Im Rheinland. Verfassungsschützer in NRW bemühten sich offenbar intensiv um einen minderjährigen Aktivisten. Dabei hätten sie Druck ausgeübt, so der Vorwurf.
Mit Tagebaubesetzungen und Blockaden im Rheinischen Revier hatte das Anti-Kohle-Bündnis „Ende Gelände“ von sich reden gemacht. Der Berliner Verfassungsschutz hat den „Ende Gelände“-Ableger in der Bundeshauptstadt jetzt als linksextremistisch beeinflusst eingestuft. Nordrhein-Westfalens Behörde sieht das sehr ähnlich. Verfassungsschützer in NRW haben offenbar versucht, einen minderjährigen Aktivisten zur Teilnahme am Linksextremismus-Aussteigerprogramm „Left“ zu bewegen.
Allerdings vergeblich. „Ende Gelände“ machte den Fall öffentlich. Es sei versucht worden, Druck auszuüben. Dem Jugendlichen sei von NRW-Verfassungsschützern eine Strafminderung in Aussicht gestellt worden und eine Teilübernahme der Anwaltskosten; zudem sei das Jugendamt eingeschaltet worden. „In dieser Intensität“ habe man das noch nicht erlebt, sagte „Ende Gelände“-Sprecherin Ronja Weil auf Nachfrage der Redaktion (23. Mai 2020).
Freiwilligkeit als Bedingung für Aussteigerprogramm
Weil weist ausdrücklich daraufhin, dass der Jugendliche wegen der Teilnahme an einer Aktion im Rheinischen Revier bislang gar nicht rechtskräftig verurteilt sei, er werde von „Ende Gelände“ anwaltlich begleitet. „Wir verurteilen die Kriminalisierung von Aktivisten“, sagte Weil. „Wir sind eine Bewegung für Klimagerechtigkeit“, so die Sprecherin. „Ende Gelände“bekennt sich zu Aktionen des „zivilen Ungehorsams“, also etwa zu Sitzblockaden.
Zum Sachverhalt mit dem jungen Aktivisten äußert sich das NRW-Innenministerium auf Nachfrage nicht. Ein Sprecher wies aber daraufhin, dass die Teilnahme am Aussteigerprogramm „Left“ Freiwilligkeit und Gesprächsbereitschaft zur Voraussetzung habe. Das Bündnis „Ende Gelände“ sieht der NRW-Verfassungsschutz ebenso wie seine Berliner Kollegen von der „Interventionistischen Linken“ beeinflusst - einer Gruppe, die sich gegen die freiheitliche Grundordnung wende.
Grüne: Lieber „um wahre Feinde der Demokratie kümmern“
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„Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, die Menschen vor einer Vereinnahmung durch Extremisten zu warnen“, sagte der Ministeriumssprecher. Im Fall von „Ende Gelände“ sei es notwendig, Bürger, die sich für Klimaschutz einsetzen wollen, auf die Einflussnahme von Linksextremisten hinzuweisen. Das Bündnis füge sich in die Strategie der Interventionistischen Linken ein, die darauf ziele, „gesellschaftliche Brüche zu vertiefen und demokratischen, legitimen Protest demokratiegefährdend zu radikalisieren“, so der Ministeriumssprecher.
Kritik kommt von den Grünen: „Der lose Zusammenschluss Ende Gelände ist bislang nicht durch verfassungsfeindliche Aktionen aufgefallen, eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz scheint mir deshalb recht absurd“, meinte der Landesvorsitzende Felix Banaszak ganz grundsätzlich. Man müsse weder mit allen Beteiligten, noch mit allen Aktionsformen von Ende Gelände übereinstimmen - „aber eine Gefahr für unsere Verfassungsordnung sind sie sicher nicht“, ist Banaszak überzeugt. Wer die Verfassung schützen will, solle sich „um die wahren Feinde unserer Demokratie kümmern“.
GdP: Kohlegegner „nicht über einen Kamm scheren“
Der stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Maatz, kritisiert die Sichtweise der Verfassungsschützer im Gespräch mit der Redaktion ausdrücklich nicht. „Wer Straftaten begeht, muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden, und wer unsere Kollegen angreift, muss die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen“, sagte Maatz. Wichtig ist ihm, zu differenzieren: „Man darf die Leute nicht über einen Kamm scheren.“
Der Großteil der Leute, die im Rheinischen Revier gegen die Kohle protestiert hatten, habe dies friedlich getan: „Und solche friedlichen Demonstrationen muss die Polizei schützen“, sagte Maatz. Klimaschutz und Umweltschutz seien herausragende Themen für die Zukunft.