An Rhein und Ruhr. Die Sportministerkonferenz hält eine Wiederaufnahme des Sportbetriebs für „dringend erforderlich“. Experte rechnet mit neuen kreativen Kursen.

Die Corona-Pandemie hat unser Freizeit- und Sportverhalten auf den Kopf gestellt. Geschlossene Schwimmbäder, kein Zutritt zu Fitnessstudios und Sporthallen, stattdessen Joggen, Radfahren und Wohnzimmer-Gymnastik. Doch Professor Dr. Ulf Gebken von der Sportfakultät der Uni Essen/Duisburg ist zuversichtlich, dass ganz bald wieder Breitensport möglich sein wird. Nur anders als sonst. Kurzum: „Entstaubt die Tischtennis-Platten!“

Springen, Laufen, Gleiten, Tennis – viele Sportarten werden eine Art Renaissance erleben, glaubt Gebken. Sport, den man ohne großen Aufwand mit nur wenigen Mit- oder Gegenspielern betreiben kann. Fitnesskurse in Parks, öffentliche Sportgeräte für Erwachsene – das Angebot ist da. Es muss nur koordiniert werden, meint er. Sein Appell: „Hört auf zu jammern und zu schimpfen, sondern erkennt eure Chancen!“ Sportvereine sollten jetzt die Zeit nutzen und neue Angebote vorbereiten.

Sportverbände setzen Hoffnung in das Gespräch mit Kanzlerin Merkel am Donnerstag

Das haben sie, sagt Frank-Michael Rall, Sprecher des Landessportbundes (LSB) NRW im Gespräch mit der NRZ. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Landessportbünde, auch der in NRW, machen sich stark für eine Wiederöffnung des Breitensports. „Die Verbände und Vereine haben ihre Hausaufgaben gemacht“, sagt Rall. Die Sportverbände blicken mit großer Neugierde auf das Gespräch zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten am Donnerstag. Die Sportler hoffen, dass es in der kommenden Woche, spätestens in der darauffolgenden Woche wieder losgehen kann – an der frischen Luft und unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsregeln.

Der DOSB hat zehn allgemeine Leitlinien für das Sporttreiben ausgegeben. Unter anderem rät er: Trainingsgruppen zu verkleinern, Vereinsheime geschlossen zu halten, Fahrgemeinschaften auszusetzen, sich zu Hause umzuziehen und zu duschen. Dazu kommen sportartspezifische Regeln. So soll beim Feldhockey zum Beispiel der Schwerpunkt auf Technik und Athletik gelegt werden. Zweikämpfe sollen nicht stattfinden, weil dann die Abstandsregeln kaum einzuhalten wären.

Betreute Öffnungszeiten von Sportanlagen und Bolzplätzen

Nun fragt man sich, wie an einer Klimmzug-Stange im Stadtpark wohl die Hygieneregel eingehalten werden soll. Im Gespräch mit der NRZ lässt Sportprofessor Gebken ein paar Ideen fließen: Sportvereine, Sozialarbeiter, Quartiersmanager oder Bürger könnten eine gewisse Öffnungszeit von Sportanlagen organisieren. Teilnehmer könnten sich Trainingszeiten reservieren oder Tickets ziehen, damit die Personenzahl begrenzt bleibt. Vereine könnten Material wie Springseile oder Hütchen ausleihen und wären dann für die Desinfektion verantwortlich.

Tischtennis hält Gebken für eine besonders geeignete Sportart in der Corona-Zeit. Die Spieler stehen durch die Tischtennisplatten per se auf Abstand. Allerdings sollten die beiden Spieler jeweils nur mit den eigenen Bällen spielen und nicht die Bälle des anderen in die Hand nehmen. So kann einer mit weißen, der andere mit gelben Bällen spielen.

Fußball in kleinen Gruppen

Dasselbe sei vorstellbar bei Tennis, Badminton oder Indiaca. Selbst Fußball hält Gebken für möglich. Dann aber, wie es die Holländer und Belgier vormachten, in kleinen Gruppen. Funino nennt man das zum Beispiel, wenn drei Kinder gegen weitere drei spielen. „Aber selbst Eins gegen Eins ist möglich“, sagt Gebken. Etwas kritischer sieht er Sportarten, bei denen sich viele ein Gerät teilen – wie Hand-, Basket- oder Volleyball. Das, so glaubt Gebken, werde so schnell in gewohnter Form eher nicht möglich sein. Ebenso wenig wie Kontaktsportarten wie Karate oder Judo.

