Am Niederrhein. Im Umgang mit Missbrauchsfällen räumt Genn Fehler ein. Künftig gilt auch im Münster Bistum: Missbrauchstäter dürfen keine Seelsorge mehr leisten.
In einem offenen Brief an die Katholiken in seinem Bistum hat Münsters Bischof Felix Genn an diesem Freitag (22. November 2019) sehr klar auch persönlich Fehler eingeräumt im Umgang mit den aktuell diskutierten Missbrauchsfällen - zum Beispiel in Kevelaer. Für die Zukunft stellt Genn klar: Missbrauchstätern sollen im Bistum alle priesterlichen Dienste untersagt werden. Der Bischof will zudem prüfen, ob man ihnen das Gehalt kürzen oder weitergehende Auflagen aussprechen kann.
„Sicher ist: Verurteilte Missbrauchstäter oder Priester, bei denen es strafrechtlich oder kirchenrechtlich unstrittig ist, dass sie Kinder oder Jugendliche missbraucht haben, dürfen nicht mehr in der Seelsorge eingesetzt werden“, heißt es in dem vierseitigen Brief des Bischofs. Die in dem Schreiben erwähnten „weitergehenden Strafen“, die künftig geprüft werden sollen, erläuterte ein Bistumssprecher auf Nachfrage der Redaktion.
„Wir lassen prüfen, was möglich ist“
Beispielsweise könnten Täter bei erwiesenem Missbrauch aus dem priesterlichen Dienst entlassen oder in den Ruhestand versetzt werden – was dann zu einer Reduzierung der Bezüge führt. Möglicherweise könnten Täter auch zu einer Therapie verpflichtet werden, die sie dann selbst bezahlen müssen. Aktuell gebe es noch keine Gehaltskürzungen: „Aber da werden wir nun prüfen lassen, ob und was möglich ist“, sagte der Sprecher.
“Ich bin bereit, Macht abzugeben“
„Um sexuellen Missbrauch in der Kirche künftig deutlich zu erschweren, brauchen wir eine neue Machtverteilung“, sagte der Münsteraner Bischof Felix Genn der Redaktion. Man brauche ein neues Verhältnis von sogenannten Laien und Priestern, von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Männern und Frauen in der katholischen Kirche. „Und da ich schon den Vorwurf höre, dass sich das leicht sagen lässt, fange ich bei mir selbst an: Ich bin bereit, Macht abzugeben und mich etwa einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu stellen, in der dann sicher auch Laien mitentscheiden müssten“, sagte Genn. Solche kirchlichen Verwaltungsgerichte könnten Verwaltungsakte von Bistümern dann unabhängig überprüfen. (dum)
Genn bezieht sich zum einen auf den Anfang November bekannt geworden Fall eines Geistlichen, der nach Missbrauch Mittr der 80-er Jahre in Kevelaer entgegen einer Auflage doch noch öffentlich Gottesdienste feierte. Der inzwischen emeritierte Pfarrer war zuletzt im münsterländischen Wadersloh tätig gewesen. Und Genn bezog sich auf den ebenfalls jüngst bekanntgewordenen Fall eines Priesters aus dem Erzbistum Köln, der in den 1970er und 1980er Jahren mehrfach verurteilt wurde, u. a. weil er sich an Minderjährigen vergangenen hatte. Er war aber danach dennoch über Jahrzehnte im Erzbistum wie auch in Münster und im Ruhrbistum als Priester tätig – u. a. in Essen-Kettwig, Bocholt/Lowick, Recklinghausen, Moers-Asberg und Bochum Wattenscheid.
Verständnis für Wut und Ärger in Wadersloh, Kevelaer und anderswo
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„Dass damals ein Priester in einer Gemeinde seelsorgliche Dienste tun konnte, obwohl bekannt war, dass er mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden war, war ein verheerender Fehler“, schreibt Genn mit Blick auf den zweiten Fall. Vor seinem Wechsel 2009 nach Münster war Genn Bischof von Essen. In dem offenen Brief bittet er deshalb „alle um Entschuldigung, die sich jetzt hintergangenen und betrogen fühlen“. Im Rückblick erschrecke ihn die fehlende Einsicht, dass „ein Priester grundsätzlich nicht mehr seelsorgerisch tätig sein darf, wenn er sich solcher Verbrechen schuldig gemacht hat.“
Und zum Kevelaerer Fall schreibt Genn ausdrücklich: „Ich habe Fehler gemacht.“ Die Auflage nur noch „Gottesdienste ohne große Öffentlichkeit“ zu feiern sei unpräzise gewesen und habe zu neuen Verletzungen geführt. Ernsthaften Hinweisen, dass dagegen verstoßen wurde, sei nicht konsequent nachgegangen worden. Genn äußerte Verständnis, „dass es dass es etwa in der Pfarrei Wadersloh aber auch in Kevelaer und andernorts viel Unverständnis, Wut und Verärgerungen über die ausgebliebene Kommunikation gab und gibt“.
Bistumsleitung ist bei Veranstaltungen fortan immer vor Ort
Der Bischof verspricht: In künftigen Fällen werde man nach einem Informationsweg suchen, der die Interessen der Missbrauchsopfer wahrt, zugleich aber auch die Pfarreigremien nicht im Unklaren lässt. Künftig werde auch die Bistumsleitung immer bei Informationsveranstaltungen zu Missbrauchsfällen vor Ort sein – entweder Genn als Bischof selbst oder einer der Weihbischöfe. Bei aktuellen Veranstaltungen an diesem Donnerstag in Westerkappeln oder jetzt in Recklinghausen, Moers oder Wadersloh sei das auch bereits der Fall, erklärte der Bistumssprecher auf Nachfrage der Redaktion.
Bischof Genn selbst betont im offenen Brief: „Wir bemühen uns immer wieder neu, die Interessen der Betroffenen in den Mittelpunkt unseres Tuns zu stellen.“