An Rhein und Ruhr. Die NRW-Regierung will den Windenergie-Erlass „anpassen“. Dabei geht es auch darum, Windräder zeitweilig auf Borkenkäferflächen aufzustellen.

Unter ganz bestimmten Bedingungen kann sich die nordrhein-westfälische Landesregierung doch neue Windkraftanlagen in Wäldern vorstellen. Auf Nachfrage der Redaktion kündigte Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) an diesem Mittwoch (21. August 2019) an, den erst kürzlich überarbeiteten Windenergie-Erlass „anzupassen“. Dabei geht es ausdrücklich auch darum, neue Anlagen befristet auf Waldflächen zu erlauben, die jetzt dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen sind.

Windräder in Wäldern sind ein besonderes sensibles Thema. Aktuell drehen sich in NRW-Forsten nur 84 Räder mit einer Gesamtleistung 220,4 Megawatt Leistung (Stand Ende 2018). Gemessen am Anlagenbestand im Bundesland machen sie einen Anteil von lediglich 1,8% aus. Insgesamt war der Windkraftausbau zuletzt ins Stocken geraten. Nicht nur in NRW, wo im ersten Halbjahr 2019 lediglich 14 Anlagen hinzukamen – auch bundesweit.

LEE sieht großes Potenzial

Die Erneuerbare-Energien-Branche sieht großes Potenzial beim Windkraftausbau in Wäldern. 30% der Landesfläche in Nordrhein-Westfalen sei bewaldet, aber erst 0,003% des Waldes in NRW würden für Windräder genutzt., rechnet der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) vor.

LEE-Chef Reiner Priggen drängt darauf, dass dieses Potenzial genutzt wird: „In NRW sind bereits tausende Arbeitsplätze in der Windbranche verloren gegangen, deutschlandweit fast 30.000 – mehr als überhaupt in der Kohle arbeiten“. Und die Landesregierung habe mit ihrer restriktiven Haltung zur Windenergie ihren Anteil daran. (dum)

Mit Blick auf die Energiewende hatte die rot-grüne Vorgängerregierung den Windrad-Bau in speziellen Waldgebieten vorantreiben wollen. Schwarz-gelb hatte diese „Privilegierung“ jedoch mit dem neuen Landesentwicklungsplan (LEP) rückgängig gemacht, der überdies bei neuen Anlagen auch einen 1500-Meter-Abstand zur nächsten Wohnbebauung vorschreibt. Gegenüber der Redaktion verwies Pinkwart jetzt aufs Bundesrecht. Demnach könne im Wald künftig noch in dem Umfang Windenergie geplant werden, in dem in einer Kommune sonst keine anderen Flächen zur Verfügung stehen und es sich nicht um „besonders schutzwürdigen Wald“ handelt.

„Zur Klarstellung der Regelungen des neuen LEP werden wir den Windenergieerlass anpassen“, kündigte Pinkwart jetzt an. Man werde dabei „auch auf Möglichkeiten der zeitlich befristeten Nutzung von Windenergieanlagen auf geschädigten Waldflächen eingehen“. Der Trockenheit und der aktuellen Borkenkäfer-Plage sind mittlerweile mehr als fünf Millionen Fichten zum Opfer gefallen. Zunehmend haben aber auch Buchen Probleme mit der Trockenheit.

Pinkwart sieht „wichtiges Potenzial“ im Repowering

Mit der „zeitlich befristeten Nutzung von Windkraft in Schadgebieten“ greift die Landesregierung einen Vorstoß aus der Energiebranche und von Waldbesitzern auf. Zuspruch kommt auch von Umweltschützern Gegenüber der Redaktion ließ Minister Pinkwart gleichwohl durchblicken, dass er die größten Chancen für den Windkraftausbau gerade nicht in Waldgebieten verortet: „Der Ausbau in NRW wird in den nächsten Jahren insbesondere durch Repowering bestehender Windenergieanlagen erfolgen. Hier sehen wir noch wichtiges Potenzial.“

„Wir begrüßen Pinkwarts Vorstoß“, sagte Philipp Freiherr Heereman, Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW auf Nachfrage der Redaktion. „Windkraft gehört auch in den Wald.“ Allerdings dürfe der Standort der Anlagen nicht allein davon abhängen, ob es sich um eine Schadfläche handelt, sondern ob er für Windenergie überhaupt geeignet sei.

BUND: „Das ist ein Schrittchen in die richtige Richtung“

Dem Umweltverband BUND geht der Pinkwart Vorstoß nicht weit genug: „Das ist nur ein Schrittchen in die richtige Richtung“, sagte NRW-Geschäftsleiter Dirk Jansen. Durch einem beherzten Windkraftausbau auf den vom Borkenkäfer zerstörten Fichtenflächen könne man eine „Triple-Win-Situation“ schaffen: „Für den Klimaschutz, für Biodiversität und nachhaltige Waldwirtschaft und drittens hätten die Waldbauern eine verlässliche Einnahmequelle.“ Nach 20 Betriebsjahren könnte man die Windkraftanlagen dann rückstandsfrei zurückbauen, „was ja eh – anders als bei Kohlekraftwerken – in den Genehmigungen so geregelt ist“.

Kritik kommt auch vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE): „Minister Pinkwart scheint die Not der Waldbauern erkannt zu haben“, meinte Landesvorsitzender Reiner Priggen, klagte aber zugleich, dass es „außer Lippenbekenntnissen nie Konkretes vom Minister gibt“. Priggen betonte: „Wind im Wald darf in NRW nicht nur Nothilfe im Ausnahmefall sein.“ Um die Klimaziele zu erreichen erreichen, müsse man Windräder langfristig auf Schadensflächen und in Wirtschaftswäldern betreiben können.