Aus den Niederlanden. Wie gehen niederländische Unternehmen mit der Krise um? Das sagt Günter Gülker von der Deutsch-Niederländischen Handelskammer zur Wirtschaftslage.
Die Corona-Pandemie kennt keine Grenzen. Wie Deutschland haben auch die Niederlande mit den Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft zu kämpfen. Wie die Unternehmen in beiden Ländern durch die Krise kommen, erklärt Günter Gülker, Geschäftsführer der Deutsch-Niederländischen Handelskammer (DNHK), im Interview mit unserer Redaktion.
Konjunktur und Corona: Welche Wirtschaftsbereiche sind in den Niederlanden besonders durch die Krise betroffen?
Günter Gülker: Die Branchenstruktur in Deutschland und in den Niederlanden ist durchaus vergleichbar, auch wenn die Automobilindustrie in den Niederlanden weniger stark vertreten ist. Im Nachbarland sind vor allem die Gastronomie und Veranstaltungsbranche von der Corona-Krise betroffen. Sie sind hier sehr stark, pro Jahr gibt es beispielsweise rund 1000 Festivals.
Wie sieht die Wirtschaftslage im Vergleich zu Deutschland aus?
Die Konjunkturdaten sehen ziemlich ähnlich aus: Im ersten Quartal des Jahres verzeichneten die Niederlande ein Wirtschaftsminus von 1,7 Prozent, Deutschland ein Minus von 2,2 Prozent. Das ist beides nicht gut, aber im europäischen Durchschnitt von minus 3,8 Prozent noch in Ordnung. Beide Länder sind gut vergleichbar. Sie haben eine starke Wirtschaft und relativ gesunde Staatshaushalte – darum können sie jetzt Geld in die Hand nehmen.
Wie unterscheiden sich die Finanzhilfen für Unternehmen in beiden Ländern?
Die Pakete sind ähnlich geschnürt, zum Beispiel die Soforthilfen für Kleinunternehmen. Es gibt auch in den Niederlanden Steuerstundungen und Kredite, unter anderem speziell für Start-ups. Niederländische Unternehmen, die Umsatzverluste von mindestens 20 Prozent erwarten, konnten bereits drei Monate lang einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 90 Prozent erhalten. Diese Maßnahme wird nun noch einmal um vier Monate verlängert. Das hat im Vergleich zum deutschen Kurzarbeitergeld den Vorteil, dass die Mitarbeiter Vollzeit einsetzbar bleiben und somit die Unternehmen handlungsfähiger sind. Die Regelung ist großzügig. Wie in Deutschland gibt es in den Niederlanden weitere Soforthilfen für Unternehmen in Höhe von bis zu 50.000 Euro. Diese ergänzen die Lohnkostenzuschüsse und sind für die Fixkosten der Unternehmen bestimmt. Die Arbeitgeberverbände in den Niederlanden zeigen sich mit den Maßnahmen zufrieden.
Und die Arbeitnehmerverbände?
Die Maßnahmen der Regierung finden einen breiten Konsens in der Gesellschaft, dazu gehören auch die Gewerkschaften.
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Wo gibt es nach Ansicht der DNHK noch Handlungsbedarf, welche Hilfen greifen oder erfüllen ihren Zweck nicht?
Die Grenzen müssen offen bleiben – das war für uns erste Priorität. Für den Handel ist das überlebenswichtig. Durch den Einsatz von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat das gut geklappt hat, darüber freuen wir uns. Der zweite Punkt war, dass zunächst eine grenzüberschreitende Perspektive fehlte. Hunderte kleine und mittelständische Unternehmen aus NRW sind zwar in den Niederlanden tätig, konnten zu Beginn aber keine Fördermaßnahmen der niederländischen Regierung in Anspruch nehmen, wenn sie im anderen Land keine Korrespondenzadresse und kein Bankkonto vorweisen konnten. Mittlerweile erhalten auch sie Unterstützung.
Wie sieht die Lage auf dem niederländischen Arbeitsmarkt aus?
Die Arbeitslosenquote betrug 2019 in den Niederlanden 3,4 Prozent. Das entspricht etwa 300.000 Arbeitslosen. Dazu waren rund 300.000 Stelle offen, also praktisch eine Vollbeschäftigung. Die Arbeitslosenquote ist im ersten Quartal 2020 auf 2,9 Prozent gesunken und im April wieder auf 3,4 Prozent gestiegen. Wobei wir natürlich in den nächsten Monaten mit einem Anstieg der Arbeitslosen rechnen.
Welche Fragen treiben Ihre Mitglieder auf deutscher und niederländischer Seite derzeit um?
Die Fragen sind grundsätzlich ähnlich. Zu Beginn der Krise gab es einen hohen Informationsbedarf zum Thema Reisemöglichkeit: Kann ich meine Mitarbeiter über die Grenze schicken? Dann kamen Fragen nach finanziellen Unterstützungen: Was kann ich in Anspruch nehmen? Inzwischen spüren wir, dass der Blick sich wieder mehr auf die Zukunft richtet: Die Anfragen nach potenziellen Kunden und Geschäftspartnern im Nachbarland ziehen wieder an.
Wie kommen die Unternehmen denn nach mehreren Wochen durch die Krise?
Wir hören unterschiedliche Stimmen, es gab Einbußen im Bereich der Industrie, während der Bausektor in Deutschland und in den Niederlanden relativ unbeeinflusst weiter läuft. Der stationäre Einzelhandel hatte schwer zu kämpfen, gleichzeitig floriert der Online-Handel in den Niederlanden. Glücklicherweise vernehmen wir von vielen Unternehmern, dass das Geschäft relativ normal weiter verläuft.
Das klingt optimistisch.
Die Stimmung war im April auf dem Tiefpunkt. Inzwischen hören wir von vielen Unternehmen: „Wir kommen da durch.“ Seit Mitte Mai hellt sich die Stimmung weiter auf. Aber wir müssen uns nichts vormachen, es stehen uns sicherlich noch schwere Zeiten bevor.
Ein Lösungsvorschlag?
Durch Wachstum. Neue Geschäftsmodelle, die auf Digitalisierung und Innovation setzen, können schnell greifen. Wir profitieren davon, dass beide Länder über eine gesunde Wirtschaft verfügen. Die Zusammenarbeit zwischen den Niederlanden und Deutschland kann in vielen Bereichen Vorbild für Europa sein.