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Inlineskaten oder Skateboardfahren sei möglich, Radfahren sowieso. Allerdings sollten sportliche Radfahrer auf den Abstand achten. Im Windschatten sollte man also nicht fahren. Gebken schlägt vor, an verkehrsruhigen Tagen wie an den Wochenenden Straßen für den Autoverkehr zu sperren und für Radfahrer, Skater oder Fußgänger freizugeben. Eine Art autofreier Sonntag 2020.

Überlegenswert sei es auch, Flächen in Freibädern für sportliche Aktivitäten zu nutzen, sollten die Freibäder nicht öffnen dürfen. Doch hier gilt: Eine Aufsicht muss alles im Blick halten.

Sportangebote in Parks werden wohl zunehmen

Frank-Michael Rall vom LSB erwartet, dass die in einigen Städten die bereits beliebten Angebote namens „Sport im Park“ in diesem Jahr zunehmen werden. In Oberhausen beispielsweise ist das Angebot des Stadtsportbundes in den vergangenen Jahren gut angenommen worden.

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Besonders Kinder und Jugendliche aus abgehängten Gesellschaftsschichten liegen Sportprofessor Ulf Gebken am Herzen. Sie leiden unter gesperrten Spiel- und Sportplätzen, viele haben keine Gärten. „Man kann Kinder und Jugendliche nicht einsperren“, sagt er. Und deswegen braucht es jetzt vernünftige Regeln, kreative Bewegungsangebote und Menschen, die auf die Einhaltung der Regeln Acht geben.

Das probieren die Sportler der Uni Duisburg/Essen nun mit dem „Open Sunday“-Projekt. Normalerweise findet dieses kostenlose Angebot in den Sporthallen an Rhein und Ruhr statt. Das Angebot soll Kindern aus sozialschwachen Stadtteilen animieren, sich spielerisch zu bewegen. Das kommt gut an, ruhte zuletzt aber, weil Schulen und Sporthallen bis vor kurzem bekanntlich geschlossen waren. Jetzt zieht das Angebot an die frische Luft auf dem Schulhof um. Die Gruppen werden verkleinert, Teilnehmer müssen ein Ticket ziehen und es wird eine Wartezone geben.

Athletik-Trainer des Steinbart-Gymnasiums in Duisburg drehen Videos

Auch Schulen an Rhein und Ruhr zeigen sich einfallsreich. Das Steinbart-Gymnasium in Duisburg stellt regelmäßig Videos auf seine Internetseite und im Video-Portal Youtube, ruft zu sportlichen “Steinbart-Challenges“ für alle Schüler auf, bei denen die Jugendlichen Videos von sich drehen und an die Schule schicken können. Die Rückmeldungen seien positiv, sagt Sportlehrer Ingmar Becker – auch von Eltern, die selbst mitmachten und es „ganz schön anstrengend“ fanden, wie Becker im Gespräch mit der NRZ berichtet. Dazu gibt es ein „Workout des Tages“ für die leistungsorientierten Sportklassen. Die Videos haben die Athletik-Trainer der Schule gedreht. Auch die Gesamtschule Berger Feld in Gelsenkirchen bietet solche Videos im Netz an.

>>>> Info:

Trotz der Corona-Pandemie bleiben die Sportler ihren Vereinen treu: Zwar sank die Zahl der Sportvereine in NRW erneut um 150, weil viele Sportvereine fusionieren. Doch die Zahl der Mitglieder sei leicht angewachsen, sagt Frank-Michael Rall vom LSB NRW. Waren im Vorjahr etwas unter 5,1 Millionen Menschen in Sportvereinen in NRW organisiert, seien es nun „etwas über 5,1 Millionen Mitglieder“. Die Vereine versuchten, trotz ausgefallener Veranstaltungen und Angebote mit ihren Mitgliedern in Verbindung zu bleiben – zum Beispiel durch Videoanleitungen im Internet. Und demnächst dann hoffentlich auch wieder vor Ort in kleinen Gruppen unter freiem Himmel.