An Rhein und Ruhr. Herkunftsforschung zu Kunstwerken in NRW: Wie viel „NS-Raubkunst“ zurückgegeben wurde, bleibt noch unklar. Was Städte und Museen unternehmen.
Neben Objekten an den Wänden, in Vitrinen oder auf dem schimmernden Holzparkett der weiten, hellen Sammlungsräume des Museum Folkwang kleben farbige Punkte. Grün, gelb, orange: Mit dieser Klassifizierung der Werke hat das Museum erstmals Ergebnisse seiner Provenienzforschung - also der Untersuchungen zur Herkunft von Kunstwerken - in den eigenen Ausstellungsräumen sichtbar gemacht.
„Grün bedeutet: Die Provenienz ist für den Zeitraum 1933 bis 1945 unbedenklich und schließt einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund aus“, erläutert Kuratorin Isabel Hufschmidt. Gelb und Orange erfordern weitere Forschung. Bei Rot sei die Herkunft eindeutig belastet. Mit dieser „Ampel“ vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) und einem Ausstellungsraum möchte das Essener Museum Provenienzforschung „dem Publikum verständlich und sachlich vermitteln.“
Mehr Zentralisierung von Nöten?
Forschungsarbeit auf diesem Gebiet ist besonders wichtig, um „NS-Raubkunst“ zu identifizieren und an rechtmäßige Eigentümer oder ihre Erben zurückgeben zu können. Zu dieser sogenannten „Restitution“, also Rückgabe, hatte sich Deutschland bereits 1998 mit der „Washingtoner Erklärung“ moralisch, nicht aber gesetzlich verpflichtet. Im Museum Folkwang gab es eigenen Angaben zufolge innerhalb der letzten zehn Jahre zwei Restitutionsbegehren, die seitens der Anspruchsteller aber nicht weiter verfolgt wurden.
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Es scheint, als laufe die Herkunftsforschung und Rückgabe von Werken in NRW – vor allem jedoch an den Universitäten und großen Museen. „Nach 20 Jahren Washingtoner Prinzipien ist viel passiert, aber wir verfügen noch nicht über eine vollständige Aufstellung der Restitutionsfälle“, sagt Matthias Weller, Professor für Bürgerliches Recht, Kunst- und Kulturgutschutzrecht an der Universität Bonn. Auch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft erhebt eigenen Angaben zufolge keine Zahlen zu Restitutionsgesuchen.
„Entscheidend ist, die Provenienzforschung noch stärker in der Arbeit der Sammlungen, Archive und Bibliotheken zu verankern“, heißt es seitens des Ministeriums. „Um der Verantwortung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes gerecht zu werden, stehen über die Mittel des Kulturetats 300.000 Euro pro Jahr zur Verfügung.“ Das Ziel sei es, auch in Nordrhein-Westfalen die Erforschung von Beständen mit Nachdruck voranzutreiben, sodass NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zurückgegeben werden kann.
Städte und Museen entlasten
„Wir brauchen ein klares Bild dazu, wo wir stehen. Gerade für das Gespräch mit Anspruchstellern und ihren Vertretern“, betont Professor Weller. „Die Länder könnten aber darüber nachdenken, eigene Restitutionskommissionen einzurichten, bei denen zumindest landesweit alles zusammenläuft.“ Was auch den Vorteil habe, dass Museen, ihre dezentralen Träger, Städte und Gemeinden entlastet würden.
In eine ähnliche Richtung zielt auch der Landschaftsverband Rheinland (LVR). „Wir schlagen vor, dass für Nordrhein-Westfalen eine koordinierende Stelle etabliert wird“, sagt Museumsberaterin Ruth Türnich. Der LVR hat jüngst einen Leitfaden zur Provenienzforschung erstellt, um die Provenienzforschung im Arbeitsalltag zu erleichtern - „mit einem besonderen Blick auf die Bedürfnisse kleinerer Museen aller Sparten“. Nach Veröffentlichung des Leitfadens im Oktober könne es konkrete Pläne mit dem Land geben.
„Wir wollen geraubte Kunst nicht behalten“
Die Städte Köln und Düsseldorf veröffentlichen Informationen zu Restitutionen bereits im Internet. Über noch anhängige Verfahren gebe die Stadt Köln keine Informationen an die Öffentlichkeit, sagt Provenienzforscherin Britta Olenyi von Husen. Bereits abgeschlossenen Verfahren samt Resultaten werden aber online publiziert. „Wir wollen einen transparenten Prozess.“ Es sind derzeit 22 Fälle seit der Washingtoner Erklärung gelistet.
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In Düsseldorf ging 2005 das erste Restitutionsgesuch ein, inzwischen sind es insgesamt sechs und „Auskunftsersuche gibt es regelmäßig“, sagt Provenienzforscherin Isgard Kracht. Erst im Juli hatte der Rat beschlossen, ein Gemälde von Emil Nolde an die Erben von Curt Schueler zu restituieren. Derzeit liefen zwei Verfahren, zu Franz Marcs „Füchsen“ und einem Werk von Friedrich Wilhelm von Schadow. Ein Auskunftsgesuch im DDR-Kontext liege zudem vor. „Wir haben die Provenienzforschung ausgebaut, gerade weil wir geraubte Kunst nicht behalten wollen.“
Auch am Museum Folkwang geht die Bestandsprüfung weiter, sagt Kuratorin Isabel Hufschmidt. Im Oktober startete ein einjähriges Forschungsprojekt, das 102 Werke auf NS-verfolgungsbedingten Entzug überprüft. „Nach einem Jahr ist noch lange nicht Schluss. Provenienzforschung hört ja nicht auf.“