Monheim am Rhein. Busfahrer ist ein sicherer Job. In Monheim werden jetzt die Weichen gestellt, den Beruf abzuschaffen. Ganz ohne Fahrer aber geht es längst nicht.
Das Ziel ist der Januar, spätestens die erste Februar-Woche: In Monheim sind in Kürze selbstfahrende Busse unterwegs - im Linienbetrieb mit festem Fahrplan und voll eingebettet in das örtliche Nahverkehrs-Netz. Ganz ohne Fahrer? Nein, das ist dann doch noch Zukunftsmusik.
Mit der Liniennummer „A01“ sollen fünf selbstfahrende Busse des Nahverkehrsunternehmens „Bahnen Monheim“ bald den Linienbetrieb aufnehmen. Täglich von 7 bis 23 Uhr, von montags bis sonntags und möglichst bei jedem Wetter. Die Fahrzeuge im Format eines Minibusses haben sechs Sitz- und fünf Stehplätze - aber keinen Fahrerplatz und auch kein Lenkrad.
Nach Einschätzung der Bahnen Monheim ist man bundesweiter Pionier. „Nirgendwo erfüllen die autonomen Busse bisher die Kriterien eines wirklichen Linienbetriebs“, sagt Bahnen Monheim-Geschäftsführer Detlef Hövermann. Insgesamt gibt es derzeit etwa 20 ähnliche Modellprojekte in Deutschland, unter anderem im bayerischen Bad Birnbach, auf Sylt und in Berlin . In NRW gibt es Projekte unter anderem in Drolshagen und Lennestadt . Auch Iserlohn hat einen Förderantrag gestellt, der zuletzt noch offen war.
Busse ohne Fahrer? Es muss immer ein „Operator“ an Bord sein
Autonome Busse kommen ohne Fahrer aus. Doch es muss immer ein „Operator“ an Bord sein. Das „Wiener Abkommen“ von 1968, das international geltende zentrale Regelwerk zur Sicherung des Straßenverkehrs, schreibt in Fahrzeugen einen „Fahrzeugführer“ vor. Auch als 2014 das autonome Fahren in das Regelwerk aufgenommen wurde, blieb es dabei.
Der Tüv Rheinland, technische Instanz für den Betrieb der autonomen Busse, nennt die Tätigkeit des Operators „hochkonzentriertes Nichtstun“. Der Operator hat einen Stehplatz im Bus und soll im Notfall per Fernbedienung, die vor seinem Bauch hängt, eingreifen. Nach 45 Minuten muss er 15 Minuten Pause einlegen. So hat es der Tüv verfügt.
Die bis dato 1000 Testkilometer in Monheims Innenstadt mit dem Ende März präsentierten Pilotbus haben gezeigt, dass das System im öffentlichen Straßenverkehr mit Situationen klarkommen muss, die sich im Vorfeld nicht in Gänze programmieren lassen. „Selbstlernend ist die Software noch nicht“, sagt Axel Bergweiler, Leiter des Projekts Autonomer Bus. So kann etwa Starkregen eine Notbremsung auslösen: „Weil die Laser-Sensoren an Bord das als ‘Wand’ sehen“. erklärt Bergweiler. Da soll der Operator dann auch ‘Putzdienst’ machen, und die acht rundum angeordneten Sensoren sauber und trocken halten.
Jeder autonome Bus braucht regelmäßige „Einmessfahrten“
Per internem Aushang haben die Bahnen Monheim ihr Personal gesucht und ausschließlich Busfahrer ausgewählt. „Der Operator muss die Strecke sehr gut kennen soll vorausschauend mitfahren“, beschreibt Bergweiler. Alle Operatoren müssen einen Personenbeförderungsschein haben. Weil die zwei Tonnen schweren Kleinbusse des französischen Herstellers EasyMile aus Toulouse in der Monheimer Version für insgesamt zwölf Personen zugelassen sind. Wären es nur sechs, reichte ein Führerschein der Klasse „B“.
Die fünf Fahrzeuge vom Typ EasyMile EZ10 der zweiten Generation wurden erst in der Woche vor Weihnachten in Monheim angeliefert. Danach standen unter anderem „Einmessfahrten“ an.
Auch im Linienbetrieb müssen die Busse ihre Strecke regelmäßig als Referenz neu „abscannen“: „Immer wenn sich irgendetwas dort verändert hat und mindestens viermal im Jahr“, sagt Detlef Hövermann. Und: Vor Betriebsbeginn steht für jeden Bus eine Leerfahrt auf der gesamten Strecke an - nur begleitet vom Operator.
Haben die ÖPNV-Nutzer Vertrauen in die Technik?
Wenn die Busse dann täglich nach festem Fahrplan unterwegs sind, soll das nicht nur Aufschluss geben, wie praxistauglich die Technik ist, sagt Detlef Hövermann: „Wir wollen auch herausfinden, inwieweit die Nutzer der Technik vertrauen“. Dazu wird das Projekt auch wissenschaftlich begleitet.
Der Linienweg verbindet den zentralen Busbahnhof und zwei Großparkplätze an der Monheimer Altstadt. „Bisher gibt’s da nur ein Sammeltaxi, ohne große Resonanz“, sagt Detlef Hövermann. Weil man die Mitfahrt eine halbe Stunde vorher telefonisch anmelden muss. Die autonomen Busse werden im 20-Minuten-Takt verkehren. Mit mehreren festen Stopps auf dem Weg.
