An Rhein und Ruhr. Seit der Öffnung der Ehe haben homosexuelle Ehepaare das Recht auf Adoption. Dennoch werden sie oft diskriminiert, erklärt eine Expertin.

Über zwei Jahre ist es her, dass die Bundesregierung nach einer Abstimmung das „Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts“ auf den Weg gebracht hat. Am 1. Oktober 2017 trat es in Kraft: Homosexuelle in Deutschland dürfen seitdem heiraten – und haben das Recht auf Adoption. Doch werden gleichgeschlechtliche Ehepaare bei Adoptionsfragen gleich behandelt wie heterosexuelle Paare? „Nein“, findet Pädagogin Michaela Herbertz-Floßdorf

Herbertz-Floßdorf hat sich auf das Thema Regenbogenfamilien spezialisiert. Sie ist Vorstandsmitglied bei „Vielfältig“, dem Trägerverein der Landesarbeitsgemeinschaft Regenbogenfamilien NRW. „Vermittlungen laufen über die Sacharbeiter bei Adoptionsstellen“, erklärt sie. „Da sind nicht alle frei von Homophobie.“

Viele gingen davon aus, es gäbe bei Adoptionsfragen Männer und Frauen, nichts dazwischen. „Nach der Gesetzeslage würde das keiner so offen sagen, aber ich kriege viele Berichte von Eltern, die nicht gerecht behandelt werden“, klagt Herbertz-Floßdorf und gibt ein Beispiel.

Homosexuelle sehen sich oft mit diskriminierenden Fragen konfrontiert

Eine oft gestellte Frage bei Vorgesprächen an homosexuelle Ehegatten: „Sind Sie sicher in ihrer sexuellen Identität?“ In den Augen der Pädagogen ist so etwas nicht in Ordnung. „Heterosexuelle bekommen diese Frage nicht gestellt“, erklärt sie.

Eine weitere Ungleichbehandlung und aus ihrer Perspektive weitaus schwerwiegender ist für Herbertz-Floßdorf die Stiefkind-Adoption. „Wenn ein Kind in eine bestehende gleichgeschlechtliche Ehe geboren wird, sind nicht beide Ehegatten die juristischen Eltern“, erklärt sie.

Eine Frau bekommt ein Kind – Ihre Ehegattin muss die Stiefkind-Adoption beantragen

Das heißt: Wenn eine verheiratete Frau ein Kind bekommt, etwa durch eine Samenspende oder eine künstliche Befruchtung, ist ihre Ehegattin nicht automatisch die zweite Mutter des Kindes. Sie muss in diesem Fall eine Stiefkind-Adoption beantragen.

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Und diese kann dauern: „Von Kommune zu Kommune wird das sehr unterschiedlich gehandhabt“, erklärt die Pädagogin. „Bei manchen dauert es vier Monate, bei anderen bis zu einem Jahr.“ Zum langwierigen Verfahren gehört unter anderem ein Hausbesuch bei der potenziellen Mutter, die Untersuchung ihrer Familiengeschichte sowie das Offenlegen ihrer Finanzen. „Das ist bei verheirateten heterosexuellen Paaren anders. Hier ist der Ehemann automatisch der Vater“, sagt Herbertz-Floßdorf.

Gleichgeschlechtliche Paare: Wenig Andrang an den Adoptionsstellen

Bis Ende 2018 haben in Nordrhein-Westfalen 2694 Paare des gleichen Geschlechts geheiratet. Das geht aus einer Statistik des Landesbetriebes für Informationen und Technik NRW (IT.NRW) hervor. Zusätzlich wurden 5527 eingetragene Lebenspartnerschaften in eine Ehe umgewandelt.

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Eine kleine Umfrage der Redaktion ergab, dass der Andrang von homosexuellen Ehepaaren in den Adoptionsstellen an Rhein und Ruhr bescheiden ist. „Seit 2017 gab es eine Fremdadoption und 20 Stiefkindadoptionen“, erklärt Essens Stadtsprecherin Jacqueline Schröder. Aktuell stünden außerdem zwei gleichgeschlechtliche Paare auf der Bewerberliste.

In Duisburg haben sich bisher zwei gleichgeschlechtliche Paare für eine Adoption entschieden. Aber: „Da sie sich mit anderen Adoptions-Bewerbern noch in der Vorbereitungsphase befinden, ist bislang aber noch keine Vermittlung eines Kindes erfolgt“, erläutert Stadtsprecherin Gabi Priem. In Oberhausen sind hingegen seit der Öffnung der Ehe überhaupt keine Anträge auf Fremdadoptionen eingegangen.