so dass sich Infizierte schlecht zu Hause kurieren können und schneller in Kliniken eingewiesen werden.
Was folgern Sie jetzt aus diesen Forschungsergebnissen?
Wir sollten soziale und ökonomische Faktoren in möglichst vielen Studien mit berücksichtigen. Es wird gerade unter Hochdruck geforscht, da muss die soziale Komponente dringend mit berücksichtigt werden. Mit diesen Versicherungsdaten nur einer Krankenkasse können wir noch nicht tief genug in die Ursachenforschung gehen. Wir haben vor wenigen Wochen angefangen und die Daten der AOK ausgewertet, das sind zunächst mal nur die Daten über die Klinikaufenthalte seit Anfang des Jahres, mehr haben wir noch nicht.
Können Sie Empfehlungen geben, was Arbeitslose in Corona-Zeiten tun können?
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Das ist schwierig, weil ein Faktor Vorerkrankungen wie Herz-Kreislauf-Probleme, Diabetes sind, die bei Arbeitslosen häufiger auftreten. Wir können aber im Gesundheitssystem dafür sorgen, dass diese Menschen so gut wie möglich versorgt werden, dass das Infektionsrisiko gering gehalten wird und man sich um Infizierte mit geringen Einkommen besonders gut kümmert. Leute, die einen guten Job haben und im Home-Office arbeiten, tun sich beispielsweise leichter, sich noch auf den Hometrainer zu schwingen oder joggen zu gehen. Diese Ressourcen haben sie oft nicht, wenn sie vier oder fünf Jahre arbeitslos sind. Wenn Menschen dann trotzdem ins Krankenhaus kommen, werden sie in Deutschland sehr gut versorgt. Die Frage ist, erreichen wir diese Menschen auch mit Präventionsangeboten. Da sehe ich Verbesserungsbedarf, insbesondere was das Verhindern von Vorerkrankungen angeht.
Das Fachgebiet - und die Person: Seit rund 70 Jahren gibt es die Disziplin der Medizinischen Soziologie, die erforscht wie Gesellschaft mit Krankheit und Kranken umgeht und welche Faktoren zu Gesundheit und Krankheit beitragen. Seit 1972 gibt es die Deutsche Gesellschaft für Medizinische Soziologie. Zufällig auch das Geburtsjahr von Prof. Dr. Nico Dragano. Der Mann aus Haan studierte in Düsseldorf Soziologie, Medien- und Politikwissenschaft, war freier Journalist und forschte unter anderem in London und Essen. Seit sieben Jahren ist er Professor, seit 2012 Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Düsseldorf.