Kevelaer. Die Gäste im Hospiz in Kevelaer leben alle nicht mehr lang. Trotzdem gelten auch hier Besuchseinschränkungen, um sie vor Corona zu schützen.
Wetten, ein Ortsteil von Kevelaer. Inmitten des Dorfes liegt an der Hauptstraße ein großes, zweigeschossiges Backsteingebäude. Wer als Gast in dieses Haus kommt, hat nicht mehr lange zu leben. Es scheint absurd, Sterbende vor einer Ansteckung zu schützen. Doch auch im Hospiz gelten in den Zeiten von Corona Einschränkungen.
Birgitt Brünken öffnet die gläserne Tür, natürlich trägt sie einen Mundschutz. Sie weist auf den kleinen Tisch im Eingangsbereich, auf dem die bunten Stoffmasken liegen, die von Ehrenamtlichen genäht wurden. „Und bitte die Hände desinfizieren.“ Brünken ist die Chefin des Pflegeteams und die Vorsitzende des Hospizvereins, der das Haus betreibt.
Hospiz in Kevelaer: Nur ein enger Angehöriger darf kommen
In ihrem Büro streift sie die Schutzmaske ab, beim Interview ist der Mindestabstand gesichert. „Es ist schon komisch mit diesen Vorschriften“, sagt sie seufzend. Sie hat jetzt einen Corona-Ordner im Regal, gefüllt mit den Sicherheitsbestimmungen, die eingehalten werden müssen. Die Wichtigste: Es gibt anders als in Pflegeheimen im Hospiz kein striktes Besuchsverbot. Aber es darf nur jeweils ein enger Angehöriger kommen.
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Damit steht das Kevelaerer Hospiz besser da, als manch anderes der insgesamt 74 Sterbehäuser in Nordrhein-Westfalen. „Es gibt Kommunen, die den Besuch komplett verboten haben“, erzählt Christoph Voegelin, selber Leiter eines Hospizes in Bottrop und stellvertretender Vorsitzender des Hospiz- und Palliativverbandes NRW.
Zehn Gäste, alle liegen im Sterben
Schwester Birgitt hat zurzeit zehn Gäste, das Haus ist voll. Alle haben Krebs im Endstadium. Im kühlen Medizinerdeutsch: Sie sind in ihrer „Terminalphase“. Der jüngste Gast ist 51 Jahre. Ein schlankes Bier mit Freunden, der Besuch von mehreren Verwandten, um alte Foto-Alben zu durchstöbern: Was den Sterbenden in normalen Zeiten selbstverständlich ermöglicht wird, ist jetzt nicht drin.
„Unsere Ehrenamtlichen dürfen auch nicht kommen“, erzählt Brünken. Die verteilen normalerweise Kaffee, gehen mit den Gästen spazieren, versorgen die Blumen, helfen bei der Wäsche. „Das fehlt jetzt alles.“ Alle 28 Ehrenamtlichen gehören zur Risikogruppe.
26 Tage durchschnittliche Verweildauer
26 Tage. So lange bleiben die Gäste durchschnittlich. Zu 95 Prozent sterben sie hier im Haus. Ob sie Verständnis für die Maßnahmen hat? Brünken weicht aus. „Die Aufsicht ist sehr großzügig, und die Besucher und Gäste sind verständnisvoll.“
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Dass die Angehörigen und die Pflegenden Masken tragen müssen, sei für die Sterbenden allerdings schwierig. „Das ist ganz schrecklich, sie verstehen es nicht.“ Aber wenigstens die Todkranken brauchen keine Masken.
Immerhin: Geistlicher Beistand ist erlaubt, auch die letzte Salbung darf wie immer durchgeführt werden. Und wenn jemand stirbt, dürfen mehre Angehörige zusammen trauern. Acht Gäste sind seit Mitte März gestorben.
14 Masken vom Amt. Zum Selberbasteln
Das Gesundheitsamt hat Vorschriften erlassen. Hat es auch geholfen? Brünken lächelt ein wenig gequält, holt aus dem Schrank ein Stück Vlies. „Wir haben 14 Masken bekommen. Zum Selberbasteln.“ Außerdem 0,7 Liter Desinfektionsmittel, abgefüllt in eine Plastikflasche. Und einen Schutzanzug aus Plastik.
„Was wir mit diesen Sachen anfangen sollen, weiß ich nicht.“ Zum Glück hat sich Brünken bei einer der letzten Bestellungen vor der Krise verrechnet und deutlich mehr Desinfektionsmittel bestellt als üblich.
Mehr Anmeldungen seit Beginn der Corona-Krise
Seit Beginn der Krise ist die Zahl der Anmeldungen für das Hospiz sprunghaft gestiegen. Brünken hat ständig Sozialarbeiter aus den Krankenhäusern am Telefon, die Kapazitäten frei machen wollen. Häufig auch verzweifelte Angehörige. „Alle Kurzzeitpflege-Plätze sind belegt.“
Ein Gutes hat die Krise aber, erzählt die Hospiz-Leiterin. „Das Team wächst zusammen, wir hatten noch nie eine so gute Stimmung wie jetzt.“ Bislang hat Brünken noch keine einzige Krankmeldung auf den Schreibtisch bekommen.