Am Niederrhein. Das Landeskriminalamt zählte in diesem Jahr schon über 50 Fälle in Nordrhein-Westfalen. Besonders betroffen ist die Rhein-Ruhr-Region.
Alle paar Nächte jagen Unbekannte in Nordrhein-Westfalen einen oder gleich mehrere Geldautomaten in die Luft. Seit Jahresbeginn haben kriminelle Tätergruppen, vermutlich aus den Niederlanden, die Schlagzahl deutlich erhöht. In den frühen Morgenstunden dieses Mittwochs (1. April 2020) wurde der Automat einer Commerzbank in der Viersener Innenstadt gesprengt - nur 300 Meter von der Polizeiwache in der Lindenstraße entfernt.
Die Täter erbeuteten Bargeld in noch unbekannter Höhe, wie die Polizei am Vormittag mitteilte. Die Sprengung war gegen 3.30 Uhr erfolgt - vermutlich mittels Einleitung eines Gasgemisches in den Automaten. Polizisten waren rasch vor Ort. "Aber die Täter waren sehr schnell", berichtete ein Sprecher der Kreispolizei auf Nachfrage der Redaktion. Von mindestens zwei Personen ist die Rede. Sie sollen in einem dunklen Audi-Kombi geflüchtet sein, an dem wohl ein niederländisches Kennzeichen angebracht war.
Feuerwehr musste Brandnester löschen
Der Druck der Explosion dürfte in diesem Fall nicht besonders groß gewesen sein. Die Scheiben der Bankfiliale waren nicht geborsten - dafür aber rußgeschwärzt. Die herbeigerufene Feuerwehr musste mehrere Brandnester eines Schwelbrandes löschen, der von den Tätern verursacht worden war. Die Einsatzkräfte gingen besonders sorgsam vor, weil im Gebäude noch Gasreste vermutet wurden. Zur Höhe des Sachschadens wurde zunächst nicht bekannt.
Die Zahl der Geldautomaten-Sprengungen ist in NRW rapide gestiegen. Im noch jungen Jahr 2020 zählte das Landeskriminalamt bereits 53 Fälle, in 33 davon blieb es allerdings beim Versuch - die Täter machten keine Beute. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es bis zum 1. April lediglich 17, darunter sieben Versuche. Die aktuelle Serie von Sprengungen könnte allerdings ein ziemlich abruptes Ende finden, wenn wegen der Corona-Pandemie die Grenzen auch zu den Niederlanden für den Personenverkehr geschlossen werden sollten.
Schon jetzt freilich ist der durch die Sprengungen angerichtete Sachschaden ganz erheblich. Bei den Taten in diesem Jahr summiere sich der Schaden an Gebäuden bereits auf rund drei Millionen, berichtete ein Sprecher das Landeskriminalamtes (LKA) auf Nachfrage der Redaktion. Die Beutesumme sei in diesem Betrag nicht erhalten. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2019 lag der in NRW durch Geldautomaten-Sprengungen angerichtete Sachschaden bei 7,7 Millionen Euro.
GdP-Landesvize sieht Versäumnisse bei den Banken
Ermittler ordnen einen großen Teil der Taten hierzulande einem verzweigten marokkanischen Clan aus dem Großraum Utrecht zu. Zunehmend kommt bei Sprengungen nicht mehr Gas, sondern wohl auch Dynamit zum Einsatz. Die Zusammenarbeit der deutschen Ermittler mit den Kollegen in den Niederlanden laufe "weiter ausgezeichnet", erklärte Michael Maatz, stellvertretender NRW-Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), im Gespräch mit der Redaktion.
Losgelöst vom konkreten Viersener Fall sieht Maatz ganz grundsätzlich Versäumnisse auf Seiten der Banken. Während die Institute in den Niederlanden ihre Automaten verstärkt und die Bargeldbestände darin mit Farbkartuschen versehen hätten, sei das hierzulande noch nicht überall geschehen: "Da gibt es in Deutschland Nachholbedarf", mahnt der GdP-Landesvize. In den Niederlanden sei die Zahl der Geldautomaten-Sprengungen auf nahe Null gesunken.