An Rhein und Ruhr. Fast 80 Prozent der Lebensräume im NRW-Tiefland sind in einem ungünstigen Erhaltungszustand, heißt es in einem Bericht für die EU-Kommission.

Nordrhein-Westfalen muss mehr für die Lebensräume seiner Tier- und Pflanzenarten tun. Das ist das Ergebnis des neuen Berichtes zur europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH), welcher der Redaktion vorliegt. Das nur alle sechs Jahre erstellte Papier gilt mithin als der wichtigste Naturschutzbericht, weil er anders als etwa die Roten Listen nicht nur einzelne Arten, sondern auch deren Lebensräume in den Blick nimmt.

Moore, Grünland, Flüsse und Seen, Eichen- und Auenwälder: 79,5% der Lebensräume im NRW-Tiefland sind dem Bericht zufolge in einem „ungünstigen Erhaltungszustand“. In den Höhen sieht es deutlich besser aus, da sind es „nur“ 37,5% – eben auch Grünland und Moore. Bei den Tier- und Pflanzenarten steht es um 53% im Tiefland schlecht und um 52% im Bergland. Vor allem Tagfalter-Arten sind betroffen, aber eben auch Krebse und Weichtiere, Farn- und Blütenpflanzen sowie Moose. Auch für einige Säugetierarten wie Mopsfledermaus oder Feldhamster oder Amphibien wie die Geburtshelferkröte sieht es finster aus.

44 Lebensraumtypen und 92 Arten untersucht

Für den FFH-Bericht wurden 44 Lebensraumtypen und 92 Arten untersucht. NRW-weit gibt es 517 FFH-Gebiete mit einer Gesamtgröße von 166.893 Hektar. Die FFH-Richtlinie bildet zusammen mit der EU-Vogelschutzrichtlinie die Grundlage für das Schutzgebietsnetz „Natura 2000“, zu dem in der Rhein-Ruhr-Region u. a. die Walsumer Rheinaue, der Reichswald, die Bislicher Insel, das Schwarze Wasser, das Neandertal oder die Ruhrauen in Mülheim oder Essen-Heisingen gehören.

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Der vom Landesumweltamt (Lanuv) vorgelegte NRW-Bericht wird Teil eines großen deutschlandweiten Berichtes, den die Bundesregierung turnusgemäß an die EU-Kommission in Brüssel überstellt. Das Lanuv stellt fest: Hauptursachen, warum es um einen Lebensraum schlecht bestellt ist, seien hohe Nährstoffeinträge (sprich: zuviel Dünger), Veränderungen des Wasserhaushaltes (zum Beispiel: Austrocknung) und intensive Landnutzung. Veränderungen durch den Klimawandel seien ebenfalls erkennbar.

Landesumweltamt sieht „Erste Erfolge“

Die NRW-Umweltbehörden sehen gleichwohl „erste Erfolge der in den letzten Jahren ergriffenen Naturschutzmaßnahmen“. Lebensräume wie der Kalktrockenrasen im Tiefland oder die regenerierbaren Moore im Bergland hätten sich besser entwickelt. Positives gebe es auch von im Wald lebenden Tierarten wie der Bechsteinfledermaus oder von verschiedenen Libellenarten zu berichten. Betont wird aber, dass man beim Naturschutz nicht nachlassen werde. „Verstärkte Anstrengungen zum Erhalt der biologischen Vielfalt bleiben vordringliches Ziel der Naturschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen“, versichert Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) in einem Anschreiben an Landtagspräsident André Kuper.

Umweltverband BUND will Hambacher Forst als FFH-Gebiet

Umweltschützer beeindruckt das nicht. Holger Sticht, Landeschef des Verbandes BUND, sieht in dem Bericht wenig bis gar keine Veränderung gegenüber dem Vorgänger von 2013. Auch genannte Verbesserungen zieht Sticht im Gespräch mit der Redaktion in Zweifel. Beispiel: Wildkatze. Laut FFH-Bericht hat sich der Erhaltungszustand der scheuen Waldbewohner-Art gebessert. Tatsächlich gebe es mehr Nachweise von Wildkatzen: „Über den wirklichen Erhaltungszustand wissen wir aber wenig“, sagt Sticht.

Er sieht die Entwicklung bei der Wildkatze auch als „keine wahnsinnige Naturschutzleistung“. Diese habe wie auch die Wiederausbreitung des Fischotters viel damit zu tun, dass die Arten nicht gejagt werden dürfen. Sticht fordert die Politik auf, mehr für die Natur zu tun, etwa den Flächenverbrauch zu drosseln. Nicht nachvollziehen kann Sticht, dass der Bericht zu dem Schluss kommt, es seien keine weiteren FFH-Gebiete nötig: „Wenn 80% der Lebensräume im Tiefland in einem schlechten Erhaltungszustand sind, muss der Schutz weiter hochgefahren werden.“ Aus BUND-Sicht gehört der Hambacher Forst unter FFH-Schutz.

8,4% der NRW-Fläche stehen unter Naturschutz

Das Landesumweltamt sieht NRW beim Naturschutz gut aufgestellt. Im deutschlandweiten Vergleich der Flächenländer haben man die meisten Schutzgebiete (insgesamt über 3000), die mit 8,4% auch den höchsten Anteil der Landesfläche ausmachen. Bei der Betreuung er Gebiete gebe es mit den etwa 40 Biologischen Stationen, ergänzend zu den Naturschutzbehörden, ein bundesweit einmaliges Netz

Der Vertragsnaturschutz (in der Regel zusammen mit Bauern) habe sich seit den 1980-er Jahre bewährt und erreiche in der laufenden Förderphase mit über 32.000 Hektar Fläche einen neuen Höchststand.

Kein Bundesland nutze das EU-Life-Natur-Förderprogramm so wie NRW (bislang 36 Projekte). Es gebe umfangreiche Artenschutzprogramme (z. B. für den Feldhamster). Militärische Liegenschaften (z. B.) in der Senne seien wichtige Naturressourcen). (NRZ)