Am Niederrhein. Video-Aufnahmen von Anwohnern werden als erster Hinweis darauf gewertet, dass Niederrhein-Wölfin “Gloria“ möglicherweise nicht mehr allein ist.

Nun ist es amtlich: Zwei Wölfe haben auf Karsamstag, gegen 7.30 Uhr, einen Rothirsch in Hünxe gemeinsam angegriffen. Experten der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) haben Videoaufnahmen von Anwohnern ausgewertet und bestätigt, dass es sich um Wölfe handele, teilte das Landesumweltamt (Lanuv) an diesem Mittwoch (15. April 2020) mit.

Die Identität der Tiere lässt sich in der Regel nur anhand von Genspuren sicher ermitteln, nicht per Bildmaterial. Die Experten vermuten aber, dass es sich bei einem der Tiere um die Niederrhein-Wölfin "Gloria" handelt, die seit mindestens April 2018 in der Region Schermbeck unterwegs ist und die wissenschaftliche Kennung "GW954f" trägt.

Lanuv erinnert an staatliche Förderung für Schutzzäune

Die Experten werten die Aufnahmen als ersten Hinweis dafür, dass "Gloria" möglicherweise nicht mehr allein ist und einen Partner gefunden haben könnte. Bei Wölfen leben Weibchen und Männchen, also Fähe und Rüde, üblicherweise lebenslang zusammen. Laut bundesweiten Standards wird aber einem "Wolfspaar" gesprochen, wenn ein solches geschlechtsreifes Paar über einen Zeitraum von vier Wochen mehrfach in einem Gebiet aufgetaucht ist.

Das Landesumweltamt geht deshalb einstweilen von einem "möglichen Wolfspaar im Gebiet Schermbeck" aus und nutzt die Gelegenheit, nochmal eindringlich an die staatliche Förderung von Schutzzäunen für Weidetiere zu erinnern. Bislang war in NRW nur von einzelnen sesshaften Wölfen die Rede. Neben "Gloria" am Niederrhein waren das noch eine Fähe in der Senne in Ostwestfalen sowie ein Rüde in Eifel und im Hohen Venn. Zudem wird vermutet, dass sich ein weiteres Weibchen im Bergischen Land niedergelassen haben könnte.

Mehrere Merkmale sind entscheidend

Fellfärbung, Schwanzhaltung, Kopfform und Ohren, Rücken- und Bauchlinie, der sogenannte Sattelfleck und Anderes: Für einen Wolfsnachweis seien bei der Bewertung von Bildmaterial stets eine ganze Reihe von Merkmalen entscheidend, erklärte ein Lanuv-Sprecher. Die Bewertung dieser Merkmalskombination erfordere viel Erfahrung. Das Lanuv sichere seine eigene Einschätzung stets eine Rückkoppelung mit der DBBW ab.

Zu Alter und Geschlecht der Wölfe lasse sich anhand der Aufnahme Hünxe nichts sagen, wegen der Kürze des Clips auch nichts zum Jagdverhalten, so der Lanuv-Sprecher weiter. Ob es bei einem der Tiere in Hünxe, um den Wolf handelt, der Ende Februar in Rees gesichtet worden war, bleibt Spekulation. Ein Vergleich des Bildmaterials sei aufgrund der Qualität nicht möglich, hieß es beim Lanuv.

Nabu: Förderdeckel für Weidetierhalter soll weg

"Ob sich ein Paar gebildet hat, welches dauerhaft zusammenbleibt, muss das Monitoring in den nächsten Wochen zeigen", meinte Katharina Stenglein vom Naturschutzbund (Nabu). Für Halter von Schafen ändere sich erst einmal wenig: "Nach wie vor müssen Weidetiere effektiv geschützt werden." Wo dies noch nicht geschehen ist, solle dies unbedingt zeitnah geschehen, meinte Stenglein und verweist auch auf ehrenamtliche Hilfe etwa durch Wikiwolves.

Damit der Förderdeckel für Weidetierhalter endlich entfällt (bis zu 20.000 Euro in drei Jahren), hofft man beim Nabu, dass die EU alsbald die NRW-Förderrichtlinie notifiziert. Aus Sicht des Nabu kann es nicht nur um Finanzierung von Herdenschutzzäunen und Hunden gehen: "Ein wichtiger Aspekt wäre die Übernahme der Arbeitszeitkosten, welche meist einen Großteil der Ausgaben der Weidetierhalter ausmachen", meinte Wolfs-Expertin Katharina Stenglein.

"Angst und Sorge unter den Leid geprüften Tierhaltern"

Mit einem zweiten Wolf in der Region stehe die ohnehin bedrohte Weidetierhaltung vor noch größeren Herausforderungen, mahnte der rheinische Bauernpräsident Bernhard Conzen. „Vele Landwirte fühlen sich allein gelassen", so Conzen. Schon mit "Gloria", durch die es seit 2018 zu zahlreichen Nutztierrissen in Schermbeck und Umgebung gekommen ist, seien "Angst und Sorge unter den Leid geprüften Tierhaltern groß". Dass es sich bei den Tieren im Hünxer Video tatsächlich um zwei Wölfe handelt, beunruhigt den Bauernpräsidenten zutiefst.