Am Niederrhein. Die Stimmung hat sich in der Wirtschaft in der Region etwas aufgehellt, die Lage bleibt aber extrem kritisch. Deutlich weniger Azubi-Verträge.

Angesichts von Corona-Lockerungen und staatlichen Hilfspaketen hat sich die Stimmung in der Wirtschaft wieder etwas aufgehellt. Wegen dramatischer Umsatzeinbußen fürchten laut einer aktuellen Umfrage der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK) trotzdem immer noch 9% der Unternehmen zwischen Duisburg und Emmerich eine Insolvenz - umgerechnet rund 6000 Betriebe.

"Und da sind das Handwerk und die Freiberufler noch gar nicht dabei", mahnte IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Dietzfelbinger an diesem Dienstag (9. Juni 2020). Die Umfrage an der sich 318 der Kammer angeschlossene Betriebe mit insgesamt 44.000 Beschäftigten beteiligt hatten, gibt die Einschätzung der Unternehmen wieder. Kammer-Experten fürchten, dass es ab Spätsommer/Herbst dann auch tatsächlich vermehrt zu Insolvenzen kommen könnte.

Ausdrückliches Lob für die Politik

Bereiche wie das Messegewerbe, Schausteller oder Caterer würden nicht nur auf Monate, sondern vermutlich mindestens im gesamten Jahr keine nennenswerte Umsätze generieren, warnte IHK-Präsident Burkhard Landers. Hier seien gewiss weitere staatlichen Hilfen nötig. Landers betonte aber ausdrücklich, dass es bei der Wirtschaft viel Zustimmung und Anerkennung für die bereits auf den Weg gebrachten wie auch die noch geplanten Hilfen gebe.

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"Die Maßnahmen waren gut, schnell - und auch richtig", erklärte der IHK-Präsident. Beim Konjunkturpaket lobte er insbesondere die Senkung der Mehrwertsteuer wie die Deckelung der EEG-Umlage, die mit Blick auf die energieintensiven Branchen in der Region ganz wichtig sei, so Landers weiter. Die staatliche Unterstützung zeige bereits positive Wirkung. Bei einer IHK-Umfrage vor einigen Wochen hatten noch 15% akut eine Insolvenz befürchtet.

IHK-Vorstoß: Frachtflüge ab Weeze?

Von den Kommunen vor Ort sei weitere ganz praktische Hilfe möglich - häufig gebe es sie ja auch schon, etwa wenn es um die Stundung von Gebühren oder die Erweiterung von Außengastronomien geht. Wichtig sei auch, dass Gewerbeflächen zur Verfügung stehen: "Wenn jemand jetzt investieren will, darf das daran nicht scheitern", forderte Landers.

Die Corona-Krise verlangt aus Sicht der Niederrheinischen IHK auch "kreative Lösungen". Sie regt eine zeitweilige Aufhebung des Nachtflugverbotes am Flughafen Weeze an. Damit solle ausgelotet werden, ob der Airport auch für Frachtflüge attraktiv ist. Diese konzentrieren sich in NRW bisher auf Köln/Bonn.

Widerspruch vom scheidenden Flughafen-Chef

"Ob die Frachtflieger dann wirklich nach Weeze kommen, muss man sehen", sagte Dietzfelbinger. Der Kammer gehe es bei dem Vorstoß darum, den Flughafen Weeze als Infrastruktur für die Region zu sichern. Die Corona-Krise hat den Flughafenverkehr zum Erliegen und den Airport (wie andere auch) in schwere wirtschaftliche Nöte gebracht.

Mit Weezes scheidendem Geschäftsführer Ludger van Bebber scheint der Vorstoß freilich nicht abgesprochen. Er sieht "keinen Bedarf". Im Juli werde der Betrieb wieder in Weeze starten: "Wir und hoffen, dass Fliegen bald wieder zum Alltag gehören wird“, sagte van Bebber auf Nachfrage der Redaktion.

25% weniger Ausbildungsverträge aus sonst

Mit großer Sorge sieht man bei der Niederrheinischen IHK, dass angesichts der Coronakrise aktuell deutlich weniger neue Ausbildungsverträge geschlossen werden als sonst. Aktuell liege ihre Zahl um 25% unter dem eigentlich für die Jahreszeit üblichen Stand, was IHK-Präsident Landers auf die Unsicherheit zurückführt - einmal bei den Betrieben, zum anderen aber auch bei Jugendlichen selbst und deren Eltern.

Landers hält das für sehr bedenklich: "Der Bedarf an Fachkräfte wird ja nicht kleiner." Der IHK-Präsident geht davon aus, dass schlussendlich sogar mehr Lehrstellen als sonst benötigt werden (zum Beispiel weil Jugendliche nach der Schule auf einen Auslandsaufenthalt verzichten.

Kammern sprechen gezielt Firmen an

Die Kammern in NRW bemühten sich deshalb aktuell verstärkt darum, dass Firmen zusätzliche Ausbildungsplätze. Auch hier gehe es um flexible Lösungen - etwa um die Anerkennung eines Ausbildungsbeginns noch bis Jahresende. Landers ermunterte Jugendliche, sich ebenfalls verstärkt um Lehrstellen zu bemühen. (mit HoyHo)