Schon eine Mülltonne am Straßenrand kann zum Not-Stopp führen
Wegen mehrerer Großbaustellen in der Innenstadt können die Busse jedoch fürs Erste nicht durch den „Schelmenturm“ fahren, dem historischen Wahrzeichen der Stadt. Sie fahren eine 2,7 Kilometer lange Ausweichroute - weil der Turm derzeit saniert wird. Aber auch auf dieser kurzen Strecke fahren die Busse nicht bloß stumpf geradeaus, sondern müssen mehrfach abbiegen - auch mit kreuzendem Verkehr.
Mit Hilfe von acht rundum angeordneten Sensoren ertasten sich die Busse per Lasertechnik ihren Weg. Hövermann: „Wenn nur eine Mülltonne irgendwo am Rand etwas in den Straßenraum ragt, stoppt der Bus dort seine Fahrt“. Die Tests bisher haben gezeigt, dass der Operator „ein- bis zweimal pro Fahrt eingreifen muss, meist wegen Falschparkern“, sagt Axel Bergweiler.
Jeder der autonomen Busse fährt auf einer virtuellen Schiene, „von der er nicht abweicht“, erklärt Bergweiler, der als „Chief-Operator“ unter anderem die Operatoren anlernt. „Den normalen Fahrbetrieb steuert der Bus selbst“, sagt der 36-Jährige. Schneller als Tempo 16 fahren die Busse jedoch nicht. Und: Höchstens 20 Stundenkilometer sind derzeit erlaubt. Der ‘Handbetrieb’ durch den Operator ist nur als Ausweichmöglichkeit vorgesehen, sagt Bergweiler: „Das Fahrzeug kann dann höchstens fünf Km/h fahren“.
Noch keine sinnvolle Alternative für den ÖPNV
Aus Sicht von Detlef Hövermann sind selbstfahrende Busse noch längst nicht in der Lage, den ÖPNV sinnvoll zu ergänzen: „Noch sind sie zu klein und zu langsam“. Aber auf absehbare Zeit? „Ich glaube nicht, dass ich das noch erlebe“, meint der 58-Jährige.
Eine Akku-Ladung reicht für acht Stunden Fahrbetrieb
Insgesamt 2,1 Millionen Euro sind für das Projekt der selbstfahrenden Busse in Monheim budgetiert. Das Projekt ist zu 90 Prozent vom Land NRW gefördert, der Rest kommt von der Stadt Monheim. Der Förderzeitraum geht bis zum Jahr 2025. Die fünf Fahrzeuge vom Typ EasyMile EZ10 kosteten insgesamt etwa 1,5 Mio. Euro. Sie kosten damit je Fahrzeug in etwa so viel wie ein herkömmlicher großer Diesel betriebener Linienbus. Eine Akkuladung der elektrisch betriebenen Minibusse reicht je Fahrzeug für etwa acht Stunden Betriebszeit.
Stand jetzt seien ohnehin die Personalkosten der Knackpunkt, die gut 80 Prozent bei Nahverkehrsunternehmen ausmachen, sagt Hövermann. „So werden solche Busse niemals Gewinn abwerfen“, glaubt Hövermann. Erst wenn man auf Personal verzichten könne, dann seien autonome Busse sowas wie der Schlüssel für die Zukunft.
So hat man sich in Monheim das „Nahziel“ gesetzt, „irgendwann“ die Operatoren an Bord der autonom fahrenden Busse überflüssig zu machen - ersetzt durch eine zusätzliche Person in der Leitstelle, die die Fahrten dann fernüberwacht und per Mikrophon Kontakt zu den Businsassen hält, beschreibt Axel Bergweiler. Doch dazu muss sich auch die Rechtslage ändern. Das kann noch viele Jahre dauern, glaubt man in Monheim. Detlef Hövermann: „Unsere jetzigen Busfahrer müssen sich keine Job-Sorgen machen“.
>>>>>Info: Ein Déjà-vu für Monheim
„Alles rennt, rettet, flüchtet...!“ Als im Jahr 1904 in Monheim erstmals die „gleislose Bahn“ unterwegs war, war das Aufsehen groß, heißt es in einem Buch über die Bahnen in Monheim. Mit sagenhaften 15 Stundenkilometern rumpelten damals elektrische ‘Straßenbahnen’ auf Pferdewagenrädern über die grob befestigten Wege der Gegend. Strom kam aus einer Oberleitung für beide Richtungen. Begegneten sich Fahrzeuge, musste eines stoppen und seinen Stromabnehmer absenken.
Im Jahr 2020 erlebt Monheim ein Déjà-vu. Auch die autonomen Busse fahren gleislos, aber auf einer virtuellen Schiene, von der sie nicht abweichen. Und ihre Tempo ist der Sicherheit wegen auf 16 Km/h begrenzt. Rechtlich werden die Busse mit ‘spitzen Fingern’ angefasst. Was zu kuriosen Situationen führt: Eine Fahrt zum Betriebshof, im Gewerbegebiet etwa zwei Kilometer von Monheims Innenstadt entfernt? „Geht nur mit Transport auf einem Anhänger“, sagt Bahnen Monheim-Geschäftsführer Detlef Hövermann. Deshalb bekommen die fünf fahrerlosen Busse ein eigenes Depot mit Ladestationen für die Akkus - an ihrem künftigen Linienweg.
Monheim setzt auf fahrerlose Busse