Leverkusen. In der NRW-Verkehrszentrale geben die Mitarbeiter das Tempo auf den Autobahnen vor. Vom generellen Tempolimit von 100 km/h hält man hier nichts.

Hier braut sich was zusammen. Auf der A40 bei und bei Bochum hakt es, die Linie färbt sich Gelb. Das Zeichen für Stau. Bilas Bektas beobachtet die Situation genau, noch aber muss er nicht eingreifen. Durch in den Straßenböden eingelassenen Induktionsschleifen erkennen die elektronischen Schildertafeln an der Autobahn, dass die Autofahrer die Füße von den Gaspedalen nehmen müssen, und zeigen dementsprechend Tempo 80 an.

Denn das A und O in diesem Moment ist es, zu vermeiden, dass ein Auto - oder schlimmer noch: ein LKW - ungebremst auf stehende Autos auffährt. „Das Stauende absichern“ nennen es die Experten. Hier in Leverkusen schlägt das Herz des Autoverkehrs. Wenn es denn schlägt und nicht gerade mal wieder stillsteht. Ein Besuch in der Verkehrszentrale des Staulandes Nummer eins.

Am Mittag wird es wieder voll

An diesem Mittag ist es verhältnismäßig ruhig auf den Straßen. Noch also können sich die drei Männer in ihrem Schreibtischstuhl zurücklehnen. „Ab 13, 14 Uhr geht es wieder richtig los“, sagt Dr. Jan Lohoff, Leiter der Abteilung Verkehrssteuerung in der Verkehrszentrale NRW. Seine Männer hier, sie müssen wohl ziemlich viele Schleichwege in der Umgebung kennen.

Die drei Operatoren Oliver Fertala, Bila Bektas und Gundo Herbst haben seit 6 Uhr Schicht. Zu dieser Uhrzeit sieht es dann auf den zahlreichen Monitoren im Kontrollraum ganz anders, und zwar ziemlich bunt, aus. Über den Bildschirm schlängeln sich dann Linien in gelb, hellgrün oder rot. Hellgrün bedeutet, dass der Verkehr langsamer wird. Gelb ist das Signal für Stau. Rot bedeutet: Hier ist ein Falschfahrer unterwegs.

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Jeder Operator hat zwölf Monitoren im Blick. Dazu kommen noch sieben Monitore für alle. Fernsehgucken nach Feierabend - das braucht man dann nicht mehr, oder? „Ach das geht schon“, sagt Gundo Herbst lächelnd.

Operator Bilal Bektas von Straßen NRW, beobachtet im Kontrollraum der Verkehrszentrale NRW die Verkehrslage im westfälischen Teil.
Operator Bilal Bektas von Straßen NRW, beobachtet im Kontrollraum der Verkehrszentrale NRW die Verkehrslage im westfälischen Teil. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Blick nach Westfalen und ins Rheinland

Jedem der Operatoren ist ein Bereich zugeordnet. Diejenigen, die auf der linken Seite sitzen, haben die rheinländischen Autobahnen im Blick, auf der rechten Seite die westfälischen.

„Jede Autobahn hat ihren eigenen Charakter“, sagt Gundo Herbst. So staue es sich auf der A40 nur zu Stoßzeiten am Morgen und Abend, auf der A 3 rund um Oberhausen und Duisburg hingen sei ständig Betrieb. „Man kann sich leider darauf verlassen, dass es sich hier immer staut“, sagt Lohoff. Denn: „Hier fährt ganz Deutschland durch.“ Dazu kommen die vielen Lastwagen. Und: auch in den Ferien wird es nicht ruhiger, weil hier die Urlauber entlang fahren.

Ausbau der A3 rund um Oberhausen muss kommen

Wie also sieht die Lösung aus? „Man kommt hier an einen Ausbau nicht vorbei“, ist Lohoff überzeugt. Aus den sechs Spuren müssten also acht werden - so wie es im Kölner Raum bereits erfolgt ist.

Die Verkehrszentrale in Leverkusen überwacht 2200 Kilometer Autobahn und ist dafür zuständig, den Verkehr möglichst fließen zu lassen. Die Verkehrslenker bespielen zum Beispiel die dynamischen Wegweiser, auf denen Staus, Sperrungen oder Umleitungen angezeigt werden, sie steuern die Ampeln an den Autobahnzufahrten oder sind dafür zuständig, den Seitenstreifen freizugeben, um einen Stau zu vermeiden oder schneller aufzulösen.

