An Rhein und Ruhr. Seit Mai hat es im Rhein-Sieg-Kreis und im Bergischen Land vermehrt Hinweise gegeben. Das Gebiet steht nun „unter Beobachtung“.

Wölfe sind zurück in Nordrhein-Westfalen: Ein Weibchen hat sich im Gebiet bei Schermbeck am Niederrhein niedergelassen, ein weiteres ist in der Senne in Ostwestfalen ansässig und ein Rüde durchstreift die Eifel. Diese drei Regionen sind amtlich bestätigte „Wolfsgebiete“. Als wahrscheinlich gilt, dass sich die unter strengem Naturschutz stehenden Raubtiere in NRW weiter ausbreiten werden.

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Die Zahl der amtlich bestätigten Wolfsnachweise ist im größten Bundesland im Jahr 2019 sprunghaft nach oben geschnellt – 34 waren es bis Mitte August, im Vorjahreszeitraum waren es lediglich 14 gewesen. Ein Grund sind die bisher drei standorttreuen NRW-Tiere. Ein weiterer Grund ist, dass der Wolfsbestand bundesweit weiter steigt. Immer mehr Jungtiere verlassen ihre Elternrudel und suchen eigene Reviere und Partner.

Wolf in NRW: Zugzeit der Jungtiere ist eigentlich rum

In NRW befinden sich der Rhein-Sieg-Kreis und das angrenzender Oberbergische Land derzeit im Fokus. Seit Mai 2019 hat es dort mehrere amtlich bestätigte Wolfsnachweise gegeben – und das auch im Spätsommer, wenn die Zugzeit der Jungtiere eigentlich vorüber ist. „Das Gebiet steht unter intensiver Beobachtung“, erklärte Wilhelm Deitermann vom Landesumweltamt (Lanuv) auf Nachfrage der Redaktion. Deitermann wie auch Peter Schütz vom NRW-Umweltministerium wollen die Lage ausdrücklich nicht bewerten.

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Beide betonen auf Nachfrage der Redaktion, dass von einem weiteren standorttreuen Wolf erst gesprochen werden kann, wenn ein konkretes Tier im Verlauf von sechs Monaten anhand von DNA-Spuren mehrfach eindeutig identifiziert wurde. Anders als am Niederrhein oder in Senne oder Eifel ist das in diesem Gebiet bisher nicht der Fall. „Wir brauchen individualisierte Nachweise“, sagt Ministeriumssprecher Schütz.

Fachleute haben die neuen Wolfsrisse in NRW begutachtet

Zuletzt war ein Schaf am 1. August 2019 in Much (Rhein-Sieg-Kreis) von einem Wolf gerissen worden. ein weiteres zuvor am 22. Juli 2019 in Engelskirchen (Oberbergischer Kreis) sowie drei weitere am 10. Juli, ebenfalls in Engelskirchen. Zudem hatte ebenfalls ein Wolf am 20. Mai 2019 einen Rehbock in Eitorf (Rhein-Sieg-Kreis) verschleppt. Fachleute hatten alle diese Fälle begutachtet und sind jeweils überzeugt, dass ein Wolf am Werke am war. Alle diese Fälle sind amtlich bestätigt.

Nur: War es stets der gleiche Wolf? Das ist offen.

Für einen Beleg sind Haare, Kot- oder Speichelreste nötig, die Wissenschaftler ganz konkret einem einzelnen Wolf zuordnen können. Gelungen war ein solcher individualisierter Nachweis in der Region nur am Kadaver des in Eitorf verschleppten Rehbocks. Nur dieses Riss dort konnten die Forscher vom Senckenberg-Institut in Gelnhausen bei Frankfurt einem Wolfrüden zuordnen, der die Kennung „GW1258m“ erhalten hatte.

Weitere Vorfälle werden noch untersucht, andere konnten nicht eindeutig geklärt werden. So prüfen Experten noch Tierfraß an einem ganz jungen Rind, das am 16. September in Hückeswagen (Oberbergischer Kreis) gerissen wurde. Gleiches gilt für insgesamt drei weitere Kälber, die am 23. und am 30. August in Königswinter und in Much mutmaßlich gerissen wurden. Bei je einem totem Schaf am 29. Juli in Nümbrecht (Oberbergischer Kreis) und am 6. Juni in Hennef (Rhein-Sieg-Kreis) schließen die Experten zumindest nicht aus, dass ein Wolf für deren Ableben verantwortlich sein könnte.

Wölfe sind immer wieder für Überraschungen gut

Und bereits am 17. Mai 2019 war nahe Oberelp (Rhein-Sieg-Kreis) ein wolfsähnliches Tier fotografiert worden. Ob die Aufnahme tatsächlich einen Wolf zeigt (und keinen Hund), vermögen Fachleute nicht zu sagen. Zu schlecht war die Bildqualität.

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Oberberg und Rhein-Sieg hätten als Wolfsrevier durchaus Qualitäten. Es gibt einen Wechsel von Wäldern und offener Landschaft, Rückzugsräume und reichlich Wild als potenzielle Beute, Dass die Gegend an schönen Tagen teilweise touristisch ziemlich belebt ist (z.B. das Siebengebirge), ist ein Minuspunkt, aber kein Ausschlusskriterium.

„Bei der Wahl ihrer Gebiete haben uns Wölfe in der Vergangenheit immer wieder auch überrascht“, sagte Katharina Stenglein, Fachfrau vom Naturschutzbund (Nabu), auf Nachfrage der Redaktion Seit es im Jahr 2000 in der sächsischen Oberlausitzerstmals wieder Wolfswelpen gab, breiten sich die Tiere wieder in Deutschland aus. Das Bundesamt für Naturschutz ging Ende November 2018 von deutschlandweit 73 Wolfsrudeln, 30 Wolfspaaren und drei sesshaften Einzelwölfen. Tendenz stark steigend.

In NRW, wo Wölfe mehr als 150 Jahre ausgerottet waren, hatte es seit 2009 wieder Nachweise von Durchzüglern gegeben – erst einzelne, dann ab 2015 immer mehr. Und im Jahr 2018 hatte sich mit der Niederrhein-Wölfin, die im Volksmund „Gloria“ genannt wird, auch erstmals wieder ein solches Tier niedergelassen. Gloria trägt die wissenschaftliche Kennung „GW954f“. Mit dem Weibchen „GW1044f.“ in der Senne und dem Rüden „GW926m“ in Eifel und Hohem Venn gibt es mittlerweile zwei weitere sesshafte Wölfe.

Nabu-Expertin Stenglein ist überzeugt, dass sich Besiedlung in NRW irgendwann an natürliche Grenzen stößt, zunächst aber weitergeht – zumal Tiere längst nicht mehr nur von Norden kommen können von den bestehenden Rudeln in Niedersachsen. „Auch in den Niederlanden gibt es mittlerweile Nachwuchs und in Belgien hat sich ein Paar gefunden“, berichtete Stenglein. Sie ist überzeugt, dass es auch in NRW früher oder später ein erstes Rudel geben werden – „auch wenn wir da bislang noch kein Anzeichen für haben“.

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