An Rhein und Ruhr. NRZ-Kolumnist Matthias Maruhn trifft Rudi Löffelsend, der für die Caritas die Auslandshilfe organisiert und viele Spendenaktionen begleitet hat.

Die Sonne geht langsam in die Knie und unsere Schatten in die Länge. Wir haben am Straßenrand Halt gemacht, schauen in ein Tal und stemmen unsere Hände ins gestauchte Kreuz. Seit dem frühen Morgen sind wir im Jeep auf einer ruppigen Piste von Split aus über die Berge tief ins vom Krieg heimgesuchte Bosnien unterwegs. Rudi dreht sich jetzt kurz um und ruft zur „Pressekonferenz“. Man muss wissen, Rudi redet nicht, Rudi brummt eher, fast so wie ein Grizzly: „Ihr könnt wählen. Erst Happihappi oder erst Hoppeldipoppel.“

Verica, die Kollegin vom Radio und ich müssen laut lachen. Danke, Rudi. Die kleine, aber stets wache Angst vor Scharfschützen oder Autounfällen ist verflogen. Wir entscheiden uns für das Weiterfahren vor dem Essen. Rudi sitzt wie immer vorne rechts. Wenn der Fahrer dann wieder zu viel Gas gibt, beginnt Rudi zu singen. „Näher mein Gott zu Dir“. Der Fahrer bremst ab. Können Grizzlys lächeln? 25 Jahre ist das her.

Gemeinsame Arbeit für die NRZ-Weihnachtsaktionen

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Jetzt treffe ich Rudi Löffelsend in einem Park vor seiner Wohnung. Die kleine Bank murmelt kurz so was wie „Hilfe, Überfall“, aber da sitzen die beiden stattlichen Herren schon. Es war genau diese Zeit zu Beginn des Advents, dass mein Chef Thorsten Scharnhorst mich stets in sein Büro zitierte: „Wir haben noch keine Weihnachtsaktion. Sie übernehmen das.“ Ich habe dann gleich Rudi angerufen, weil der als Chef der Auslandshilfe bei der Caritas im Bistum Essen immer sofort eine Idee im Ärmel hatte und Sekunden später den detaillierten Ablauf der Aktion hinterher zauberte. Immer wieder Bosnien, später Kosovo. Hilfe für Flüchtlinge, Werkzeug für den Wiederaufbau, Spielsachen für die Roma-Kinder in Skopje, dann Heizöfen für die Erdbebenopfer in der Türkei, ein Heim für die Waisenkinder in Rumänien, ein Erholungshort für die ukrainischen Kinder nach Tschernobyl, Hilfe für hungernde Bergleute in Serbien. Rudi machte, ich schrieb darüber, und die Leser, die Protagonisten dieser Geschichte, gaben uns die Knete, um den Worten mit Taten Kraft zu verleihen.

Rudi wird im April 70. Reisen ist schwierig geworden. Die Knie sind hin. Natürlich macht und tut er noch. Telefoniert, rät, ist mit seinem von ihm ins Leben gerufenen Verein „Caritas Flüchtlingshilfe“ vor allem im Irak aktiv. Wieder ist die NRZ mit im Boot. Im Sommer war Rudi noch mal in Rumänien, Das Heim bei Temesvar. „Den Kindern dort gehört mein Herz.“

„Aufgabe erledigt, bin nach Hause.“

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Eine eigene Familie hat er nicht gegründet. Wann auch? „Ich bin aber dankbar für mein Leben, weil es so erfüllend ist. Und man bekommt zurück. Ein Beispiel: Ich hab beim Einparken gepennt und das Garagentor getroffen. Der Wagen war verbeult. Ich habe ihn in eine kleine Werkstatt gebracht. Als ich zahlen wollte, sagte der Mechaniker, ein Iraker: Du hast meinen Leuten so oft geholfen, von Dir nehme ich kein Geld.“ Das sind Orden, die wirklich glänzen. Rudis Welt ist aber nicht auf Orden, sondern auf Glauben gebaut. „Nur durch den Glauben hat das doch alles einen Sinn.“ Er hat sich auch schon was für seinen Grabstein überlegt. Da kommt dann auch der alte Pfadfinder Rudi ins Spiel. „In eine Ecke kommt ein Kreuz, in die andere ein Kreis mit einem Punkt darin.“ Ist das pfadfinderisch? „Ja, es heißt: Aufgabe erledigt, bin nach Hause.“
Schau an, Grizzlys lächeln doch.