Am Niederrhein. Jos de Bruin betreibt in Sonsbeck eine Auffangstation für Wölfe und klärt über die Wildtiere auf. Angst brauche der Mensch nicht zu haben.
Dem Nasenstubser kann sich die Besucherin nicht entziehen. Neugierig beäugt Wolfshündin Shy die Frau, die sich da auf der Bank vor dem Wolfsgehege mit ihrem Herrchen unterhält. Die Aufforderung zum Kraulen ist unmissverständlich. Die Pfote wandert auf den Arm, die Schnauze kommt immer näher, ein tiefer Blick – und schwups, da ist sie, die Nase auf der Wange.
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Keine Frage, an Shy kommt keiner vorbei, in der Sonsbecker Auffangstation für Wölfe. Seit 15 Jahren lebt Jos de Bruin mit den Wildtieren hier zusammen und leistet Aufklärungsarbeit. „Ja, ja. Die Mär vom bösen Wolf.“ De Bruin kann mittlerweile nur den Kopf schütteln. „Manches kann man nicht mehr ernst nehmen“, sagt der Niederländer. Die Aufregung um Wölfin „Gloria“, die sich im Schermbecker Wald angesiedelt hat, kann er schwer nachvollziehen. Er betont: „Wir reden von einer Wölfin. In Brandenburg und Niedersachsen gibt es ganze Wolfsrudel.“
Der Wolfsforscher lebt mit 13 Wildtieren zusammen
Auf dem alten Bauernhof in Sonsbeck lebt der 54-Jährige mit 13 Wildtieren, die entweder aus nicht artgerechter Privathaltung beschlagnahmt wurden oder aus gesundheitlichen Gründen aus Tierparks rausgenommen werden – wie Kiba.
Der junge Polarwolf wäre beinah von der Schwester seiner Mutter getötet worden. Jos de Bruin zog Kiba mit der Flasche groß. Heute genießt er die Ruhe im Sonsbecker Gehege, in das der Wolfsexperte am heutigen Samstag mit dem Verein Wolfsschutz Deutschland, dem Nabu und der Partei Mensch Umwelt Tierschutz zum Infotag rund um Wölfe einlädt (Infos: www.wolf-auffang.de).
Wölfe meiden den Menschen
In der Natur sind die Wildtiere scheu. Die Neugier, mit der Kiba die Besucher in der Auffangstation begegnet, „werden sie in der freien Wildbahn nicht erleben. Die Wölfe ziehen sich zurück, wenn sie Menschen sehen. Deshalb gibt es auch von Gloria nur zwei Fotos bislang“, klärt der Wolfsforscher auf.
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Ja, es gibt die Schafsrisse. Und: Ja, „ein Wolf ist ein Raubtier, es frisst keine Möhren, sondern Fleisch, bevorzugt Rotwild, Rehe oder Wildschweine. Zumeist holen Wölfe sich aber schwache oder kranke Tiere. Die Chance im Wald von einem Wildschwein verletzt zu werden, ist um ein Vielfaches größer. Ist deshalb schon mal jemand nicht in den Wald gegangen?“, fragt de Bruin.
„Die meisten Probleme haben die Hobbyschäfer“
Natürlich könne er die Sorgen der Schafsbesitzer verstehen. „Die meisten Probleme haben aber die Hobbyschäfer, die vielleicht zehn oder 20 Tiere halten. Sie haben meistens nicht die Absicherung, die man in einem Wolfsgebiet braucht“, sagt Jos de Bruin. Ein 90 Zentimeter hoher Elektrozaun sieht der Herdenschutz in NRW vor. „1,20 Meter wäre noch besser.“ Das Problem sei, „dass der Herdenschutz erst vom Land finanziell unterstützt wird, wenn ein Wolf nachweislich sesshaft geworden ist, das heißt, er muss sechs Monate in einem Gebiet bleiben“.
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Die meisten Wölfe ziehen weiter. „Im Februar, März werden aus Niedersachsen wieder Wölfe zu uns kommen. Wenn sie aber nur eine Woche irgendwo bleiben und ein Schaf reißen, kriegen die Schäfer keine Förderung für die Absicherung. Es wäre sinnvoll, diese aber schon nach zwei Monaten zu gewähren“, sagt Jos de Bruin. Denn eines sei auch klar: „Wenn ein Wolf es geschafft hat, ein Schaf auf einer nicht ausreichend umzäunten Weide zu reißen, ist es leichte Beute für ihn und er wird wiederkommen.“
„Wir können viel von den Wölfen lernen“
Mittlerweile, so Jos de Bruin, sollte aber jeder Herdenbesitzer über mögliche Absicherungen aufgeklärt sein. Dennoch sind er und auch Ulrike de Heuvel, Teamleiterin NRW des Wolfsschutz-Vereins, viel im Wolfsgebiet unterwegs. Die Moerserin, um für ihren Verein Zäune zu kontrollieren. De Bruin, um die Schafsbesitzer über Herdenschutz zu informieren. Dabei stößt er nicht immer auf Gehör.
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„Ich habe das Gefühl, dass einige Menschen Gründe suchen, um sagen zu können, Gloria gehört hier nicht hin. Sie vom Gegenteil zu überzeugen, kann man nicht.“ Jos de Bruin und Ulrike de Heuvel werden weiter aufklären, auf Anfrage auch in Schulen. Sie wollen dem Menschen die Angst vor dem Wolf nehmen und „Fake-News“ entlarven: „Wir können viel von Wölfen lernen. Sie kümmern sich zum Beispiel um schwächere Familienmitglieder.“
Vor allem junge Leute wolle man erreichen, denn die „sind die Wolfsschützer von Morgen“, sagt Jos de Bruin und geht ins Gehege, wo er von Kiba stürmisch begrüßt wird. Wolfshündin Shy muss draußen warten. Aber macht nichts. Der Besuch zum Kraulen ist ja noch da.