Herkunft von Kunstwerken erforschen: Das Museum Folkwang zeigt Ergebnisse erstmals in der Sammlung. Interview mit Kuratorin Isabel Hufschmidt.

Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste (DZK) spricht von einer „Vorreiterrolle“: Erstmals hat das Museum Folkwang seine Provenienzforschung in der Sammlung sichtbar gemacht, indem die Herkunftsgeschichte von Werken auf Schildern neben den Objekten aufgeführt ist. Ein Raum informiert zudem über Provenienzforschung.

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Isabel Hufschmidt: Wir haben uns klar dafür entschieden, dass Provenienzforschung im Museum zu sehen sein soll, denn sie ist substanzieller Bestandteil der Sammlungsgeschichte. Die Neupräsentation der Sammlung dieses Jahr war die Chance, die Provenienzforschung in den Sammlungsräumen permanent zu integrieren. Was ist Provenienzforschung überhaupt? Wir möchten das Thema dem Publikum verständlich und sachlich vermitteln. Provenienzforschung ist erstmal generell Herkunftsforschung zur Biografie eines Objekts. Durch die Historie in Deutschland gehört die Prüfung auf NS-verfolgungsbedingten Entzug für Objekte, die vor 1945 entstanden sind und nach 1933 in die Sammlung kamen, zum grundlegenden Teil der Arbeit von Provenienzforscher in deutschen Institutionen. Gleiches gilt für die Untersuchung zu außereuropäischen Objekten vor dem Hintergrund der Zeit des Kolonialismus.

Herkunftsforschung wird im Museum Folkwang unter anderem über farbige Markierungen, die neben den ausgestellten Objekten sichtbar. Sie zeigen je nach Farbstufe, wie der Recherche- und Handlungsbedarf für ein Objekt eingeschätzt wird. Wie funktioniert diese „Ampel“?

Grün bedeutet: Die Provenienz ist für den Zeitraum 1933 bis 1945 unbedenklich und schließt einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund aus. Gelb heißt: Die Provenienz ist nicht eindeutig geklärt, es bestehen zu große Lücken. Bei Orange ist die Provenienz bedenklich, es gibt Hinweise auf NS-verfolgungsbedingten Entzug. Bei Rot ist die Provenienz eindeutig belastet.

Und Veränderungen können die Besucher also beobachten?

Es ist wichtig, dass Besucher das Prozessuale der Provenienzforschung nachvollziehen können. Die farbigen Abstufungen neben den Werken verändern sich. Ein gelber Punkt neben einem Objekt kann nach einiger Zeit grün oder vielleicht orange oder rot werden. Je nach dem, was die Recherchen, denen die Objekte unterzogen werden, zu Tage fördern.

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Wie geht es weiter, wenn bei einem Objekt die Ampel schließlich auf Rot steht?

Die Lösungsansätze und Konsequenzen können sich ganz unterschiedlich darstellen. Es kann etwa zu einer Rückgabe, einem Rückankauf oder einer Dauerleihgabe im Museum kommen. Essenziell ist dabei auch immer der transparente Umgang des Hauses mit den Ergebnissen der Recherchen und dem Verlauf der Lösungssuche.

Das Museum Folkwang beschäftigt sich seit Jahren mit der Herkunft des eigenen Bestandes. Was ist schon passiert, was steht noch an?

Bereits vor meinem Stellenantritt im Dezember 2016 wurden einzelne Konvolute in Förderprojekten untersucht. Nun geht es um die integrale Prüfung der Bestände. Ein neues, vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg gefördertes Projekt begann im Oktober. Wir untersuchen Objekte der Malerei und Bildhauerei, die zwischen 1933 und 1945 sowie 1946 und 1970 in den Besitz des Museums gelangten. Zuvor habe ich diese Bestände per Farbskala vorkategorisiert und eine Priorisierung der Untersuchungen festgelegt. 102 Werke werden im Rahmen des einjährigen Projekts auf NS-verfolgungsbedingten Entzug überprüft.

Und wie geht es dann weiter?

Nach einem Jahr ist noch lange nicht Schluss. Provenienzforschung hört ja nicht auf. Die Bestandsprüfungen gehen weiter. Während ein Projekt läuft, erfolgen bereits die Untersuchungen und Vorbereitungen für andere Bestände. Kontinuität ist in der Provenienzforschung essenziell.

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Könnte mehr Zentralisierung, etwa eine landes- oder bundesweit zentrale Stelle oder Kommission, die Provenienzforschung und Restitutionspraxis in Deutschland weiter voranbringen?

Die Diskussionen darüber dauern an, wie auch Gedanken zu einer Art zentralisierten Megadatenbank. Es bleibt spannend. Denn diese Ideen zeigen, dass man sich darüber einig ist, noch effektiver zu werden. Ob Zentralisierung das Wort der Stunde ist, wie sie sich gestalten soll und was diese tatsächlich für den „Workflow“ (Arbeitsprozess) in der Provenienzforschung und für die bürokratische Entlastung der Institutionen bieten kann, das wird sich zeigen.

Untersuchen Sie den Bestand des Museums auch im Kolonialkontext? Schließlich verfügt das Museum Folkwang über eine breite Sammlung an „Weltkunst“.

Wir vernetzen uns gezielt mit Experten, unter anderem von Universitäten, aus dem Bereich, die sich auf Provenienzforschung zu außereuropäischen Objekten spezialisiert haben. Wir beschäftigen uns mit dem Thema seit einigen Jahren durch Ausstellungen und Veranstaltungen in unserem Haus. Ein Förderprojekt zur Untersuchung der Weltkunstbestände, die in unserer Sammlung vorwiegend aus Asien, Afrika und Ozeanien stammen, streben wir bereits an.