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Jan Lohoff würde hier gern öfter zur Tat schreiten und den Seitenstreifen freigeben. Nur: Sein Team kann es nicht überall tun. Viele Seitenstreifen müsse zunächst ertüchtigt werden, der Untergrund müsse ausreichend tragfähig sein. Auf der A4 nach Köln rein oder auf der A57 von Düsseldorf nach Köln werde bereits häufiger der Seitenstreifen freigegeben. Aber: Sobald es zu einem Unfall kommt, muss der Seitenstreifen wieder unverzüglich geräumt werden, erklärt Jan Lohoff.

Gundo Herbst ist an diesem Tag für die Verkehrslenkung im Rheinland zuständig.
Gundo Herbst ist an diesem Tag für die Verkehrslenkung im Rheinland zuständig. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Von einem durchgängigen Tempolimit von 100 km/h wie in den Niederlanden rät der Experte der Verkehrszentrale ab. „Es ist besser, das Tempo dynamisch anzupassen“, meint Lohoff. So könne der Verkehr dem Aufkommen angepasst werden. Unter Umweltaspekten könne die Diskussion hingegen anders geführt werden, meint er.

An diesen Tagen staut es sich ganz sicher

Bahnt sich ein Stau an, wird auf den elektronischen Schildern ein neues Tempo angezeigt – entweder 100, 80 oder 60 km/h. Diese Daten werden in der Verkehrszentrale auch gespeichert – für den Fall, dass die Polizei später einmal darauf zurückgreifen muss. „Je mehr Verkehr es gibt, desto mehr müssen wir die Geschwindigkeiten lenken, damit der Verkehr fließt“, erklärt Lohoff. Wird die Geschwindigkeit reduziert, werde der Verkehr „harmonischer“.

Warum aber landet man dann doch immer wieder im Stau? Auch dafür hat Lohoff eine Erklärung: Würden die Verkehrslenker die Geschwindigkeit zu früh, also schon weit vor dem Stau, heruntersetzen und die Autofahrer aus den zu dem Zeitpunkt unersichtlichen Gründen abbremsen müssen, würde die Akzeptanz der Autofahrer sinken.

200 Webcams zeigen das aktuelle Verkehrsaufkommen

Autofahrer sollten grundsätzlich frühzeitig vor der Abfahrt einen Blick auf www.verkehr.nrw werfen. Auf dem Internetportal des Landesbetriebs Straßen NRW wird die aktuelle Verkehrslage mit Zeitangaben zu Verzögerungen dargestellt. Mehr als 200 Webcams zeigen den Verkehrsfluss hier live. Die Daten der Webcams werden nicht gespeichert, versichert Jan Lohoff.

Bei dem Portal handelt es sich zwar um ein Angebot von Straßen NRW, gefüttert wird es allerdings vom Navigationsanbieter Tomtom. Außerdem sollte man sich über Umleitungen informieren, gerade im Ruhrgebiet und im Rheinland gebe es viele Ausweichmöglichkeiten, meint Lohoff von der Verkehrszentrale.

Die Mitarbeiter der Verkehrszentrale werden ab dem 1. Januar 2021 nicht mehr Landes-, sondern Bundesangestellte sein. Die Verkehrszentrale gehört dann zur neuen Autobahn GmbH.

Am 16. Dezember legten die Verkehrsminister von Bund und Land, Andreas Scheuer und Hendrik Wüst, den Grundstein für die neue Verkehrszentrale, die genau gegenüber der jetzigen Zentrale entsteht. Die Räume, vor allem der Kontrollraum, sollen größer, die IT sicherer werden. Es werde zwei getrennte Stromversorgungen für den Notfall geben. Generell könnten die Operatoren mehr Anzeigetafeln betreiben, doch im jetzigen Raum gibt es keinen Platz für weitere Monitore oder Mitarbeiter.

Tagsüber arbeiten im Kontrollraum der Verkehrszentrale vier bis sechs Personen, nachts und am Wochenende, wenn weniger Autos auf den Straßen verkehren, sind zwei Mitarbeiter im Einsatz.

Ziemlich sicher steht man im Übrigen im Stau, wer an einem Montagmorgen oder einem Donnerstagnachmittag über unsere Autobahnen fährt. Früher sei der Freitag der klassische Stautag gewesen, meint Lohoff. Doch den Freitag würden inzwischen viele Arbeitnehmer nutzen, um von zu Hause zu arbeiten. Das entspanne den Verkehr am Freitag, sorge aber für viel Bewegung am Donnerstag.