An Rhein und Ruhr. Seit dem Ausbruch des Coronavirus hat das Ehepaar Meier kaum Kontakt zur Außenwelt. Klagen wollen die beiden aber nicht. „Es geht uns gut.“

Günter Meier und seine Frau Ina Christine bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Weder die grauen Wolken, die sich an diesem Samstagmorgen über dem Campingpark Eldorado in Kamp-Lintfort zusammengezogen haben. Und schon gar nicht das Coronavirus. „Es geht uns gut“, sagt die 71-Jährige. „Wir haben Essen, Trinken und sind gesund. Was wollen wir mehr?“ Natürlich gebe es hier und da mal Zankereien. „Aber alles im grünen Bereich“, versichert Ina Christine. Meistens würde sich das Ehepaar schon nach wenigen Minuten wieder vertragen.

Das hat auch ganz praktische Gründe: Seit 13 Jahren leben die beiden Rentner im Campingpark Eldorado – auf nur 40 Quadratmetern Wohnfläche. Ihre Mietwohnung im Stadtteil Gestfeld haben Günter und Ina Christine 2007 aufgegeben. Seitdem ist die Parzelle ihr festes Zuhause.

Viele Möglichkeiten, sich dort aus dem Weg zu gehen, gibt es nicht. Zumal das Paar Kontakt zu Mitcampern wegen des Coronavirus vermeiden soll. Die Isolation sei aber halb so wild: „Wir halten es gut miteinander aus“, sagt Günter. Schließlich seien die beiden fast 41 Jahre glücklich verheiratet.

Corona-Schließung: Ehepaar Meier bleibt im Wohnwagen

Als Ende März der gesamte Campingplatz mit seinen rund 160 Stellplätzen auf Beschluss des Landes NRW vorläufig schließen musste, blieben Günter und Ina Christine in ihrem Wohnwagen. Kein Einzelfall: „Wir haben fünf bis sechs Familien, die mit ihrem Erstwohnsitz bei uns gemeldet sind“, so Andre Dicks, Sohn von Inhaberin Brunhilde Dicks. Alle anderen Pächter, Urlauber und Touristen auf Durchreise mussten das Gelände verlassen. Seit dem 11. April ist der Campingplatz für Dauercamper wieder durchgängig geöffnet.

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„Die erste Zeit war es hier sehr ruhig“, erinnert sich Günter. „Wie im Winter.“ Mittlerweile sei auf dem Gelände etwas Leben zurückgekehrt. Angst, die Betreiberin könnte auch ihn und seine Frau vor die Tür setzen, habe er aber nicht gehabt. „Wo hätten wir denn hingesollt? Die Hotels sind doch alle zu.“ Außerdem würde das Ehepaar seine Parzelle ohnehin kaum verlassen, sagt Ina Christine. „Mein Mann fährt alle paar Wochen mit dem Fahrrad einkaufen.“ Für alles andere sei gesorgt. Dusche, Küche, Gasofen, Toilette – sogar einen Kamin habe Günter selbst eingebaut.

Campingplatz in der Krise: "Müssen Gürtel enger schnallen"

„Jeder Dauercamper hat bei uns seine eigene Infrastruktur, ein Kanalnetz und ist nicht auf öffentliche Sanitäranlagen angewiesen“, erklärt Dicks. Auch einige Saisoncamper und Touristen würden autarke Fahrzeuge besitzen. „Die Leute haben keinerlei Berührungspunkte mit anderen Besuchern“, so der 36-Jährige. Dicks plädiert deshalb dafür, beim Campingverbot genauer zu differenzieren. „Bei Personen, die keine Gemeinschaftsräume nutzen und sich selbst versorgen, sehe ich gar keine Probleme. Das ist eine Einschränkung, die wir nicht nachvollziehen können.“

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Wenngleich der Campingpark Eldorado von dem NRW-Beschluss nicht so stark betroffen sei. „Wir versuchen Tourismus bei uns nicht so groß zu fahren“, erklärt Dicks. „Wir sind eher ein ruhiger Campingplatz.“ Im Regelbetrieb seien rund 70 bis 80 Prozent der Besucher Dauercamper. Trotzdem würden auch die Durchgangsplätze und die Zeltwiese bei gutem Wetter stark nachgefragt. „Aktuell haben wir keine Existenzängste, aber natürlich mussten wir den Gürtel enger schnallen.“

Leben auf dem Campingplatz: „Ich wollte ins Grüne“

Zurück zu Ehepaar Meier: Günter und Ina Christine sitzen auf ihrem kleinen Ecksofa. Der gelernte Maschinenschlosser deutet auf ein Foto an der Wand: „So hat es hier früher ausgesehen.“ Als das Ehepaar die Parzelle vor 17 Jahren übernahm, stand lediglich ein 24 Quadratmeter großer Wohnwagen auf der Fläche. Für Günter war früh klar: „Ich wollte ins Grüne. Ich hatte keine Lust, in der Stadt zu wohnen.“ Seine Frau musste erst noch überzeugt werden. „Das war mir anfangs alles zu klein“, so die 71-Jährige.

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Also begann der Handwerker anzubauen: Wände wurden eingerissen, neue Fenster eingebaut, die Decke eingezogen, neue Möbel und Küchengeräte angeschafft und die Wohnfläche Schritt für Schritt auf 40 Quadratmeter vergrößert. „Ich muss immer was zu tun haben“, sagt Günter. „Ich sehe etwas und dann wird das gemacht. Ich kann da nicht dran vorbeilaufen.“ Irgendwann war auch seine Frau überzeugt – und das Ehepaar gab seine Wohnung auf.

Dass in der Politik nun immer stärker über die Lockerung der Corona-Maßnahmen diskutiert wird, führt Ina Christine auf die Ungeduld vieler Bürger zurück. „Die wissen einfach nichts mit sich anzufangen“, sagt die Rentnerin. „Warum können die Leute nicht mal übers Wochenende zuhause bleiben?“, so Günter. Er und seine Frau würden es ja auch hinkriegen – trotz gelegentlicher Zankereien.

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Leo Ingenlath, Präsident des Fachverbands der Freizeit- und Campingunternehmer in NRW, plädiert für Corona-Lockerungen in der Campingwirtschaft. „Ansonsten werden 20 Prozent der Betriebe bald ganz große Probleme bekommen.“ Vor allem Standplätze, die sich auf Tourismus spezialisiert haben, seien stark bedroht. Dabei habe Camping im Gegensatz zu anderen Übernachtungsformen einen hohen Individualitätsgrad. „Ich denke, die Campingwirtschaft hat da gute Argumente.“