Duisburg. . Der VdK am Niederrhein hat in den vergangenen zehn Jahren seine Mitgliederzahl auf über 27.000 verdoppelt. Die Sprechstunden werden immer voller.
Einem widerspricht Horst Vöge ganz energisch: „Deutschland ist kein Sozialstaat mit offenen Taschen, wie es oft gesagt wird.“ Aus seiner nunmehr fast zehnjährigen Arbeit als Vorsitzender des Sozialverbandes VdK am Niederrhein weiß der 70-Jährige, „dass der Sozialstaat so ausgerichtet ist, dass die Menschen um ihr Recht kämpfen müssen.“ Fast 3000 neue Mitglieder zählte der VdK-Kreisverband am Niederrhein, zu dem auch Duisburg gehört 2017. Insgesamt hat sich die Mitgliederzahl in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt – von rund 14 000 auf aktuell knapp über 27 000 Männer und Frauen, darunter 7698 allein in Duisburg. Die Sprechstunden werden immer voller. Allein in diesem Jahr zählt der Verband bereits 4800 Besucher in der Rechtsberatung. Fünf Volljuristen, zwei Sozialbetreuer und eine Geschäftsführerin kümmern sich um aktuell 2068 Fälle, darunter 931 Widersprüche und 787 Klagen. „Dies ist ein Spiegel der Gesellschaft“, so Horst Vöge.
„Die Fälle werden immer komplexer“
Zumeist geht es nach wie vor um Fragen der Schwerbehinderung, Renten, Kranken,- und Pflegeversicherung. „Allerdings werden die Fälle immer komplexer. Das ist auch für uns nicht einfach, wie soll der Laie das dann verstehen“, fragt Svenja Weuster, die nach dem Wechsel von Robert Walter in den Landesverband neue Kreisverbandsgeschäftsführerin ist. Oft sind es pflegende Angehörige, die in die Sprechstunden kommen – und das nicht immer nur mit Rechtsfragen. Vielmehr bewege sie Fragen, wie: „Kann ich für eine bestimmte Zeit aus dem Beruf raus, um einen Angehörigen zu pflegen. Muss der Arbeitgeber mich gehen lassen?“ Oder: „Was für Kosten kommen auf uns zu, wenn die Pflege zu Hause nicht mehr geht?" Im Schnitt, so Horst Vöge, müssen für die stationäre Pflege derzeit rund 2200 Euro zugezahlt werden. In der Regel reiche die Rente dafür nicht aus. Dies wird für viele Familien zur Belastung. Ein Kreislauf.
Je mehr Mitglieder, je mehr Gewicht
Immer wieder weist der VdK auf die Pflegesituation hin. Aktuell warnt er vor „Pflegefabriken.“ Diese könnten drohen, wenn die Landesregierung die Pflegeplätze in Heimen erhöht. Die seien bislang auf 80 begrenzt. „Es gibt aber einen Referentenentwurf, der die Begrenzung aufhebt“, so Vöge. Notwendig sei vielmehr zur Entlastung pflegender Familien der Ausbau von Tages- und Kurzzeitpflege. Eine Forderung, die der Verband schon länger stellt.
„Aber, wir finden mehr Gehör“, sagt die Verbandsspitze. Je mehr Mitglieder, je mehr Gewicht bekommen die Worte des VdK – vor allem auf Landes,- und Bundesebene. Kommunal sei es manchmal noch schwierig. Zwar gebe es einen Austausch mit den Stadtspitzen und Landräten. Auch die Zusammenarbeit auf Amtsebene und mit Jobcentern oder der Agentur für Arbeit sei sehr gut. Aber der Austausch mit den politischen Fraktionen in den Kommunen laufe noch nicht optimal. Der demografische Wandel und die Folgen finde nicht in alle Parteiprogramme Einzug. Dies sei aber dringend notwendig. 2030 dürften in der Region über 60 Prozent mehr über 80-Jährige leben. Eine Prognose, die frühzeitig auch in die kommunale Planung von Pflegeplätzen einfließen sollte.
Behindertentoilette? Nicht vorgesehen
Barrierefreiheit in Duisburg? Da gibt es noch viele Baustellen. Raimund Bohsmann, stellvertretender Vorsitzender des VdK Niederrhein listet nur ein paar Beispiel auf: Der Revierpark Mattlerbusch soll für Millionen neu gestaltet werden, einen Bauspielplatz bekommen, barrierefrei werden. „Als ich bei einem Rundgang, zu dem Vertreter von Behindertenverbänden und der Stadt eingeladen waren, fragte, wo denn die Behindertentoilette hinkommt, sagte man mir: Die sieht das Konzept nicht vor“, so Bosmann.
Und um beim Stichwort Behindertentoiletten zu bleiben: „Schon vor einem Jahr hatten wir darauf aufmerksam gemacht, dass es sinnvoll wäre, in der VHS die Behindertentoilette mit einem Euroschlüssel auszustatten, den Behinderte in der Regel dabei haben.“ Bis heute habe sich nichts getan. „Es kann doch nicht so schwierig sein, den Zylinder zu tauschen“, meint Bohsmann.
Auch im ÖPNV gebe es immer wieder Probleme: Seit langem sei der Aufzug an der U-Bahnhaltestelle Duissern defekt. Und: Die DVG hat einen Info-Flyer zur „Mitnahme von E-Scootern in Bussen“ herausgebracht, in dem sie Nutzern von E-Scootern Schulungen anbietet. Das Problem dabei: „Ich habe die Service-Nummer angerufen. Die Mitarbeiter kannten die Schulung nicht und konnten mir auch nicht sagen, welche Busse oder Linien mit E-Scootern genutzt werden können“, sagt Raimund Bohsmann. Noch eine Baustelle mehr auf dem Weg zu einem barrierefreien Duisburg.