An Rhein und Ruhr. In NRW leben viele nicht nach der heterosexuellen Norm. Obwohl sich schon vieles verbessert hat, müssen sie immer noch Anfeindungen erleben.
Dieses Jahr ist vieles anders. Wegen der Corona-Pandemie wandern Aktionen zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie (aus dem Englischen kurz: Idahobit) am 17. Mai ins Virtuelle. Video-Konferenzen, digitale Regenbogen-Flashmobs und eine Online-Luftballonaktion sind geplant. „Der 17. Mai ist ein Tag zum Erinnern, aber auch um Gegenwart und Zukunft zu betrachten“, sagt Frank Bauer, Vorstandsmitglied im Lesben- und Schwulenverband (LSVD) in Nordrhein-Westfalen. Genau 30 Jahre ist es her, am 17. Mai 1990, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel für Krankheiten gestrichen hat.
„Endlich“, sagt Bauer. Für ihn ist der Aktionstag von großer Bedeutung: „Wir brauchen solche Gedenktage, um uns zu erinnern, dass wir viel erreicht haben, aber es auch nicht leicht war, sondern schwer erkämpft.“ Und auch das Referat „Trans*Inter*SchwuBiLe“ vom Asta der Universität Duisburg-Essen betont die Wichtigkeit des Aktionstages: „Der Idahobit wird weiter gebraucht, um den Menschen zu zeigen, dass wir viele sind. Damit die gestärkt werden, die unsere Unterstützung brauchen und die, die uns klein machen wollen, erkennen, dass man uns nicht los wird.“
Gewalt gegen Lesben, Schwule und Transpersonen auch in NRW ein Problem
Im Jahr 2005 erstmals als „Internationaler Tag gegen Homophobie“ gestartet, erweiterte sich das Motto des Tages im Lauf der Jahre. So werden auch Menschen einbezogen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität Diskriminierung und auch Gewalt erleben, wie Rebecca Knecht, Vize-Geschäftsführung des Schwulen Netzwerks NRW, sagt.
Auch die von der Landesregierung geförderte Landeskoordination der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in NRW spricht von einer „großen Bandbreite“ von Erfahrungen: „Sie reicht von der abwertenden Bemerkung oder der Beschimpfung bis hin zur Drohung oder körperlichen Gewalt.“
Das Innenministerium erfasst trans- und homophob motivierte Straftaten im Rahmen politisch motivierter Kriminalität. In 2019 Jahr zählte man 25 Straftaten, davon vier Gewaltdelikte. Dass die Dunkelziffer deutlich höher liegen wird, machen Zahlen der Schwulen Überfalltelefone Köln und Düsseldorf deutlich. Dort wurden allein im Jahr 2015 insgesamt 60 Gewalttaten registriert, während die Behörden nur 16 Straftaten zählten.
Gesellschaftliche Veränderung
Lesben, Schwule, Bisexuelle und alle anderen, die nicht in die heterosexuelle Norm der Gesellschaft passen, sind in den vergangenen Jahren sichtbarer geworden: in Film und Fernsehen oder bei den großen Demonstrationen zum Christopher Street Day. „Es hat sich gesellschaftlich viel getan“, sagt Daniela Flötgen, Geschäftsführerin der Aidshilfe Essen, „der Weg ist der richtige.“ Sichtbarkeit sei wichtig, um Menschen zu erreichen, die sich bislang nicht trauen, sich zu outen. Und auch Frank Bauer sieht Fortschritte: „Man kann feststellen, dass vieles besser geworden ist. Ein gewisses Maß an Freiheit ist da.“ Doch eben nicht vollständig: „Verstecken oder rechtfertigen müssen sich Menschen immer noch. Das macht das Leben oft genug sehr schwer.“
Auch wenn sich Diskriminierung und Ablehnung nicht mehr so oft offen zeigen, seien sie nach wie vor da, sagt Flötgen, die am morgigen Tag ein Online-Interview mit einem TransMann organisiert. „Diskriminierung findet vorrangig im Kopf statt.“ Hinzu kämen Phänomene wie „positive Diskriminierung“: „Personen werden auf ihre Sexualität reduziert, und ihnen werden bestimmte Charaktereigenschaften zugeschrieben.“ Das sei auch bei positiven Eigenschaften ein Problem, sagt Flötgen: „Jede Person ist mehr als nur ihre eigene Sexualität.“
Konversionstherapieverbot geht nicht weit genug
Auch Rebecca Knecht fordert hier eine Entwicklung: „Es ist wünschenswert, wenn Menschen weniger einem Stereotyp zugeordnet werden und stattdessen ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Bisher müssen sich beispielsweise trans* Menschen ihr Geschlecht immer noch psychotherapeutisch bescheinigen lassen.“ Ein Stück dahin sollte das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angestoßene Verbot von Konversionsbehandlungen sein. Es verbietet medizinische Interventionen, die darauf zielen, die sexuelle Orientierung oder Identität zu verändern. „Grundsätzlich ist das Gesetz zu begrüßen, allerdings ist es unvollständig“, sagt Knecht. Es beziehe sich nämlich nur auf Minderjährige. „Damit ist es weiterhin erlaubt, Homosexualität bei Erwachsenen als Krankheit zu behandeln – und so zu tun, als könnte man sie heilen.“ Unter diesen Vorzeichen steht für Knecht fest: „Es sind noch nicht alle Kämpfe abgeschlossen.“
>>>Was bedeutet Homophobie?
Das Wort Homophobie kommt aus dem Griechischen: Homo (gleich) und Phobie (Angst). Bezeichnet wird also die Furcht oder gar Feindseligkeit gegenüber lesbischen oder schwulen Menschen.
Homosexualität bezeichnet die sexuelle Orientierung, sich zum eigenen Geschlecht hingezogen zu fühlen, bei Bisexualität zu eben zwei Geschlechtern.
Intersexualität bezeichnet das Vorkommen von männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen in einer Person. Transgender ist eine Bezeichnung für Personen, deren Geschlechtsidentität nicht oder nur zum Teil mit den äußeren Geschlechtsmerkmalen übereinstimmt oder die diese Zuordnung ablehnen.
Die Aidshilfe Essen bietet zum Aktionstag coronabedingt eine Instagram Livestream an. Dabei wird nicht nur das Thema Transphobie und Homophobie thematisiert, sondern ein zusätzlicher Einblick in das Leben eines TransMannes gegeben. Das ganze findet am 17.05.2020 ab 16 live auf Instagram statt: @aidshilfe_essen