Düsseldorf. Der Sozialverband VdK NRW fordert eine Vollversicherung für die Pflege. Die SPD unterstützt die Idee, Minister Laumann reagiert zurückhaltend.
Der Sozialverband VdK fordert eine steuerfinanzierte Pflegevollversicherung, die sämtliche Kosten in der Pflege abdeckt – vor allem auch die in der vollstationären Pflege. Mehr als 169.000 Menschen leben derzeit in NRW in Pflegeheimen, 66.000 sind auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen, um die Kosten für die Heimunterbringung zu decken. Die Zuzahlungen liegen landesweit mit durchschnittlich 2.252 Euro pro Monat deutlich über dem bundesweiten Wert von rund 1.830 Euro. Zahlen, die der VdK bei seiner Bilanzkonferenz für 2018 veröffentlichte. Die Folge: Für die Familien steige das Armutsrisiko, da das Sozialamt versucht, einen Teil der Heimkosten bei den Kindern der Pflegebedürftigen zurück zu bekommen.
„Das belastet die Angehörigen. Aus Angst zum Sozialfall zu werden, pflegen sie ihre Angehörigen weiter zu Hause, obwohl die Pflege aber womöglich daheim ineffizient ist“, sagt Thomas Zander, VdK-Geschäftsführer NRW. Dem Verband ist bewusst, dass die Kosten für eine Vollversicherung in die Milliarden gehen würden. Aber angesichts des steigenden Bedarfs in der Pflege müsse man ein Pflegesystem ähnlich wie das des Krankenversicherungssystems aufbauen.
SPD: Pflegeversicherung muss schrittweise eine Vollleistungsversicherung werden
Ein Gedanke, den die SPD unterstützt. Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, sagt: „Die Pflegeversicherung muss endlich zukunftsfähig werden. Es kann nicht wahr sein, dass pflegebedürftige Menschen horrend hohe Kosten alleine tragen müssen, um gepflegt zu werden.“ Deswegen müsse – auch im Hinblick auf die Finanzierung des demographischen Wandels – „die Pflegeversicherung schrittweise von einer Teilkaskoleistung zu einer Vollleistungsversicherung umgewandelt werden“, so Neumann.
Minister Laumann sieht Leistungen nach dem Gießkannenprinzip kritisch
Soweit will NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann nicht gehen. Leistungsverbesserungen nach dem „Gießkannenprinzip“ oder gar eine Vollversicherung sieht er „eher kritisch“ und hält sie für „unrealistisch.“ Die Pflegeversicherung diene nicht in erster Linie dem Erbschaftsschutz oder der Entlastung der Sozialhilfe. Laumann verweist gegenüber NRZ auf ein aktuelles Gesetzgebungsverfahren der Bundesregierung, das vorsieht, den Rückgriff auf das Einkommen von Kindern oder Eltern pflegebedürftiger Menschen zu begrenzen. „Ungelöst sind in meinen Augen die Fälle, bei denen Lebenspartner durch die langjährige Pflegebedürftigkeit ihrer Partner erhebliche Kostenlasten zu schultern haben und Vermögen aufbrauchen, das sie für ihren eigenen Lebensunterhalt benötigen. Das ist unwürdig“, sagt Laumann. Hier brauche es einen Schutzmechanismus.
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„Pflege ist schon jetzt sehr teuer und für viele Menschen nicht mehr bezahlbar. Und sie könnte noch teurer werden,“ sagt Karl-Josef Laumann. Für NRW Sozial,- und Gesundheitsminister ist klar, „dass die gesamte Pflegeversicherung weitgehend neu ausgerichtet werden muss.“ Man müsse aber auch genau schauen, „was wir mit einer Reform bewirken wollen“, sagt Laumann. „Deshalb tun wir gut daran, uns ernsthaft damit zu beschäftigen, wie es gelingen kann, dass die Betroffenen und ihre Familien nicht in das finanzielle Aus getrieben werden“, so der Minister. Klar sei aber auch: „Es gibt hier keine einfachen, schnellen Lösungen.“
Durch die letzten Pflegereformen hätten deutlich mehr Menschen Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung erhalten, die Pflegekassen geben insgesamt deutlich mehr Geld für Leistungen aus: rund 6 Milliarden Euro pro Jahr. Daher sei der Beitragssatzes Anfang des Jahres angehoben worden. Die finanziellen Belastungen der meist jüngeren Betragszahlenden und der Pflegebedürftigen müssten gut austariert werden. Laumann kann sich vorstellen, einen Ansatz zu prüfen, bei dem die „Gemeinschaft am Anfang weniger zur Pflege beisteuert“, mit zunehmender Dauer der Pflege dann aber die Solidarität stärker wird und die Höhen der Leistungen größer werden.
„Viele Menschen haben keine Chance, fürs Alter anzusparen“
Der Sozialverband VdK kann sich eine Finanzierung der Vollversicherung beispielsweise „durch die Einführung einer Digital- und Finanztransaktionssteuer vorstellen. Auch die stärkere Besteuerung von sehr großen Erbschaften und Schenkungen könnte ein Weg zur Finanzierung der Vollversicherung sein“, erklärt Horst Vöge. Der VdK-Landesvorsitzende verweist angesichts des neuen Mitgliederrekords, den der Landesverband mit 360.000 Mitgliedern (ein plus von 60 Prozent seit 2009) verzeichnen kann, auf weitere Lücken im Sozialsystem.
100.000 Sprechstundenkontakte, 6310 Klageverfahren und 25.000 Widersprüche fallen in die VdK-Bilanz für 2018. Die meisten Klageverfahren betreffen Renten,- und Schwerbehindertenfragen. 9,3 Millionen Euro an einmaligen und 670.000 Euro an monatlichen Mehrzahlungen konnten erstritten werden. Immer wieder seien Erwerbsminderungsrenten, die im Schnitt bei 760 Euro brutto monatlich liegen, ein Thema, das „viele Versicherte trifft, die 40 bis 50 Jahre alt sind. Dann fehlen viele Beitragszeiten, die Erwerbsbiografie ist durch die Erkrankungen oft lückenhaft. Diese Menschen“, so VdK-Geschäftsführer Thomas Zander, „haben keine Chance, was fürs Alter anzusparen.