Duisburg/Rheinberg. Sperrungen auf der A40, Bauarbeiten auf der A42: Viele Pendler weichen auf die Rheinfähre zwischen Walsum und Orsoy aus. 400 Fahrzeuge pro Tag.
Eigentlich fährt Dirk Nowakowski nur hin und her: Vom rechtsrheinischen Duisburg-Walsum zum linksrheinischen Rheinberg-Orsoy, von der Industriekulisse des Ruhrgebiets zur niederrheinischen Idylle, vom Walsumer Kraftwerk zum Orsoyer Kirchturm. „Trotzdem möchte ich nichts anderes machen, es wird nie langweilig“, erzählt Nowakowski, der seit 15 Jahren die Rheinfähre „Glück Auf“ betreibt. „Fünf Minuten Urlaub vom Alltag mit tollem Panorama“, nennt der Duisburger die kurze Überfahrt auf Höhe von Rheinkilometer 793.
Die vielen Pendler, die jeden Tag die Autofährverbindung nehmen, sehen das genauso. Eng geparkt passen zwölf Fahrzeuge darauf. „Viele sagen, dass sie die kleine Auszeit genießen, vor allem wenn die Sicht klar ist“, erzählt Nowakowski. So wie an diesem Tag: Es ist sonnig und mild, Frachtschiffe ziehen vorbei, Vögel kreisen. „Gerade die Sonnenuntergänge hier auf dem Rhein sind wunderschön“, so der Betreiber.
Erste motorisierte Rheinfähre zwischen Orsoy und Walsum
Einer der regelmäßigen Kunden ist Matthias Langhoff, der in achter Generation die Gaststätte „Walsumer Hof“ betreibt. „Ich fahre mehrmals pro Woche nach Kevelaer und nutze die Fähre, weil es der schnellste Weg für mich ist.“ Das bestätigt auch Georg Groß, der aus Oberhausen-Schmachtendorf kommt und nach Rheinberg zu seinem Steuerberater möchte. Er hat allerdings mit der Seekrankheit zu kämpfen. „Ich habe eigentlich Angst auf dem Wasser und bin immer froh, wenn ich auf der anderen Seite angekommen bin“, sagt er.
Die Autobahn sei für ihn aber keine Alternative. „Immer voll, immer wird gebaut, da mache ich lieber diese schnelle Überfahrt, das hat Atmosphäre“, findet Groß. Und Geschichte, denn die Fährverbindung zwischen Walsum und Orsoy besteht bereits seit über 360 Jahren. Anfangs zogen Männer das Schiff am Seil über den Rhein. Seit 1958 ist die „Glück Auf“ hier die erste motorisierte Rheinfähre.
Frachter haben immer Vorfahrt auf dem Rhein
Die Fähre verkehrt bei jedem Wasserstand und bei jedem Wetter wochentags zwischen 6.15 Uhr und 19.30 Uhr, samstags zwischen 8 und 18 Uhr, sonntags zwischen 10 und 18 Uhr. „Wir fahren auch bei Nebel, Regen und Frost“, erklärt Nowakowski. „Dann kommen aber weniger Gäste.“ Viele Stammkunden sind sonst jeden Tag auf dem Schiff, oft arbeiten sie im Ruhrgebiet und wohnen in Rheinberg, Alpen und Umgebung. Oder sie besuchen Verwandte und Freunde am Niederrhein.
Drei Euro kostet die Überfahrt für Autofahrer, Motorradfahrer zahlen 2,50 Euro, Radfahrer zwei Euro. Es gibt auch Zehner-, Wochen- und Jahreskarten. „Im Sommer sind die Ausflügler unser Kerngeschäft, dann kommen gerade an den Wochenenden sehr viele Radfahrer und Spaziergänger“, erklärt Nowakowski, der das Große Rheinpatent besitzt und die Rheinfähre von seinem Stiefvater übernommen hat. „Er hat das seit 1965 gemacht, da kam einiges an Erfahrung zusammen.“ Mittlerweile sei man meist zu zweit auf der Fähre. Einer fährt, einer kassiert.
Die meisten Kunden kommen früh morgens
Die meisten Kunden kommen morgens zwischen 6 und 8.30 Uhr. Durchschnittlich fahren täglich etwa 400 Autos mit. „Sobald es aber Unfälle oder Sperrungen auf der A42 oder der A40 gibt, steigt diese Zahl sprunghaft an“, erklärt Nowakowski. Wie in der vergangenen Woche, als im Bereich der Lkw-Waage auf der A40 drei Pkw an einem Unfall beteiligt waren und sich kilometerlange Staus bildeten.
Und der 48-Jährige erinnert sich auch an die Sperrung der A40-Rheinbrücke Neuenkamp im August 2017. „Da war auch die A42 vollkommen verstopft, so dass sehr viele auf die Fähre ausgewichen sind“, erzählt er. Zu Spitzenzeiten hätten mehr als 1000 Fahrzeuge auf die Fähre gewollt. „Da hat es auch bei uns bis zu eineinhalb Stunden länger gedauert. Das war für die meisten aber immer noch schneller als auf der Autobahn“, so Nowakowski.
Die Fähre brauche zwischen drei und acht Minuten für die Überfahrt, bei etwa zehn Stundenkilometern. Generell, sagt Nowakowski, seien Sperrungen und Sanierungsarbeiten auf den umliegenden Autobahnen für ihn das beste Geschäft. „Dann haben wir Hochkonjunktur.“ Daran werde sich auch in den nächsten Jahren nichts ändern, schließlich werde überall gebaut, und die Infrastruktur sei für so viele Fahrzeuge derzeit eben nicht ausgelegt.
Zwischen Weihnachten und Neujahr keine Überfahrten
Ruhiger geht es auf der Rheinfähre zwischen Weihnachten und Neujahr zu, dann wird sie gewartet, kleine Reparaturen werden durchgeführt, und der Fährbetrieb steht still. Seit Anfang des Jahres ist die „Glück Auf“ emissionsärmer unterwegs, drei neue, dieselbetriebene Motoren wurden eingebaut. Die neuen Aggregate verbrauchen weniger Sprit, rund 2000 Liter pro Woche sind es nun.
Brenzlige Situationen gebe es auf der Fähre übrigens keine, erzählt Nowakowski. „Die großen Frachter haben immer Vorfahrt, da stimmen wir uns über Funk ab.“ Nachts, wenn die Fähre in Walsum am Ufer liegt, werden aber die Überwachungskameras scharf geschaltet. „Leider gab es in letzter Zeit viel Vandalismus, die Scheiben wurden eingeschlagen.“ Seitdem alles gefilmt wird, sei aber nichts mehr passiert.